- Das Zebra Kino, gegründet 1984, entstand aus einer studentischen Bewegung, um in Konstanz einen Ort für anspruchsvolle, alternative Filme abseits des Mainstreams zu schaffen.
- Basisdemokratische Strukturen ermöglichen die Mitgestaltung des Programms durch Vereinsmitglieder und Ehrenamtliche.
- Highlights wie Open-Air-Kino und Themenreihen stärken die kulturelle Bedeutung und finanzielle Stabilität des Kinos.
- Kooperationen mit lokalen Gruppen und Universitäten fördern Partizipation und Vielfalt.
- Herausforderungen durch Streaming-Dienste werden mit einzigartigen Filmerlebnissen und Nischenangeboten begegnet.
- Nachwuchsförderung und ehrenamtliches Engagement sichern den Fortbestand des Kinos.
Die Idee, in Konstanz ein alternatives Kino zu gründen, entstand Anfang der 80er Jahre in einer Zeit des politischen und kulturellen Aufbruchs. Herbert Lippenberger ist Mitinitiator des Zebra Kinos und erinnert sich an die Anfänge: Gemeinsam mit Hans-Wolfgang Bayer und weiteren Mitstreiter:innen aus der AStA-Kino-Gruppe der Universität Konstanz wollte man einen Ort schaffen, der als Gegenöffentlichkeit funktioniert und nicht kommerziell kontrolliert wird.
„Es sollte ein Ort sein, der dem Medium Film den Respekt entgegenbringt, den es damals nicht gab“, erzählt der 66-Jährige rückblickend.
Konstanz sei für ihn damals geografisch abgelegen, provinziell, langweilig und konservativ gewesen. „Wir wollten eine Kultur schaffen, die unseren Bedürfnissen entspricht.“ Das bedeutete, dass die Filme bewusst auch nachts gezeigt wurden und urbanes Flair versprühten.
Die Filmvorführungen begannen teilweise erst um 23 Uhr und zogen Nachtschwärmende und Cineast:innen gleichermaßen an. Ziel war es, einen Raum für anspruchsvolle Filme abseits von Blockbustern und Mainstream-Produktionen zu schaffen. „Am Anfang hatten wir kein Geld, wir haben alles selbst gemacht“, so Lippenberger. Das sei im Nachhinein die größte Herausforderung gewesen, da man alles selbst erwirtschaften musste.

I Fotos: Pauline Tillmann
Ehemalige französische Garnison war erste Heimat
Mit Fördermitteln des Netzwerks Bodensee / Oberschwaben konnte später ein 16mm-Projektor angeschafft werden. Lippenberger und seine Freund:innen mietete einen Raum in der französischen Garnison, der seit fünf Jahren leer stand, und füllte ihn mit viel Eigeninitiative und Engagement.
„Am Anfang hatten wir nicht einmal eine Genehmigung der Feuerwehr. Wir haben einfach gehofft, dass nichts passiert. Was soll ich sagen – es waren die wilden 80er Jahre“, schmunzelt Herbert Lippenberger.
Kurz nach dem offiziellen Start wurde auch ein Verein gegründet, der heute rund 25 aktive Mitglieder zählt. Finanziert wurde das Kino in den ersten Jahren vor allem durch Eigenmittel und ehrenamtliche Arbeit. Erst mit der Zeit kamen Fördermittel von Stadt und Land hinzu, die heute etwa ein Drittel des Gesamtbudgets ausmachen. Den größten Teil der Einnahmen erzielt das Kino durch Eintrittsgelder.

Der Name Zebra Kino ist auf das damalige Kino „Zebre“ im 18. Arrondissement in Paris zurückzuführen. Der Namen des heute zum Varieté-Theater umgewandelten Kinos begeisterte die Gründer:innen. Andere Namen waren zwar im Gespräch, aber Zebra setzte sich mit großer Mehrheit durch. Der Name spielt darüber hinaus auf die Farben der leeren 35mm-Filmstreifen an, die in den ersten 30 Jahren (neben 16mm) das bestimmende Medium im Zebra Kino waren: schwarz und weiß. Sowohl das Zebra als auch das Kino zeichneten sich also durch bewegte Streifen aus.
Programmvielfalt und Partizipation
1996 zog das Zebra Kino in seine heutigen Räumlichkeiten in den Joseph-Belli-Weg 5 – eine ehemalige Kaserne – um. Der Umzug brachte Modernisierungen wie eine bessere Heizung, 2020 kam eine neue Belüftungsanlage hinzu. Heute zeigt das Kino jährlich rund 450 Filme und wird von einer Mischung aus festen Mitarbeitenden – zwei Geschäftsführer:innen zu 90 Prozent und einer Person für Pressearbeit – und zahlreichen Ehrenamtlichen getragen. Das heißt konkret: Die flachen Hierarchien und die offene Struktur tragen dazu bei, dass sich das Zebra Kino ständig weiterentwickelt und neue Impulse aufnimmt.
Das Programm ist vielfältig und lebt von der Mitgestaltung seiner Mitglieder. Besonders hervorzuheben ist die basisdemokratische Struktur: Vereinsmitglieder und Engagierte können bei der Filmauswahl mitbestimmen und eigene Vorschläge einbringen. Dadurch werden auch thematische Schwerpunkte gesetzt, wie zum Beispiel der letzte Fokus auf Schönheitsideale und die Kunst der Aufmerksamkeit im Kino. Regelmäßige Kooperationen mit Menschenrechtsorganisationen, Frauengruppen, der VHS, dem Theater und der Universität Konstanz geben dem Programm weitere Impulse.

