„Wir müssen aufwachen!“ 

Die „Omas gegen Rechts“ sind neu in Konstanz und setzen sich für Demokratie und gegen rechte Tendenzen ein. Mitgründerin Christina Herbert-Fischer spricht über die Herausforderungen und das Engagement der Gruppe.
  • Die „Omas gegen Rechts“ haben sich in Konstanz neu gegründet, um sich aktiv für Demokratie einzusetzen und gegen rechte Tendenzen vorzugehen.
  • Die Initiative entstand durch die Vernetzung mit bestehenden Gruppen am Bodensee und umfasst derzeit ein Kernteam von sechs Frauen, mit weiteren Interessierten im Umfeld.
  • Ihr Schwerpunkt liegt auf der Förderung demokratischer Werte wie Toleranz, Menschenwürde und der Verteidigung gegen populistische Bedrohungen, inspiriert durch die historische Verantwortung ihrer Generation.
  • Die Gruppe plant, sich durch Vernetzung, Informationsveranstaltungen und öffentliches Engagement nachhaltig für die Stärkung der Demokratie einzubringen.
  • Obwohl Konstanz eine starke demokratische Kultur aufweist, richtet sich ihr Engagement auch gegen rechte Tendenzen auf Kreisebene, um die Stadt weiterhin als Ort der Vielfalt und Offenheit zu bewahren.

Wie ist „Omas gegen Rechts“ in Konstanz entstanden?

Ich habe mich zunächst für das Thema interessiert und bin irgendwann dem Bundesverein beigetreten. Damals gab es hier noch keine Gruppe, aber ich hatte die Idee, auch hier eine zu gründen. Es gab schon Omas-Gruppen auf der anderen Seite des Sees –  in Lindau und Überlingen. Also habe ich mich mit denen vernetzt und die Idee entwickelt, hier eine Gruppe zu starten. 

Schließlich habe ich den Kontakt zu anderen Frauen aufgenommen, und nach einem ersten Treffen haben wir beschlossen, es zu gründen. Die Chemie stimmte sofort. Wir haben uns dann organisiert und erste Informationen verteilt, sodass sich schnell noch weitere Frauen gemeldet haben. Heute sind wir ein Kernteam von sechs Frauen und etwa fünf bis sechs weitere haben Interesse bekundet. Es ist alles noch ganz am Anfang, aber wir sind motiviert und es wird sicher wachsen.

Warum braucht es Gruppen wie „Omas gegen Rechts“ auch hier vor Ort?

Christina Herbert-Fischer ist Mutter von sechs Kindern und seit vielen Jahren ehrenamtlich engagiert. | Foto: Sophie Tichonenko

Dafür gibt es viele Gründe. Aber ein großes gesellschaftliches Problem, das ich aktuell sehe, ist der Fachkräftemangel, besonders in der Pflege. Hier vor Ort merken wir das auch. Es gibt einfach nicht genug Menschen, die in der Pflege arbeiten können – und das führt zu erheblichen Schwierigkeiten, vor allem für ältere Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Dazu kommt eine Politik, die sich von der AfD in vielerlei Hinsicht beeinflussen lässt. Die AfD präsentiert sich zwar als mittelstands- und wirtschaftsfreundlich, aber ihre Haltung zur Einwanderung, gerade in Bezug auf Fachkräfte, macht Deutschland extrem unattraktiv für qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland. 

Was hat das mit Konstanz zu tun? Wir haben doch beispielsweise keine AfD-Politiker:innen im Gemeinderat.

In Konstanz selbst haben zum Glück keine große AfD-Präsenz, da hier etwa die Universität und Hochschule sind. Aber im Landkreis sieht es anders aus. In Gegenden wie Rielasingen-Worblingen, wo viele AfD-Wähler leben, haben wir mit dem Bündnis „Konstanz für Demokratie — klare Kante gegen Rechts“ Flagge gezeigt. Wir haben Postkarten in den Stadtteilen verteilt und festgestellt, dass besonders viele Mittelstandsfamilien betroffen sind. Diese Menschen sind oft unsicher und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. 

Die Problematik ist, dass Populisten einfache Lösungen versprechen, aber in Wirklichkeit passiert das Gegenteil. In den nächsten Jahren werden viele Menschen in Rente gehen, und die Prognosen des Arbeitsamtes zeigen, dass wir jetzt schon Hunderttausende unbesetzte Stellen haben – vor allem in der Pflege. Wie soll man diese Lücken füllen, ohne auf Einwanderung zu setzen? Ohne Einwanderung wird es fast unmöglich, diese Probleme zu lösen.

Ist die Lösung des Fachkräftemangels euer Fokus? Ich dachte immer, die „Omas gegen Rechts“ wollen sich für die Demokratie starkmachen?

