Im Konstanzer Turm zur Katz gibt es eine jährliche Illustrationsausstellung – diesmal mit dem Fokus auf das Genre Kinderbuch. Und da ist es naheliegend, dass Kuratorin Anna Martinez Rodriguez und Kurator Jakob Hoffmann mit einem der berühmtesten Zeichner ins Rennen gehen: Axel Scheffler, 1957 in Hamburg geboren, wohnhaft in London. Vor drei Jahrzehnten entwarf dieser für eine Kinderbuch der britischen Autorin Julia Donaldson den Grüffelo – ein Wesen mit schrecklichen Klauen und schrecklichen Zähnen, um Tiere zu kauen. Wer selbst Kinder hat, kann diese Zeilen vermutlich auswendig – der Grüffelo findet sich in millionenfacher Auflage in beinahe jedem Kinderzimmer.
Weitere Charaktere von Scheffler sind Räuber Ratte, der Superwurm, Die Schnecke und der Buckelwal, der Drache Zogg und so weiter und so fort. Und auch selbst geschrieben hat Scheffler: „Vater Eichhorn fällt vom Baum“, ein herrlich unpädagogisches Handbuch über zwei Kinder, die ein verletztes Eichhörnchen aufnehmen, es mit Nutella füttern, ins Aquarium fallen lassen und in Puppenkleider stecken, um es letztendlich mit einem ferngesteuerten Flugzeug zurück ins heimatliche Nest zu fliegen. Im Gespräch erzählt Axel Scheffler von seiner Arbeit und gibt Einblicke in die aktuelle Ausstellung.
Wie kamen Sie eigentlich zu Ihrem Beruf, Herr Scheffler?
Meine Laufbahn startete ein wenig auf Umwegen. Ich habe nach der Schule Zivildienst gemacht und dann Kunstgeschichte auf Lehramt studiert. Das habe ich abgebrochen und bin auf eine Kunstschule nach England gegangen, wo ich bis heute lebe. Dort habe ich angefangen für Zeitschriften zu illustrieren und dann kam das erste Kinderbuch. Dieses Genre hat sich dann schnell in den Vordergrund geschoben. Mein Vorbild war Tomi Ungerer – sowas wie er wollte ich auch gerne machen.
Und hatten Sie jemals eine Phase des Zweifels oder überlegt einen anderen Job auszuüben?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe schnell Aufträge bekommen und die Zweifel einfach beiseitegeschoben. Dafür war gar keine Zeit. Den Verlagen und dem Publikum hat mein Stil gefallen und es gab immer Arbeit für mich. Abgesehen davon wüsste ich auch gar nicht, was ich sonst tun sollte …
Wann haben Sie zu zeichnen begonnen?
Wie alle Illustratoren habe ich als Kind angefangen. Ich habe viel gezeichnet und Kunst war eines meiner Lieblingsfächer. Allerdings waren meine Zeichnungen nicht besonders gut. Ich war also kein kleiner Picasso und musste es durch viel Übung erlernen.
Wie sehen Sie die Entwicklung, dass der Kunstunterricht an den Schulen immer mehr in den Hintergrund rückt?
Das finde ich traurig, schade und schlimm. Es ist unglaublich bedauerlich, dass die musischen Fächer so wenig Raum in der Bildung von Kindern und Jugendlichen erhalten. Kreativität müsste viel mehr gefördert werden.
Und wann hatten Sie den Durchbruch mit Ihrer Arbeit?
Das war als ich mein zweites Buch für die britische Autorin Julia Donaldson illustrierte: das erste war „Mein Haus ist zu eng und zu klein“ und dann kam „Der Grüffelo“. Dieser gewann einen Preis, erhielt viel Aufmerksamkeit und ist bis heute ein Wahnsinnserfolg. Ich bekomme von jedem Merchandise-Produkt ein Exemplar zugeschickt. Bei mir zuhause stapeln sich Fahrradhelme, Rollkoffer, Tassen und Bettwäsche. Ich komme kaum hinterher die Dinge in meinem Freundeskreis zu verteilen.
Wie lange arbeiten Sie denn an einem Buchprojekt?
Das ist unterschiedlich. Ich würde sagen zwischen vier Wochen und drei Monaten. Zuerst erhalte ich den Text vom Verlag und wenn er mir zusagt, entwickle ich erste Figuren. In Teamwork mit der Lektorin und Gestalterin des Buches erarbeite ich die Seitenaufteilung und mache mich dann an die einzelnen Bilder und Vignetten.
Und wie man hier in der Ausstellung sehen kann, zeichnen Sie auch privat?
Ja, ich habe in meiner Anfangszeit in England angefangen Briefe zu schreiben, um mit meiner Familie Kontakt zu halten und Freundschaften zu pflegen. Damals gab es ja noch keine digitale Kommunikation, nur Briefe und Faxe. Und da habe ich eben immer etwas dazu gezeichnet, vor allem die Briefumschläge habe ich illustriert. Und das habe ich bis heute beibehalten. Meine Kommunikation läuft weitestgehend darüber. Ein Smartphone habe ich noch immer nicht, will ich auch gar nicht.
Es werden aber nur die Briefumschläge ausgestellt, oder? Nicht die Inhalte?
Ja, nur die Umschläge! Zum Glück! Auf den Briefumschlägen arbeite ich sehr frei. Da gibt es keine Vorgaben oder Regeln, an die ich mich halten muss. Keiner sagt mir, was zu tun ist. Deshalb mag ich dieses Format sehr. Es entsteht ein eigener Dialog und mit meinen Kolleginnen und Kollegen ein künstlerischer Austausch.
Haben Sie die Briefe alle aufbewahrt? Und wie lange sitzen Sie an einem solchen Werk?
Für so einen Briefumschlag brauche ich in Etwa 15 Minuten. Und ja, ich bewahre alle auf, die ich bekomme, aber fragen Sie mich nicht wo. Andersherum wäre eine solche Ausstellung gar nicht möglich, ich bin nämlich schrecklich unordentlich. Meine Umschläge wurden zum Glück von den Adressatinnen und Adressaten gesammelt und für die Ausstellung, die in ähnlicher Form auch schon in Berlin, Leipzig und Frankfurt zu sehen war, zur Verfügung gestellt. Zum Teil haben die Empfängerinnen und Empfänger auf meine Bilder reagiert. Rotraut Susanne Berner, mit der ich seit den 1990er Jahre in engem Kontakt stehe, hat beispielsweise meine Postkarten an sie nochmals zeichnerisch neuinterpretiert. Und alle Beteiligten haben ein Katzenbild gemalt: so ist der Konstanzer Katzentanz entstanden – extra für den Turm zur Katz!
Im Turm zur Katz findet sich bis zum 7. April 2024 neben Axel Schefflers Arbeit auch die weiterer Größen der zeitgenössischen Kinderbuchillustration wie Rotraut Susanne Berner, Philip Waechter, Gerda Dendooven, Thomas Müller, Moni Port, Ole Könnecke, Barbara Nascimbeni, Dorothée de Monfreid, Tor Freeman und Anke Kuhl.
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