„Busfahren soll billiger sein als Parken“
Niklas Becker (FGL & Grüne) betonte die soziale Dimension des Antrags: Die aktuellen Ticketpreise – derzeit 3,10 Euro für eine Einzelfahrt – seien für viele Menschen ein Hemmnis, auf den Bus umzusteigen. Vorbild seien Städte wie Kreuzlingen, wo ein 1-Franken-Ticket eingeführt wurde – mit Erfolg. Ziel müsse sein, dass Busfahren günstiger sei als Parken. Nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern vor allem im Sinne der sozialen Gerechtigkeit.
Die Fraktionen von FGL & Grüne und SPD argumentierten außerdem, dass eine Erhöhung der Parkgebühren auch einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten könne – ein Punkt, der angesichts des Defizits der Busbetriebe von über fünf Millionen Euro an Bedeutung gewinnt. Ein konkreter Vorschlag, wie ein 1-Euro-Ticket in Konstanz finanziert werden könnte, lag allerdings nicht vor. Eine Schwäche, die dem Antrag mehrfach vorgehalten wurde.
Die Sitzungen des Konstanzer Gemeinderats können am Tag nach der Sitzung als Video-Podcast nachgeschaut werden – ganz bequem auf dieser städtischen Website. Die nächste Sitzung findet am 22. Mai um 16 Uhr statt. Wie immer gibt es eine Bürger:innenfragestunde, die in der Regel gegen 18 Uhr beginnt. Die genaue Uhrzeit und alle Themen findet ihr in der Tagesordnung, die vorab online veröffentlicht wird.
Kritik von CDU, FDP, Freien Wählern – und der Blick aus den Vororten

Der Rechtsanwalt Roger Tscheulin (CDU) kritisierte die Pläne scharf. Die Erhöhung der Parkgebühren sei keine soziale Maßnahme. Im Gegenteil: Menschen, die auf das Auto angewiesen seien, würden überproportional belastet. Zudem bleibe die Situation im innerstädtischen Handel völlig außer Acht: „Wenn wir Besucher durch hohe Gebühren fernhalten, werden wir die Konsequenzen im Einzelhandel zu spüren bekommen.“
Auch die FDP warnte vor negativen Auswirkungen – sowohl für den Handel als auch für Menschen aus dem Umland. Achim Schächtle (FDP) verwies darauf, dass viele Einkaufstourist:innen mit dem Auto kämen – und sich gezielt zwischen Konstanz, Singen oder Radolfzell entscheiden würden. Wenn Parken zu teuer werde, verliere Konstanz an Attraktivität.
Die Diplom Betriebswirtin Susanne Heiß (Freie Wähler) nannte die geplante Preisstruktur eine „absolute Diskriminierung der Vororte“. Wer nicht in der Stadt wohne und den ÖPNV nicht problemlos nutzen könne, fühle sich zunehmend ausgeschlossen. Viele Menschen seien frustriert und hätten „die Schnauze voll“, was sich auch in sinkenden Innenstadtbesuchen niederschlage.

