Eine Krise jagte in den vergangenen Jahren die nächste: erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine und in der Folge die Geflüchtetenströme, die Energiekrise und die Inflation. Ja, die Kommunen haben es gerade nicht leicht. Nach einer Umfrage im Auftrag der staatlichen Förderbank KfW bewerteten Ende vergangenen Jahres 48 Prozent von 700 Kommunen die Finanzlage nur als „ausreichend“ oder sogar „mangelhaft“. Die Kämmereien sehen schwarz: 70 Prozent von ihnen erwarten eine weitere Verschlechterung der finanziellen Lage. „Die Krisen hinterlassen deutliche Spuren“, sagt auch Ulrich Schwarz, Kämmerer der Stadt Konstanz. Die KfW-Umfrage unter 700 Kommunen in Deutschland zeigt auch, dass sich die Investitionsschwerpunkte verschoben haben. Schulen, Straßen und Verwaltungsgebäude haben den Kommunen zufolge den größten Bedarf. Rückgänge gibt es hingegen in den Bereichen Kultur, IT, Schulen oder Sport. Wie ist die Lage in Konstanz? CorrelAid hat sich für uns die Daten der Haushalte von 2011 bis 2021 angeschaut.
Da wir die Datenexpertise nicht selbst bei uns im Team haben, kooperieren wir von karla für datenjournalistische Projekte mit dem gemeinnützigen Verein CorrelAid e. V.. Zu unserem Schwerpunkt im Dezember, städtischer Haushalt, wollten wir eine erste Datenrecherche gemeinsam realisieren. Wir in der karla Redaktion finden, es ist zu leicht zu sagen, dass es beim Sport schon wieder Kürzungen gibt oder die Kultur in Konstanz zu viel Geld bekommt. Sieht man sich den Vergleich zum Vorjahr an, sind Rückschlüsse schnell gezogen. Zu schnell? Wir haben mit den Datenexpert:innen Zoé, Valentin, Abigail und Maite gemeinsam die Herausforderung gewagt und zehn Excel-Tabellen mit jeweils 20.000 Zeilen durchkämmt.
Die Daten sind öffentlich als PDF-Datei verfügbar. Damit lässt sich nicht so gut arbeiten wie beispielsweise mit Excel-Tabellen oder anderen Abbildungen von Rohdaten. Deshalb haben wir von karla direkt bei der Stadt Konstanz nach den Rohdaten gefragt. Zwar war die Kämmerei zunächst überrascht über unsere Anfrage, aber sie hat uns die Daten zeitnah zur Verfügung gestellt. Die zehn Excel-Tabellen mit 885 Kostenstellen durchsuchte CorrelAid systematisch nach Auffälligkeiten. Darüber hinaus gaben wir ihnen ein paar Fragestellungen an die Hand, zum Beispiel: Wie haben sich die Ausgaben für Personal entwickelt? Bekommt der Bereich Kultur immer gleich viel Geld? Wie sieht es im Bereich Einwohnerwesen aus? Durch die vielen Kostenstellen und Ausgaben kann man sich händisch kaum durchwühlen, deshalb haben die Datenexpert:innen dafür die Statistiksoftware R genutzt.
Herausgekommen sind die Diagramme, die CorrelAid uns für diesen Beitrag zur Verfügung stellt. Denn wir glauben fest daran, dass man manche Dinge einfach in Grafiken sehen muss, um sie zu verstehen. Deshalb ist das erst der Anfang unserer gemeinsamen Kooperation. Wir haben uns bereits die nächsten Datenquellen ausgeguckt, die wir gemeinsam als Recherchebasis nutzen wollen. Falls ihr Fragen zu der Kooperation oder Anregungen für Themen habt, meldet euch gerne per Mail an redaktion@karla-magazin.de.
