„Als ich zehn Jahre alt war, wurde die Imperia aufgestellt. Ich weiß noch, dass da ein großes Tamtam gemacht wurde, habe aber als Kind nicht verstanden, warum“, sagt die Ur-Konstanzerin Nathalie Riether. „Mir ist einfach nur aufgefallen, dass da jetzt eine riesige Statue mit großem Dekolleté steht.“ So wie der ehemaligen Besitzerin der Bar „Planet“ ging es vermutlich vielen. 1993, als die imposante Figur der Imperia enthüllt wurde, bemerkten sie zwar, dass in der Stadt etwas Großes passierte, wussten aber noch nicht, dass sich die Imperia als Wahrzeichen der Stadt etablieren würde.
Die Imperia kommt und bleibt
In der Nacht vom 15. auf den 16. April 1993 wurde eine neun Meter hohe und 18 Tonnen schwere Betonfigur auf einen Sockel an der Hafeneinfahrt aufgestellt. Dem voraus ging eine zweijährige Planungsphase, die letztlich erhitzte Gemüter und heiße Debatten im Konstanzer Gemeinderat mit sich brachte.
Im Oktober 1991 wurden Pläne zur Verschönerung des Hafengeländes gemacht. Initiator war der Fremdenverkehrsverein, der sich mit den Bodensee-Schiffsbetrieben, dem Künstler Peter Lenk und dem damaligen Baubürgermeister Ralf-Joachim Fischer zusammentat. In den Plänen und Verträgen wurde die Figur „Constanze“ genannt.
Zwei Monate vor der Enthüllung am 24. April veröffentlichte der Südkurier eine Skizze der Figur, die auch dem Kulturausschuss vorlag. Daraufhin spalteten sich die Meinungen zum Projekt schnell. Die einen befürworteten die geplante Statue als ein Emblem, das Tourist:innen anlockt. Die anderen hatten Bedenken – vor allem wegen Peter Lenks schonungslosen Körperdarstellungen, die die Konstanzer:innen schon vom Brunnen an der Laube kannten.
„Constanze“ wird zu Imperia
Nach der Einweihung der Figur meldete sich auch die Kirche zu Wort, die die Entfernung des Kunstwerks forderte. „Es verunglimpft die Kirche und setze Prostituierten ein Denkmal“, hieß es damals. Trotz des Tobens der Kirche konnte die Stadt Konstanz die Entfernung der Statue nicht durchsetzen. Denn das Hafengelände gehörte der Deutschen Bahn.
Dass die Kirche (und auch der Gemeinderat) so empfindlich auf die Imperia reagierte, lag nicht nur an ihrem Aussehen mit ihren großen Brüsten und der aufreizenden Kleidung, die viel Bein zeigt. In ihren erhobenen Händen trägt sie zwei Männchen, die Papst und Kaiser darstellen. Zumindest ist das die Interpretation der Kirche, denn das eine Männlein trägt eine Papstkrone, die Tiara, und das andere eine Kaiserkrone und das Zeichen für Macht und Herrschaft, einen Reichsapfel. Die gebückte Haltung und hagere Struktur der Männlein wirken neben der stolzen Imperia altersschwach. Es ist ganz deutlich, dass sie die Macht über die beiden hat.
Peter Lenk selbst erklärt in seinem Buch „Imperia Konstanz: Eine tolldreiste Geschichte“ die zwei Figuren so:
„Bei den Figuren auf den Händen der Imperia handelt es sich nicht um den Papst und den Kaiser, sondern um Gaukler, die sich die Insignien der Macht widerrechtlich angeeignet haben. Inwieweit die echten Päpste und Kaiser ebenfalls Gaukler waren, überlasse ich der Bildung der Betrachter.“
Ein Vorbild für seine Statue war die Geschichte „La belle Impéria“ von Honoré de Balzac, der die Imperia seiner Erzählung über das Konstanzer Konzil 1414 bis 1418 hinzudichtete. Zwar gab es die Kurtisane Imperia, sie lebte aber in Rom hundert Jahre nach dem Konzil.
Wer war die schöne Kurtisane?
Es gibt viele Geschichten zur Imperia, beispielsweise soll sie wohlriechend gefurzt und mit ihrer Schönheit viele Männer betört haben. In Balzacs fiktiver Geschichte ist sie die Liebhaberin von Kardinälen, Würdenträgern, Fürsten und Markgrafen. Dass zu Zeiten des Konstanzer Konzils auch viele Kirchenmitglieder mit Prostituierten zugange waren, leugnet nicht einmal die Kirche selbst. So war Prostitution in den Jahren 1414 bis 1418 nicht nur beim gemeinen Volk gang und gäbe. Auch andere Schriftsteller nahmen die Figur der Imperia und integrierten sie in ihre Geschichten. Tatsächlich gab es eine Frau namens Imperia Cognati (1486 bis 1512), die in Rom lebte und dort als intelligente und charmante Kurtisane, also eine Geliebte von Fürsten und Männern von hohem Stand, galt. Viele Details ihres Lebens sind unklar, zum Beispiel wie und wo genau sie lebte und wie sie starb. Vielleicht ist sie deshalb eine beliebte Figur für Künstler:innen und Schriftsteller:innen, die gerne ihre Fantasie sprechen lassen.
Ihre Bedeutung für die Stadt
Die Imperia ist für Konstanz viel mehr als eine historische Figur. Unzählige Postkartenmotive zeigen die Statue aus der Luft, von unten, vom Wasser und vom Land aus. Sie ist das Stadttor vom Hafen, der Endpunkt des Steges im Hafengelände, unter ihr hat man einen herrlich freien Blick auf den See. Durch die ganzen Diskussionen um die Imperia gab es länderübergreifende Berichterstattung über die „Hure“ von Konstanz.
„Die Imperia wurde schon im Sommer 1993 zur berühmten Sehenswürdigkeit. Auf dem Wollmatinger Dorffest gab es goldene und silberne Imperia-Anstecker, die in großer Anzahl gekauft wurden“,
schreibt Christoph Luzi in seinem Buchband „Vermarktung von Vergangenheit – Die Konzilsbilderfabrik von Konstanz“, der Ende April erstmals erscheint.
Auch wenn die Frau Imperia Cognati eine historische Figur ist, so ist sie nur durch die Erzählungen von Balzac in die Konstanzer Geschichte integriert. Sie funktioniert also viel besser als Tourismusmagnet und Skandalkunstwerk von Peter Lenk. Ein:e Stadtführer:in würde wohl kaum erzählen: „und hier sehen Sie die Imperia, die zu Zeiten des Konstanzer Konzils als Prostituierte ihr Unwesen trieb und die Männer in ihrer Macht hatte.“ Das wäre schlicht und ergreifend gelogen.
Sex sells
Die Faszination um die Imperia wurde 1997 in einer Werbekampagne aufgegriffen. „Wir reizen nicht mit Geizen“ hieß der Slogan damals. Die Imperia wurde zum Emblem für Konstanz. Sie symbolisiert das Verhältnis zwischen Macht und Prostitution und erinnert nicht zuletzt daran, dass zum Konstanzer Konzil, einer Versammlung der Kirche, der höchsten Hüterin der damaligen Moral, unzählige Prostituierte in der Stadt zusammenkamen. Auch wenn sie nicht aus einer politisch motivierten Intention ihren Weg auf den Sockel des ehemaligen Molenturms fand, und selbst ohne in ihrem Leben jemals in Konstanz gewesen zu sein: Sie ist eine echte Konstanzerin. „Für mich gehört die Imperia einfach dazu“, sagt Nathalie Riether. Und das geht vermutlich auch vielen so.
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