Eine Vorbemerkung: Es ist im Dezember 2022 fast schon anrührend, dass über Sinn und Unsinn der Aktionen der Letzten Generation und Co. diskutiert wird. Zeigt es doch, dass dieser recht überschaubare Kreis von Aktivist:innen das wichtigste Thema der Menschheit vehement in den Diskurs trägt.
Aber jetzt mal im Ernst, es ist zum Verzweifeln mit diesen verzweifelten Menschen, die sich für den Erhalt einer einigermaßen bewohnbaren Erde stark machen. Dass sie verzweifelt sind, entsetzt, wütend, deprimiert, ist nur verständlich. Man sieht und hört ihnen die empfundene Ohnmacht an, auf Bildern und in Interviews: Grimmige Gesichter, bissige Wortwahl.
Gleichfalls verständlich ist, dass ihre Aktionen radikaler werden. Die fehlende gesellschaftliche Aufmerksamkeit gegenüber friedlichen Protesten von Fridays for Future ist ihnen eine Lehre: Es nutzt nichts, harmlos Schildchen zu tragen, in Konferenzen und Talkshows zu argumentieren. Also die Vorschlaghammer-Methode.
Man gelangt zum zynischen Schluss: Fridays for Future hat sich, abseits einiger omnipräsenten Ikon:innen, schneller überlebt, als der weltweite Temperaturanstieg auch nur in die Nähe des viel zitierten 1,5-Grad-Ziels gerückt wäre. Man muss nur vor die Haustür schauen. Wie viele Konstanzer:innen können aus dem Stegreif auf dem Wochenmarkt beantworten, was das Klimacamp “da hinten beim Münster” bezweckt, geschweige denn gebracht hat?
Hier geht es nicht um Respektlosigkeit gegenüber dem Durchhaltevermögen der Aktivist:innen. Aber bei der Mehrheit bleibt davon – noch weniger als bei freitäglichen Streiks – nicht wirklich etwas davon hängen. Das Camp endete ebenso unbemerkt wie es sein Versteck an einer Ecke der Altstadt war.
Zwischen Verständnis und Unverständnis
Also: Verständnis für den Teil der Klimabewegung, die sich angesichts eines erlahmenden Protests und auf den Weg einer Erwärmung von realistischen 2,5 bis 3,5 Grad zur Radikalisierung gezwungen sieht. Die Grundidee ist nachvollziehbar: Wenn harmlos nicht hilft, dann versuchen wir es eben mit drastisch.
Unverständnis aber für die Art und Weise. Was denkt ihr euch eigentlich dabei? Buchstäblich gemeint. Es scheint: wenig bis nichts. Die Aktionen sind in ihrer Wirkung auf die Adressat:innen nicht zu Ende gedacht. Wer sich auf Straßen klebt oder anderweitig den Verkehr lahmlegt, muss damit rechnen, dass man es nicht nur mit geifernden Springer-Medien, Politiker:innen oder verärgerten Polizist:innen zu tun haben wird. Diese Protestform sorgt vielmehr dafür, dass diejenigen, die sie erreichen wollen und könnten, sich beschämt oder ratlos abwenden. Einfache Bürger:innen nennt man sie, die weder über die Mittel, noch die Zeit verfügen, ein hedonistisches Luxusleben auf Kosten des Klimas oder nachfolgender Generationen zu führen.
Stichwort: Krisenkommunikation
Es liegt in der Natur dieser Straßenblockaden, dass den Aktivist:innen irgendwann Unfallopfer und nicht mehr nur Staus angelastet würden. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass diese Zuschreibungen im jüngsten Fall ekelhaft und erlogen waren (“Das ist auch eure Schuld, ihr Klima-Kleber” – geht’s eigentlich noch?); dass das Maß der Kritik ins Lächerliche ausufert (“Klima-RAF” – es geht offensichtlich nicht mehr).
All das war absehbar und hätte von Letzte Generation mitbedacht gehört. In Zeiten der – Achtung Modewort – Narrative und Politik per Twitter, sollte den Aktivist:innen klar sein: Ihr Erfolg hängt von einer gelungenen (Krisen-)Kommunikation ab.
Wie schwach die Botschaften sind, zeigt sich an der zweiten Darreichung des radikalen Klima-Aktivismus. Es ist kein ziviler Ungehorsam, hinter sicherem Glas verborgene Gemälde mit Farbe oder gar Essen zu bewerfen. Es ist einfach nur albern. Man muss sich schon sehr gut in andere hineinversetzen können, um den vermeintlichen Zusammenhang zu verstehen: Wenn das Klima zerstört ist, gibt es eh keine Kunst mehr. Nun ja.
Auch hier ist die Intention verfehlt: Es wird zwar darüber geredet, wenn ein van Gogh zum Protestziel wird. Aber kaum verständnisvoll oder gar wohlwollend – sondern meist mit einem Tippen an die Schläfe verbunden.
Eine Frage der Strategie
Auch die “Letzte Generation” und Co. müssen sich schnellstens überlegen, ob ihre Strategie in ihrem ureigenen Sinn ist. Inzwischen scheint das verstanden. Blockaden von Flughafen-Rollfeldern tun eher den Gemeinten weh als der lahmgelegte Stadtverkehr in der Rushhour. Kreuzfahrtschiffe, Öl-Raffinerien und SUV-Autohäuser dürfen gerne folgen.
Wer also das Klima in vernünftigen Bahnen halten will – von retten brauchen wir ohnehin nicht mehr zu reden – wird das nicht als versprengter Haufen schaffen. Sondern nur im Schulterschluss mit der viel zitierten breiten Masse. Wenigstens aber mit dem Teil davon, der grundsätzlich auf derselben Seite steht.
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