Was bei diesen Einwänden jedoch weitgehend offen blieb: Welche alternativen Wege zur Finanzierung des Busverkehrs schlagen die Kritiker:innen konkret vor? Die Forderung, Parkgebühren nicht zu erhöhen, blieb ohne Gegenmodell zur Entlastung der öffentlichen Haushalte oder zur ökologischen Steuerung des Verkehrs.
ÖPNV als ungelöstes Versprechen
Mehrere Ratsmitglieder warfen der Gegenseite vor, mit zweierlei Maß zu messen: Einerseits werde gegen Parkgebührenerhöhungen protestiert – andererseits blieben konkrete Vorschläge für eine Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) aus.
„Wenn 4 Euro fürs Parken eine Zumutung sind – was sind dann 6,10 Euro für ein Tagesticket?“, fragte Niklas Becker (FGL & Grüne).
Holger Reile (Linke Liste Konstanz) kritisierte den Antrag von SPD und FGL & Grüne als nicht weitreichend genug. Zwar unterstütze seine Fraktion die Ziele der Mobilitätswende, doch ohne ein tatsächlich sozialverträgliches und attraktives Busangebot – etwa ein 1-Euro-Ticket – bleibe das Ganze wirkungslos. Entsprechend lehnten die Linken den Antrag ab.
🗳 Die Abstimmung im Überblick
Antrag von FGL & Grüne und SPD | 19 Ja- Stimmen/21 Nein-Stimmen | abgelehnt |
Verwaltungsvorschlag | 20 Ja- Stimmen/20 Nein-Stimmen | bei Stimmengleichheit abgelehnt |
Damit wurden beide Vorschläge abgelehnt
Unverständnis über das Abstimmungsverhalten der Linken
Für Irritation sorgte darüber hinaus, dass die Linke Liste Konstanz (LLK) auch den Verwaltungsvorschlag ablehnte – obwohl dieser zumindest eine moderate Anpassung der Gebühren vorsah. Reile verteidigte die Haltung seiner Fraktion: Beide Vorschläge seien sozialpolitisch unzureichend und enthielten keine konkreten Schritte hin zu einem günstigen, flächendeckenden ÖPNV.
Was ist mit dem Handel?
Aus Sicht einiger Ratsmitglieder wurde die Perspektive des Einzelhandels zu wenig berücksichtigt. Katharina Müller (CDU) ist Geschäftsführerin der Otto Müller-Metzgerei. Sie berichtete von einem Rückgang der Besucher:innen von 8,8 Prozent in der Innenstadt im ersten Quartal 2025 und mahnte, bei allen Steuerungsideen auch an inhabergeführte Betriebe zu denken.

Als Quelle nannte sie auf Nachfrage Erhebungen des Vereins Treffpunkt Konstanz e.V., der an mehreren Standorten in der Innenstadt Frequenzmessungen durchführe. Eine Rückmeldung zur Methodik und Aussagekraft dieser Daten lag dem Redaktionsteam bis Redaktionsschluss nicht vor.
Lisa Kreitmeier (FGL & Grüne) verwies auf eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik, die nahelegt, dass Verkehrsberuhigung nicht automatisch zu Umsatzverlusten führt – im Gegenteil: In vielen Fällen profitiere der Einzelhandel sogar durch mehr Laufkundschaft, Aufenthaltsqualität und neue Zielgruppen.
Auch sie warb für ein umfassenderes Bild von Stadtentwicklung, das nicht allein auf die Zahl der Parkplätze schaut.

Eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIFU) zeigt: Verkehrsberuhigte Innenstädte gefährden den Einzelhandel nicht grundsätzlich – im Gegenteil. In vielen Fällen profitieren Geschäfte sogar durch mehr Laufkundschaft, längere Aufenthaltszeiten und neue Zielgruppen wie Fußgänger:innen und Radfahrende.
Analysiert wurden 22 deutsche Städte. Dabei stellte sich heraus: Negative Effekte entstehen meist nur dort, wo begleitende Maßnahmen fehlen – etwa die Aufwertung des öffentlichen Raums, gute ÖPNV-Anbindung oder eine klare Kommunikation. Entscheidend sei, wie die Verkehrsberuhigung umgesetzt wird – nicht ob. Die Studie widerspricht damit einem verbreiteten Argument in politischen Debatten, dass weniger Autoverkehr zwangsläufig zu Umsatzverlusten führe.
Wie es weitergeht
Mit der Ablehnung sowohl des Verwaltungsvorschlags als auch des gemeinsamen Antrags von SPD und FGL & Grüne bleibt die Frage offen, wie Konstanz in Zukunft mit Parkgebühren und Ticketpreisen im Nahverkehr umgehen will. Eine Entscheidung über mögliche Maßnahmen wurde vertagt. Ob und wann das Thema erneut auf die Tagesordnung kommt, ist derzeit nicht absehbar.
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