Jetzt mitreden: Plattform für Bürger:innenrat in Konstanz ist online

Ein Bürger:innenrat bringt zufällig ausgeloste Menschen zusammen, um über wichtige Themen zu beraten. Wie das funktioniert und wie Konstanzer:innen jetzt eigene Themen einreichen können, zeigte der Verein „Konstanzer Bürger:innenkonzil“ mit der neuen Online-Plattform.
Das Team hinter dem Konstanzer Bürger:innenkonzil (v.l.n.r.): Nathalie Popovic, Wolfgang Läuger, Uwe Eberhardt, Verena Hoer und Maike Krannich vereint der Wunsch nach mehr Bürger:innenbeteiligung und einer am Gemeinwohl orientierten Politik. | Foto: z.V.g.

Vor fünf Jahren machten engagierte Konstanzer:innen einen Plan, der zwar einfach klingt, aber viel verspricht: mehr Mitsprache für alle. Bürger:innen sollten in Räten direkt an Entscheidungen teilhaben. Die Kernaufgaben der Bürger:innen spiegeln sich bereits im Namen wider: Bürger:innen beraten Politiker:innen.

Doch wie genau läuft das ab? Die Stadt lost 12 bis 30 Menschen per Zufall aus dem Einwohnermeldeverzeichnis: Sie sind der Bürger:innenrat. Danach engagiert die Stadt ein:e Moderator:in und legt damit einen Rahmen fest. Die Ratsmitglieder tauschen sich aus und erarbeiten gemeinsam Empfehlungen für Politik und Verwaltung.

Ein Bürger:innenrat bringt Menschen zusammen, die sich sonst selten begegnen – von Jung bis Alt, aus allen Stadtteilen, mit den unterschiedlichsten Perspektiven. Das wirke laut einer OECD-Studie besonders, wenn es um komplexe oder kontroverse Themen gehe. Denn dort, wo viele Meinungen aufeinandertreffen, helfe ein Bürger:innenrat, Brücken zu bauen und neue Lösungen zu finden.

Was 2020 als kleine Initiative begann, ist inzwischen ein Pionierprojekt für gelebte Demokratie: Konstanz ist die erste Stadt in Deutschland, in der Bürger:innen selbst einen Bürger:innenrat beantragen können, wenn sie dafür 800 Unterschriften sammeln.

Bei dieser Infoveranstlatung im Treffpunkt Petershausen klärt der Verein darüber auf,, was genau der Bürger:innenrat ist. | Foto: z.V.g.

Was sagen Kritiker:innen?

Nicht überall erntet das Konzept Zustimmung. Manche fürchten, dass Bürger:innenräte politische Prozesse verlangsamen oder dass zufällig geloste Gruppen zu wenig repräsentativ seien. Auch in Konstanz herrschte zu Beginn des Projekts Skepsis – etwa von jenen, die befürchteten, dass Bürger:innenräte den Einfluss des Gemeinderats schwächen könnten.

In Gesprächen mit der Stadtgesellschaft und Politiker:innen wollte die Initiative deutlich machen, dass Bürger:innenräte keine gewählten Gremien ersetzen, sondern diese ergänzen. Die Räte bringen zusätzliche Perspektiven ein und können dabei helfen, politische Entscheidungen auf eine breitere Basis zu stellen. Repräsentativ müssen Bürger:innenräte gar nicht sein. Vielmehr geht es darum, eine Vielfalt an Stimmen in die Diskussion einzubringen, um gerechtere Entscheidungen zu treffen.

Mit vielen Menschen Entscheidungen zu treffen, klingt mühsam. Aber genau darin liegt die Stärke des Bürger:innenrates. Wenn verschiedene Stimmen Gehör finden, nimmt Politik laut dem Bürger:innenratsforscher John S. Dryzek eine Form an, die mehr Menschen anspricht und zugleich verschiedene Perspektiven widerspiegelt. Das stärke auch das demokratische Miteinander.

Wann sich ein Thema für einen Bürger:innenrat eignet

Kira Hoffmann erzählt bei einer Infoveranstaltung am Kulturkiosk Schranke, welche Themen sich für einen Bürger:innenrat eignen. | Foto: z.V.g.

Der Fachverband „Mehr Demokratie“ entwickelte 2024 gemeinsam mit dem Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung (IDPF) Wuppertal und dem Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) Potsdam den umfangreichen Leitfaden „Kommunale Bürgerräte organisieren“. Darin wird erklärt, wann sich ein Thema besonders für einen Bürger:innenrat eignet. Das Thema sollte im Zuständigkeitsbereich der Stadt liegen, unentschieden, relevant und ergebnisoffen sein. Kurz gesagt: Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können, eignen sich nicht. 

Mit Blick auf Konstanz würden sich Fragen wie diese eignen: Wie kann Konstanz bezahlbaren Wohnraum schaffen, ohne weiter in die Fläche zu wachsen? Oder: Wie gelingt ein nachhaltiger Tourismus, von dem Stadt und Bewohner:innen gleichermaßen profitieren? Bei solchen Themen zählt die Vielfalt an Erfahrungen, Ideen und Werten der Bevölkerung.

Online-Mitwirkungsmöglichkeit soll mehr Menschen erreichen

Die neue Online-Plattform ist das Ergebnis monatelanger ehrenamtlicher Arbeit des Vereins „Konstanzer Bürger:innenkonzil“. Ziel war es, einen Ort zu schaffen, der Beteiligung vereinfacht und komplizierte Hürden sowie formale Abläufe verringert. Dafür musste der Verein vieles von Grund auf neu denken. Entsprechend zehrte der Ideenprozess an Zeit und Energie: Die technische Umsetzung der Plattform, die rechtliche Abstimmung sowie die Klärung von Datenschutzfragen forderten das Team heraus.

Screenshot der Seite zur Themensammlung für Bürger:innenräte.

Doch das Ziel blieb klar: einen niedrigschwelligen digitalen Zugang zur lokalen Demokratie zu schaffen. Seit Juli 2025 können Bürger:innen nun auf der Plattform Themenvorschläge einreichen und mit anderen diskutieren. Sie soll eine Art digitaler Treffpunkt für alle Konstanzer:innen werden, die ihre Stadt gestalten wollen. Zudem liefert sie Tipps und Tricks, wie man Unterschriften sammelt.

Demokratie lebt vom Mitmachen

Zur Veröffentlichung der Online-Plattform lud der Verein „Konstanzer Bürger:innenkonzil“ zu einer Infoveranstaltung am Kulturkiosk Schranke in Petershausen ein. Dort gab es neben inhaltlichem Input viel Raum für Austausch zwischen den Interessierten. Dabei zeigte sich: Bürger:innen haben Interesse und Lust, an der Stadtpolitik teilzuhaben, mitanzupacken und Verantwortung zu übernehmen.

„Ich wollte wissen, wie ich mich ganz konkret einbringen kann und jetzt habe ich das Gefühl, dass das wirklich möglich ist“, sagte eine Teilnehmerin. Ein anderer Besucher meinte: „Mich beeindruckt, dass hier nicht nur geredet wird, sondern auch echte Werkzeuge geschaffen werden, um Politik gemeinsam zu gestalten.“


Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde von Kira Hoffmann verfasst. Sie ist Gründungsmitglied des Vereins Konstanzer Bürger:innenkonzil und berichtet über den Bürger:innenrat im Rahmen von „karla im Quartier“.