Filmgenuss unter freiem Himmel
Ein besonderes Highlight ist das Open-Air-Kino, das sich seit 1985 zu einem festen Bestandteil des Zebra-Kino-Programms entwickelt hat. Heute findet es im Innenhof des Neuwerks statt und lockt mit einer besonderen Atmosphäre viele Besucher:innen an. Die Einnahmen aus dem Open-Air-Kino sind eine wichtige finanzielle Stütze für das Jahresprogramm. Vor allem durch die größere Platzkapazität und die höheren Ticketpreise trägt das Open-Air-Programm entscheidend zur Finanzierung des Kinos bei.
Wie viele unabhängige Kinos steht auch das Zebra Kino vor Herausforderungen: Die Konkurrenz durch Streaming-Dienste, ein verändertes Freizeitverhalten und der demografische Wandel verlangen nach neuen Ideen. Doch das Zebra Kino erweist sich als widerstandsfähig. Die Kombination aus kultureller Relevanz, ehrenamtlichem Engagement und öffentlicher Förderung bildet eine solide Basis.
Besonderes Augenmerk wird auf die Nachwuchsförderung gelegt. Junge Menschen sollen nicht nur als Zuschauer:innen gewonnen werden, sondern das Programm aktiv mitgestalten. Dazu gehören Kooperationen mit Schulen und Hochschulen sowie der Fokus auf Kinder durch die Reihe „Zebrastreifen“ und zweiwöchentlichen Vorführungen am Sonntagnachmittag.
Auch Horrorfans kommen auf ihre Kosten durch die Filmreihe „Moonlight“ und das dazu gehörige Festival „SHIVERS“. Die „kurz.film.spiele“ finden an vier Tagen an vier verschiedenen Locations in Konstanz statt und standen 2024 unter dem Motto „Warum Dinge unnötig in die Länge ziehen?“.

So vielfältig wie das Programm, ist auch der Vorstand. So engagiert sich der 30-jährige Nikolas Ditz als Vorsitzender des Trägervereins. Er promoviert in Theoretischer Physik an der Universität Konstanz: „Ich wollte auf diese Weise mehr Einblick in die administrativen Dinge bekommen und mache das Ehrenamt vor allem, weil es mir Spaß macht.“ Für die Buchhaltung gibt es unterstützend einen externen Steuerberater. Pro Vorstellung sind mehrere ehrenamtliche Personen eingeteilt – für die Kasse, die Bar und die Filmvorführung.
Trotzdem gebe es immer wieder Engpässe, erzählt Ditz, vor allem im Sommer. Auch die 58-jährige Marija Gorse ist seit 2023 im Vorstand. „Ich finde es toll, dass unsere Filme mein Leben so bereichern!“ Sie seien wie ein Fenster zu verschiedenen Realitäten. Und: Sie könne das Programm aktiv mitgestalten. Auch wenn man beispielsweise nur an der Theke stehe, könne man mittwochs bei der Vereinssitzung mitbestimmen, welche Filme gezeigt werden würden.
Konkurrenz durch Streaming-Dienste
Zur Wahrheit gehört auch: Große Kinoketten wie das „CineStar“ im Einkaufszentrum LAGO bieten Mainstream-Filme an – und erreichen damit immer weniger Menschen. Trotz 3D-Brillen und modernster Technik gehen immer weniger Menschen ins Kino. Kein Wunder, denn Kinobesuche sind nicht billig. Wenn man als Familie neben der Eintrittskarte noch Getränke und Essen kauft, kommt man schnell auf 90 bis 100 Euro pro Kinobesuch. Das können sich immer weniger Menschen leisten.
Gerade während der Corona-Pandemie haben deshalb viele Menschen in Technik investiert und sich ein Heim-Dolby-Surround-Studio oder ein sogenanntes Heimkino mit großformatigem Fernseher und High-End-Soundanlage eingerichtet. Da die meisten Fernseher heute internetfähig sind, lassen sich die Angebote von „Netflix“, „Amazon Prime“ Video und anderen Streaming-Diensten bequem vom heimischen Sofa aus nutzen. Die Kosten: ab 4,99 Euro pro Monat und Anbieter.

Stärke liegt in der Nische
Das Zebra Kino bietet hingegen Filme an, die man sonst nicht in der Mediathek, bei Streaming-Anbietern oder im „CineStar“ sehen kann. So war das Kino mit seinen 106 Plätzen bei der „Election Night“ am 5. November 2024 bis auf den letzten Platz besetzt. Die Diskussion um Donald Trump als möglichen neuen Präsidenten in Kombination mit der erfolgreichen Verfilmung der Trump-Biografie „The Apprentice“ war ein Publikumsmagnet, der vor allem junge Leute von der Uni und der HTWG anzog.
Weitere Alternativkinos in der Region sind übrigens das Kino „Roxy“ in Romanshorn, das Kino „Luna“ in Frauenfeld, das „Kinok“ in St. Gallen und das „Weitwinkel“ in Singen. Früher gab es auch das „Scala Kino“ in Konstanz, das ein anspruchsvolles Filmprogramm zeigte, sich aber finanziell nicht halten konnte und 2016 der Drogeriekette dm weichen musste. Trotz heftiger Proteste aus der Bevölkerung und der Initiative „Rettet das Scala“ konnte die Schließung nicht verhindert werden.
Seitdem wird im Saal 9 des „CineStar“ unter dem Label „Scala im CineStar“ anspruchsvolle Filmkunst gezeigt. Auch wenn die Kulturszene in Konstanz hart umkämpft ist und es viele gute Angebote gibt – wenn das Zebra Kino weiterhin offen für Experimente und Kooperationen bleibt und die – Zitat Herbert Lippenberger – „Magie des alternativen Ortes“ erhalten bleibt, stehen die Chancen für weitere 40 Jahre gut.
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