Das Foto zeigt eine Klima-Demo und ist ein Symbolbild für den Artikel.

Community-Beitrag: Analyse des 7. Klima­schutz­berichts der Stadt Konstanz 

Die Stadt Konstanz will bis 2035 klimaneutral werden. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Das zeigt die Analyse des aktuellen Klimaschutzberichts vom Bündnis Klimapositiv. Ihre Erkenntnisse haben die Mitglieder für karla in einem Community-Beitrag festgehalten.

von Dr. Markus Tittelbach, Peter Magulski, Fabian Geml, Prof. Dr. Frank Best für das Team von Konstanz Klimapositiv

Klimabündnis Konstanz Klimapositiv

Die Stadt Konstanz soll bis 2030 klimapositiv werden, also der Umwelt mehr Treibhausgase entziehen, als wir verursachen. Auf dem Weg dahin wollen die Mitglieder des Klimabündnisses Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft mit Druck, Knowhow und Ideen begleiten. Mehr Infos zum Bündnis gibt es auf der Website.

Am 27. Januar veröffentlichte die Stadt Konstanz den siebten Klimaschutzbericht, der in der Gemeinderatssitzung am 30. März von den Gemeinderät:innen näher erörtert werden soll. Konstanz Klimapositiv hat das zum Anlass genommen, den Bericht genauer zu analysieren. Um es vorwegzunehmen: Das Ergebnis ist erschreckend. Die Stadt weicht nicht nur ein wenig vom Zielpfad der Klimaneutralität bis 2035 ab, die Richtung der Kurve des CO2-Ausstoßes weist inzwischen sogar wieder nach oben.

Grundlage der Analyse ist die vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) entwickelte Klimaschutzstrategie. Nach dem Beschluss der Klimaschutzstrategie am 25. November 2021 im Gemeinderat wurden die Kosten für die bereits 2022 prioritär anzugehenden Maßnahmen dem Haupt- und Finanzausschuss am 2. Dezember 2021 vorgelegt. Im Januar 2022 wurden sie im Rahmen der Verabschiedung des Haushaltsplans 2022 beschlossen.

Bei unserer Analyse beschränken wir uns hier auf die wichtigsten Handlungsfelder Energieversorgung, Gebäude und Mobilität sowie auf die Gesamtemissionen. 


Handlungsfeld Energieversorgung

Photovoltaik deutlich hinter Plan

Laut Klimaschutzstrategie muss das gesamte Energiesystem in Konstanz bis 2035 auf eine nahezu fossilfreie Versorgung umgestellt werden, d. h. im Gebäudewärmebereich durch Wärmepumpen oder Wärmenetze, die überwiegend mit Strom betrieben werden müssen. Zur Unterstützung wurde der massive Ausbau von Photovoltaik in der Stadt und Windkraft im Landkreis vom ifeu als entscheidend bezeichnet. Insgesamt muss bis 2035 eine Photovoltaik-Leistung von 150 MWp (Megawattpeak (MWp) beziehungsweise Kilowattpeak (kWp) bezeichnen die maximale Leistung von Photovoltaikmodulen unter Standardbedingungen) erreicht werden. Ende 2022 wurden laut Marktstammdatenregister, der zentralen Erfassungsstelle für Photovoltaik-Anlagen, gerade einmal 20 MWp erreicht. Eigentlich müssten aber jedes Jahr 10 MWp zugebaut werden. Auch die Trendkurve zeigt, dass der Plan derzeit bei Weitem nicht aufgeht. Im Jahr 2022 wurden gerade einmal 17 Prozent der benötigten Planleistung zugebaut. 

Die Grafik zeigt den Stand des PV-Ausbaus.
Quellen: Marktstammdatenregister, Wattbewerb

Der Maßnahmenkatalog des ifeu schreibt für die Zielverfehlung nun vor, dass „weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen“. Der Klimaschutzbericht schweigt sich allerdings zu diesem Thema aus. Es werden keine zusätzlichen Maßnahmen erwähnt, es wird in erster Linie auf die bestehende Solarinitiative Bezug genommen und beklagt, dass das Potenzial für Solarberatungen ausgeschöpft sei. Hier macht es sich die Stadt allerdings zu einfach, ein „Weiter so“ kann kaum die Antwort sein.