Wollen wir auch. Es geht hier nicht nur um den Arbeitsmarkt oder die Pflege. Das war nur ein Beispiel. Für mich persönlich ist der Fachkräftemangel gerade besonders relevant, weil ich mich mit den wirtschaftspolitischen Eckpunkten im Parteiprogramm der AfD auseinandergesetzt hatte. Wie soll das gehen? Bürokratieabbau und Steuererleichterungen hören sich wirtschafts- und industriefreundlich an, aber das Fachkräftethema wird einer der entscheidenden Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung in den nächsten Jahren werden. 

Unserer Gruppe geht es aber um mehr. Es geht uns um die Menschenwürde und Toleranz, die unsere Demokratie ausmachen. Diese Werte sind in Gefahr, wenn solche politischen Positionen weiter an Boden gewinnen. In meiner Familie haben wir immer über die Geschichte gesprochen – über die Nazi-Zeit, den Widerstand und auch die Menschen, die damals passiv waren und nicht eingriffen, obwohl sie sahen, wohin die Reise geht. Diese Gespräche haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig aufzuwachen und zu handeln, bevor es zu spät ist. Wir müssen aufwachen.

Bei Veranstaltungen tragen „die Omas“ ihre Buttons. | Foto: Omas gegen Rechts

Wie organisiert ihr eure Treffen und Aktionen?

Im Moment läuft vieles über E-Mail-Kontakt. Wir haben schon ein paar Treffen organisiert, bei denen wir uns über organisatorische Fragen austauschen. Die Idee ist, zunächst bei bestehenden Aktionen mitzumachen und sichtbar zu werden. Langfristig wollen wir aber auch eigene Veranstaltungen organisieren, wie Vorträge oder Informationsstände. Wir sind noch in der Planungsphase, aber es gibt schon erste Entwürfe für Flyer und ein Logo. 

Welche Rolle spielt die digitale Kommunikation bei der Organisation? Habt ihr auch digitale Tools wie Chatgruppen oder online geteilte Dokumente?

Die digitale Technik spielt eine Rolle, aber bei uns ist es noch sehr einfach gehalten. Ich selbst bin auch nicht die Technikhasserin, aber ich komme mit den neuesten Programmen manchmal nicht ganz zurecht. Es wird spannend sein, zu sehen, wie sich das entwickelt, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Einige von uns haben auch an Zoom-Sitzungen teilgenommen, die unsere Schwestergruppen in anderen Städten durchführen, um vernetzt zu bleiben. Wir in Konstanz treffen uns einmal wöchentlich oder alle zwei Wochen über Zoom. Es hängt davon ab, was anliegt.

Wie finanziert ihr euch als Gruppe? Gibt es schon einen festen Plan?

Am Anfang haben wir einfach etwas Geld in ein Kästchen gelegt, um die ersten Dinge zu finanzieren. Wir haben aber noch kein Konto. Das kommt sicher alles noch. Die Omas von der anderen Seite des Sees, also aus Lindau und Überlingen, haben uns sogar 200 Euro als Starthilfe geschickt, was wirklich toll war. Wir haben auch überlegt, vielleicht irgendwann mal einen Klingelbeutel herumzugeben oder auf Spenden zurückzugreifen.

Die „Omas gegen Rechts Bodensee“ gibt es schon länger. Die knapp 60 Aktiven organisieren regelmäßig Veranstaltungen oder Proteste. | Foto: Omas gegen Rechts Bodensee

Welche Erwartungen hast du an die Gruppe und euer Engagement in der Zukunft?

Ich hoffe, dass wir dauerhaft sichtbar bleiben. Dass wir Tendenzen, die in eine rechte Richtung gehen, etwas entgegensetzen können. Uns geht es vor allem darum, für die Werte einzutreten, die uns wichtig sind. Es ist sogar noch wichtiger, für diese Dinge einzutreten, als nur gegen etwas zu kämpfen. Unsere Generation ist mit der Demokratie aufgewachsen, und wir haben gelernt, dass sie nicht selbstverständlich ist. Das zu bewahren und zu stärken, ist unsere Aufgabe.

Hast du Sorgen oder Ängste in Bezug auf euer Engagement?

Ehrlich gesagt habe ich keine großen Ängste. Natürlich gibt es unter den Frauen in der Gruppe Bedenken, vor allem in Bezug auf Sicherheit. Manchmal überlegen wir, wie wir uns schützen können, zum Beispiel, indem wir den Treffpunkt für unser erstes öffentliches Treffen Ende November nicht gleich bekannt geben.

Wie gehst du mit solchen Ängsten um, die in der Gruppe geäußert werden?