Die Folge der Krisen für den Konstanzer Haushalt wurde erst kürzlich im Gemeinderat publik. Die Ausgaben der Stadt Konstanz steigen schneller als ihre Einnahmen, der Haushalt weist ein strukturelles Defizit von 15 Millionen Euro auf. Dagegen will die Politik ansteuern. „Durch die verschiedenen Krisen und auch durch das Thema Klimakrise, sind die Finanzen der Stadt Konstanz beeinträchtigt“, sagt Schwarz. „Das ist eine Extremsituation für eine Kommune.“
Wie haben sich die Ausgaben in den unterschiedlichen Bereichen entwickelt? Vorab: Die Kommunen sind frei in der Bildung sogenannter Teilhaushalte. Wie der Begriff schon sagt, teilen sie den Haushalt der Kommune in Bereiche – entweder funktional, also nach Produkten, oder institutionell entsprechend der Verwaltungsorganisation. In Konstanz hat das zum Beispiel zur Folge, dass Gesundheit, Sport und Bäder einen Teilhaushalt bilden.
Im Bereich der Allgemeinen Verwaltung, die neben dem Oberbürgermeister unter anderem auch den Gemeinderat, das Pressereferat, das Personalwesen und die Ortsverwaltungen umfasst, haben sich die Ausgaben seit 2011 fast verdoppelt. Relativ gleichbleibend sind die Ausgaben zum Beispiel im Bereich Gesundheitsdienste, Sport und Bäder und bei den Schulträgeraufgaben. Im Bereich Kinder-, Jugend- und Familienhilfe gab es 2012 einen Einbruch bei den Ausgaben. Lag der Wert damals noch bei unter zehn Millionen Euro pro Jahr, hat er sich seitdem mehr als verdoppelt.
Entsprechend der finanziellen Lage der Stadt Konstanz hagelte es bei den Haushaltsplanungen für den künftigen Doppelhaushalt Kürzungen – zum Beispiel bei den Zuschüssen für das Theater und die Philharmonie. Auch bei der Sportförderung gab es Einbußen.
Entwicklung der Sportförderung
Der Bereich Sportförderung teilt sich in verschiedene Unterkategorien, deren Entwicklungen im nachstehenden Diagramm dargestellt werden. „Beim Sport ist es so, dass die Sporthallen in der Regel bei den Schulen geführt werden“, sagt Ulrich Schwarz von der Kämmerei. Das liegt daran, dass sie hauptsächlich auch von den Schulen genutzt werden. Am Abend und am Wochenende können die Hallen dann von den Vereinen genutzt werden. In der Regel zahlen die Vereine nach Angaben der Kämmerei keine oder nur wenig Gebühren. Alle schulunabhängigen Sportstätten wie die Schänzle-Halle oder das Bodenseestadion fallen hingegen in den Bereich Sport. „Aber wenn man die ganzen Kosten berücksichtigt, dann tun wir sehr viel für den Sport in Konstanz“, sagt Schwarz. Neun Millionen Euro kostet die Erweiterung der Schänzle-Sporthalle, eine neue Dreifeldhalle für das SuSo-Gymnasium ist in Planung – sie wird Kosten in Höhe eines zweistelligen Millionenbereichs verursachen.
Ausgaben für Kultur
„Letztendlich ist Konstanz eine Stadt, die im Verhältnis zur Einwohnerzahl viele gute Angebote finanziert“, sagt Schwarz. Die Ausgaben im Bereich Sport mit denen für die Kulturszene zu vergleichen, hält er für oberflächlich. „Das Theater Konstanz und die Südwestdeutsche Philharmonie sind Einrichtungen, die auch eine regionale Bedeutung haben“, erklärt Schwarz. Er hält nichts davon, Kultur und Sport gegeneinander auszuspielen.