Konkrete Planungen zu Leuchtturmprojekten in den Bereichen Agri-PV (Photovoltaik über landwirtschaftlich genutzten Flächen), Parkplatz-PV oder Straßenüberdachungs-PV gibt es laut Auskunft der Stadtwerke Konstanz derzeit nicht. Es würden aber potenzielle Projekte angeschaut werden. Diese seien in der Realisierung aber meist recht teuer.

Wir haben exemplarisch auch einen Blick auf eines der unlängst fertiggestellten Projekte der WOBAK geworfen. Hier wurde zwar Photovoltaik berücksichtigt, allerdings nicht im tatsächlich optimalen Umfang. Weil keine Absturzsicherung eingeplant wurde und die Dachaufbauten für Photovoltaik äußerst ungünstig verteilt sind, sind nur Module mit 39 kWp realisiert worden. Nach den üblichen Solarplanungs-Tools wären 83 kWp möglich gewesen. Dies ist doppelt ärgerlich, da mehr Photovoltaik für die Mieter:innen auch zu mehr Kostenersparnis führen würde und somit die Mietnebenkosten geringer halten würde. Schade.

Das Foto zeigt ein Gebäude mit PV von oben.
Foto: Stadtwerke Konstanz

Konstanz benötigt Beteiligung an Windkraftanlagen

Zum Thema „Ausbau von Windkraft in der Region“ – wie vom ifeu in der Maßnahme NEV 11 mit Zeithorizont 2022 gefordert – schweigt der Klimaschutzbericht komplett. Der Stadt wurde in der Klimaschutzstrategie empfohlen, Beteiligungsmodelle für Windparks in der Region zu entwickeln. Die Stadtwerke Konstanz haben sich in der Vergangenheit von Windkraftprojekten verabschiedet, weil man „vermehrt auf Solarenergie und Blockheizkraftwerke setze“. Wie wir inzwischen wissen, ist diese Fokussierung auf Solarenergie nicht ausreichend für die Stromversorgung der Zukunft. Außerdem ist der Ausbau längst nicht so weit fortgeschritten wie die Nutzung von fossilem Erdgas in Blockheizkraftwerken bzw. Gasleitungen und -heizungen. Windkraft muss und kann nun, wie bei anderen Stadtwerken und in der Klimaschutzstrategie empfohlen, zu einem Standbein für die Dekarbonisierung werden.

Des Weiteren fasst der Bericht die Ergebnisse zum Sanierungsgebiet Stadelhofen, zum Neubaugebiet Hafner und zur nachhaltigen Energieversorgung der Eigenbetriebe, also im Wesentlichen der Stadtwerke Konstanz, zusammen. Der Bericht beschreibt praktisch nur den Ist-Zustand. Die genannten Maßnahmen und Vorgehensweisen scheinen an sich schlüssig, bewegen sich aber auf sehr allgemeinem Niveau. Da kaum Zahlen zu Verbräuchen, Zielen oder den erreichten Reduzierungen genannt werden, ist der Grad der Zielerreichung nicht erkennbar. Bei den Baugebieten ist das in gewissem Maße nachvollziehbar, da sich viele der Angaben auf die Zukunft beziehen. Bei den Eigenbetrieben fehlt eine zahlenbasierte Analyse ebenso wie eine Beschreibung der projektierten geplanten Reduzierungsmaßnahmen. 

Wärme

Einer der wichtigsten Bereiche für den Klimaschutz ist der Wärmesektor. Mit dem Energienutzungsplan hat Konstanz bereits 2018 ein Konzept für eine nachhaltige Wärmeversorgung entwickelt. In den letzten fünf Jahren ist seitdem kein erkennbarer Fortschritt oder gar eine konkrete Umsetzung erreicht worden. Auch die „frühzeitige Aussage“ zu den Wärmeversorgungs-Möglichkeiten in den jeweiligen Gebieten, die in der Maßnahme NEV 1 der Klimaschutzstrategie beschrieben wird, ist bisher nicht erfolgt. Aus dem Klimaschutzbericht geht hingegen hervor, dass die Stadt hier sogar als Bremse und nicht als Beschleuniger dient: „Eine bedeutende Anzahl an EigentümerInnen hat bereits Interesse an Maßnahmen zur Gebäudesanierung gezeigt und viele würden gerne in den kommenden Jahren ihre Heizanlage gegen eine umweltfreundlichere austauschen. Da wir bisher hierzu noch keine gute Antwort geben können, sind alle gefordert: Forschung, Industrie, Heizungsfirmen, Energieversorger, EigentümerInnen usw.“ Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind bereits zahlreiche Gebiete ausgemacht, die in den nächsten Jahren wohl noch keinen Anschluss an ein klimafreundliches Wärmenetz erhalten können – ohne transparente Kommunikation werden Eigentümer:innen weiter hingehalten, anstatt sofort auf eine klimafreundliche Wärmepumpe zu wechseln. Hier sollten zumindest Zwischenergebnisse veröffentlicht werden. Statt an erneuerbaren Wärmenetzen mit Hochdruck zu arbeiten, haben die Stadtwerke Konstanz vor einem Jahr sogar noch wertvolle Ressourcen in die Planung einer zweiten Gas-Pipeline gesteckt und – fälschlicherweise – Gas als nachhaltige Brückentechnologie angesehen.