Ich nehme die Sorgen ernst, aber ich lasse mich nicht von ihnen runterziehen. Wir müssen uns sicher fühlen, aber wir dürfen uns nicht von den Ängsten lähmen lassen. Ich glaube nicht, dass wir uns einschüchtern lassen sollten, sondern wir müssen unsere Ängste überwinden und weiterhin aktiv bleiben. Ich persönlich habe keine Angst, ich finde es wichtig, dass wir uns mit der Zeit immer mehr organisieren und unsere Stimmen laut und klar hörbar machen.

Gibt es eine bestimmte Botschaft, die du der älteren Generation, „der Großelterngeneration“, mit auf den Weg geben möchtest?

Ja, Erfahrung und Wissen sind eine Verantwortung. Wir dürfen uns nicht nur über die jüngere Generation beschweren, sondern sollten sie unterstützen. Es ist wichtig, sich auch um die Dinge zu kümmern, die für die Zukunft wichtig sind. Manchmal sind wir vielleicht nicht immer einverstanden mit der Art, wie Dinge gemacht werden – aber wenn wir unseren Erfahrungsschatz weitergeben, tragen wir dazu bei, die Gesellschaft zu stärken. Und gerade die Technik, die für uns manchmal eine Herausforderung darstellt, ist für die jüngeren Generationen ein Werkzeug, das wir besser verstehen sollten, um uns weiter einzubringen.

Die überparteiliche und zivilgesellschaftliche Bewegung, setzt sich bundesweit für Demokratie, Menschenrechte und ein respektvolles Miteinander ein. Ab jetzt auch in Konstanz.| Foto: Christian Lue

Was hat dich in letzter Zeit in Bezug auf deine Stadt oder eure Aktivitäten besonders verärgert?

Was mich wirklich geärgert hat, war die letzte Wahl. Es war skandalös, dass ältere Menschen in langen Schlangen draußen stehen mussten, um zu wählen. Ich habe mich dafür eingesetzt und mich bei der Stadt beschwert. Ich habe die Verantwortlichen mehrfach angeschrieben und zum Glück auch Antworten bekommen. Jetzt hoffe ich, dass die Stadt aus den Fehlern lernt und die kommende Neuwahl besser organisiert wird.

Was hältst du von der politischen Situation in Konstanz, wie steht es hier um rechte Tendenzen?

In Konstanz selbst haben wir zum Glück nicht die großen Probleme mit rechten Strömungen, die es anderswo gibt. Bei den letzten Gemeinderatswahlen war die AfD hier relativ schwach, auch in den Vororten, was uns Hoffnung gibt. Auf Kreisebene sieht es leider anders aus, und das betrifft uns auch. Aber insgesamt bin ich zuversichtlich, dass wir den richtigen Weg gehen, damit Konstanz ein Ort bleibt, an dem diese Tendenzen keinen großen Platz finden.

Wie definiert ihr „rechte Tendenzen“? Ab wann sagt ihr, dass es problematisch wird?

Für uns beginnt es dann, wenn Ansichten populistisch werden und es so wirkt, als ob eine Gruppierung nicht mehr hinter der Demokratie steht. Meinungsfreiheit ist natürlich wichtig, und jemand kann gerne konservative Ansichten haben, das ist für mich kein Problem. Aber wenn eine Partei oder Bewegung die Demokratie infrage stellt oder populistisch wird, dann wird es gefährlich. 

Das sieht man ja auch im Osten von Deutschland oder in anderen Ländern wie Ungarn oder Polen, wo der Rechtspopulismus bis hin zum Rechtsradikalismus reicht. Und ich denke, das betrifft nicht nur rechte Parteien, sondern auch linke. Etwa das Bündnis von Sarah Wagenknecht. Auch das ist etwas, mit dem ich ein Problem habe, besonders im Hinblick auf ihre Haltung zur Migration. Da wird deutlich, dass auch vermeintlich linke Gruppen Tendenzen zeigen können, die eigentlich rechts sind.

Wie würdest du das bürgerschaftliche Engagement in Konstanz beschreiben?

Konstanz hat definitiv ein starkes Zivilengagement. Die Stadt hat viele Ehrenamtliche, und es gibt zahlreiche Vereine, die sich für verschiedene gute Zwecke einsetzen. Das bürgerschaftliche Engagement hier ist wirklich beeindruckend. Die Menschen in der Stadt kümmern sich sehr um ihre Gemeinschaft und setzen sich aktiv für soziale und politische Themen ein. Es ist ein Grund, warum wir hier die Hoffnung haben, dass sich die Dinge zum Positiven entwickeln können, selbst wenn es auf anderen politischen Ebenen Herausforderungen gibt.