Vielmehr müsse man in jedem Bereich unabhängig von den anderen die Finanzlage optimieren. Was kann sich die Stadt leisten? Was will sie sich vielleicht auch leisten? „Man muss immer hinterfragen, ob wir uns diese Standards noch leisten können und ob es da Optimierungen gibt“, so Schwarz. Der Gemeinderat hat kürzlich beschlossen, die Zuschüsse an die Philharmonie und das Theater zu reduzieren. Seit 2019 sind die Ausgaben für das Theater gesunken, wie die Grafik zeigt.
Personal
Mehr als zwei Millionen Euro hat die Stadt 2021 für das Personalwesen ausgegeben. Innerhalb von neun Jahren haben sich die Ausgaben hier verdoppelt. Warum? „Die Stadt ist ein Dienstleistungsbetrieb mit vielen Leistungen von Kitas bis Friedhöfen’. Diese Leistungen erfordern entsprechendes Personal, um das gut zu machen“, sagt Schwarz. Die Möglichkeit, an Personal zu sparen, sieht er nur mit Einbuße bei der Qualität. Das würde für die Bevölkerung bedeuten, dass bestimmte Bereiche wegfallen müssten. „Fachkräfte sind rar, wir müssen schauen, dass wir attraktiv bleiben und auch Nachwuchs ausbilden.“
Die Personalkosten der Stadt haben wir uns mal genauer angeschaut. 1.032 Personalstellen gibt es laut dem Haushaltsplan 2022. Dabei stechen vor allem die Dienstaufwendungen für Beschäftigte heraus. Das sind die Gehälter für die Mitarbeitenden bei der Stadt. Als Folge der Geflüchtetenströme, die im Jahr 2015 begannen, wurden nach Angaben der Kämmerei viele neue Stellen geschaffen – unter anderem im Bereich Kindergärten.
Ulrich Schwarz ist schon die Hälfte des untersuchten Zeitraums – fünf Jahre lang – Kämmerer bei der Stadt. Was hat sich aus seiner Sicht in den vergangenen fünf Jahren verändert? „Die Unsicherheiten sind gestiegen, die Planbarkeit ist gesunken. Wir müssen viel mehr auch kurzfristig gegensteuern“, sagt er. Was die Einnahmen angeht: Es gibt nach Angaben der Kämmerei wenig große Steuerzahler in Konstanz, sondern viele kleine und mittlere Unternehmen. Anders als beispielsweise in Singen, wo viel Industrie angesiedelt ist. Dementsprechend sind die Einnahmen über die Gewerbesteuer nicht so hoch. Im neuen Jahr werden diese allerdings angehoben – 2,5 Millionen Euro pro Jahr sollen damit künftig mehr eingenommen werden.
Werfen wir mal einen Blick in zwei spezifische Bereiche. Beim Einwohnerwesen sind die Ausgaben im untersuchten Zeitraum ebenfalls angestiegen. Ab 2018 wurden die Kostenstellen „Einwohnerwesen“ und „Bürgerbüro“ zusammengefasst.
Für Fundsachen gibt die Stadt auch eine nicht unerhebliche Summe aus: Seit 2014 stetig über 45.000 Euro, im Jahr 2021 waren es sogar mehr als 60.000 Euro. Einzig 2013 gab es einen Einbruch der Kosten auf rund 30.800 Euro. Warum? Nach Informationen der Kämmerei liegt die Vermutung nahe, dass 2013 eine Stelle unbesetzt war, daher die geringeren Kosten.
„Es ist immer eine Herausforderung, Einnahmen und Ausgaben zu balancieren. Das war schon immer so und hat sich durch die Krisen noch verschärft“, sagt Schwarz. Infolge der Inflation, die aktuell bei zehn Prozent liegt, steigen auch die Zinsen. „Wir müssen in Zukunft noch vorausschauender und sorgfältiger planen, um nicht in eine Schuldenspirale zu geraten.“ Gleichzeitig sieht er in Konstanz eine Art Oberzentrum für die gesamte Bodenseeregion. Mit der Uni, der HTWG, dem Theater, und der Philharmonie hat Konstanz Schlagkraft nach außen. Doch die kostet.
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