Handlungsfeld Gebäude

Erneuerbare Energien

Die Anforderungen, die die Klimaschutzstrategie im Bereich Gebäude stellt, sind hoch, so heißt es dort: „Um die Klimaschutzziele der Stadt zu erreichen, muss der Energiebedarf und der CO2-Ausstoß der Konstanzer Gebäude drastisch gesenkt werden. Hohe Sanierungsraten im Gebäudebestand, beispielsweise durch Fassadendämmungen, leisten einen entscheidenden Beitrag zur Realisierung der Minderungspotenziale. Um die Klima-Plus-Ziele zu erreichen, müssen zudem bis 2035 sämtliche Heizungsanlagen auf erneuerbare Energien umgestellt werden und das Photovoltaik-Ausbaupotenzial auf den Gebäuden vollständig erschlossen sein.“

Die hohen Anforderungen werden jedoch derzeit nicht einmal ansatzweise erfüllt, auch dieser Bereich liegt weit hinter dem Plan zurück. Im Klimaschutzbericht sind die folgenden Passagen zu finden: 

  • „Im Zuge der laufenden Heizungssanierungen hat das HBA zwei weitere Ölheizungen durch moderne klimafreundliche Pelletheizungen ersetzt.“
  • „[…] liegt der Anteil erneuerbarer Wärme bei den eigenen Gebäuden bei 0,5 % (fast ausschließlich pelletbasiert).“
  • „In Planung steht ein städtischer Wärmeverbund in Dingelsdorf, dabei geht es um die Wärmeversorgung von drei Gebäudeteilen (Ortsverwaltung/Schule/Feuerwehr). Die Grundlage basiert auf erneuerbarer Wärmeenergie (Pellets) unter Einbezug von Photovoltaik und mit der Option eines späteren Anschlusses an ein lokales Wärmenetz.“

Kurz, viel zu wenig und das auch noch mit den falschen Mitteln: Pelletheizungen gelten nicht mehr als klimafreundlich. Das Umweltbundesamt schreibt dazu: „Von der energetischen Holznutzung ist deshalb aus Klimaschutzgründen abzuraten, insbesondere dann, wenn brennstofffreie erneuerbare Alternativen zur Raumwärmebereitstellung zur Verfügung stehen, wie z. B. Wärmepumpen oder Solarthermie.“ Anstatt mit Photovoltaik und Wärmepumpe einen möglichst hohen Autarkiegrad zu erreichen, wird auch hier wieder eine Abhängigkeit von Verbrennungsmaterialien in Kauf genommen und ganz nebenbei werden auch unnötigerweise noch Schadstoffe erzeugt. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Klimaschutzstrategie unverständlich, die in der Maßnahme NEV 7 klar den „Ausschluss von Biomasse (Holz/Pellets/…) für Einzelgebäudeversorgung“ vorgibt.

Auch bei den eigenen Liegenschaften liegt die Stadt mit einem Anteil von nur 0,5 Prozent an erneuerbaren Energien weit zurück. Sehr weit. Zum Vergleich: Der Durchschnitt des Anteils erneuerbarer Energien in Deutschland für Wärme und Kälte lag 2021 bei 16,2 Prozent. In den letzten Jahren hat sich hier nichts erkennbar verändert, es wird derzeit kein plausibler Pfad aufgezeigt, wie die Stadt ihr Klimaziel bei den eigenen Liegenschaften erreichen kann.

Die Grafik zeigt den Anteil erneuerbare Energien der eigenen Liegenschaften
Quellen: Audits European Energy Award, 2022, 2021, 2019

Eigene Klimaschutz­strategie der WOBAK?

Überrascht hat uns die Information im Klimaschutzbericht, dass die WOBAK zusammen mit einem externen Partner derzeit „zur Bündelung und Priorisierung“ eine „eigene Klimaschutzstrategie“ erarbeite. Hier stellt sich die Frage, warum die bereits vom ifeu – auch für die WOBAK – ausgearbeitete Klimaschutzstrategie nicht einfach umgesetzt wird? Und wenn diese nicht genehm sein sollte, warum erst jetzt mit der Ausarbeitung begonnen wird? Wir sind längst in einer Phase angelangt, in der vor allem die Umsetzung zählt. Seit Ausrufung des Klimanotstandes – und eigentlich schon deutlich zuvor -– ist viel Zeit für Planungen verstrichen. Im Jahr 2023 erst noch eine neue Strategie erarbeiten zu wollen, erscheint vor diesem Hintergrund absurd und erweckt den Eindruck, dass nur verzögert werden soll, um die immer größer werdenden Probleme einfach weiter in die Zukunft zu verlagern. Die nötige Strategie liegt zudem auf der Hand: Auf allen Dächern, bei denen dies technisch möglich ist, müssen Photovoltaik-Anlagen installiert werden, sämtliche fossile Heizungen müssen durch Wärmepumpen oder den Anschluss an Wärmenetze ersetzt werden, schlecht gedämmte Gebäude müssen gedämmt werden. Da sowieso alle Maßnahmen in kurzer Zeit teilweise auch parallel umgesetzt werden müssen, könnte die Priorisierung hier auch in Grobkategorien erfolgen. Es wäre immer noch deutlich besser, bei der Reihenfolge nicht das absolute Optimum zu wählen, anstatt erst Jahre verzögert mit der perfekten Reihenfolge zu beginnen.

Hierzu passend die Passage im Klimaschutzbericht: „Ein wichtiger mittelfristiger Baustein dazu ist der Photovoltaik-Ausbau“. Wieso „mittelfristig“, fragen wir uns? Photovoltaik ist eine Klimaschutzmaßnahme, die sich nahezu immer finanziell positiv auswirkt, selbst wenn man die hohen Klimafolgekosten unberücksichtigt lässt. Umso wichtiger ist deshalb die kurzfristige Umsetzung. Die Finanzierung einer Photovoltaik-Anlage sollte für die WOBAK kein Problem darstellen.

Auch mit der Bemerkung „Letztlich hängt der Energieverbrauch eines Gebäudes aber maßgeblich vom Verhalten seiner NutzerInnen ab“ scheint die Verantwortung abgeschoben zu werden. Natürlich hängt der Energieverbrauch auch von der Nutzung ab, aber die Nutzer:innen haben keine Möglichkeit, beispielsweise Heizungen auszutauschen oder Photovoltaik zu installieren. Die WOBAK sitzt am entscheidenden Hebel für die Energiewende. Ihre Aufgabe ist es, die Energiewende so zu steuern, dass es nicht mehr entscheidend sein sollte, ob die Nutzer:innen ein Fenster kippen oder nicht. Energiesparen ist sinnvoll, aber nicht der Schlüssel zum Erfolg. Die Verlagerung der Verantwortung auf die Endverbraucher:innen ist zudem eine Strategie der Fossil-Lobby, die die WOBAK nicht befeuern sollte.

Sanierung und Wärmedämmung

Im Klimaschutzbericht finden sich zahlreiche Stellen, an denen verschiedene Planungen zum Thema Sanierung beschrieben werden. Konkrete Projekte hingegen scheinen bisher nicht in relevanter Form umgesetzt worden zu sein. Nach drei Jahren Klimanotstand kann man jedoch tatsächliche Umsetzungen erwarten. Ähnlich wie bei anderen Maßnahmen wie beispielsweise dem Photovoltaikausbau lässt sich mit energetischen Sanierungen Geld sowohl auf Vermieter- als auch auf Mieterseite einsparen. Die Kosten machen sich oft durch Wertsteigerungen und Heizkostenersparnisse bezahlt.


Handlungsfeld Mobilität

Auch für den Mobilitätssektor hat uns die Klimaschutzstrategie detaillierte Maßnahmen und Konzepte bereitgestellt, mit denen der CO2-Absenkpfad direkt einhergeht. 

E-Mobilität kommt voran, die Infrastruktur läuft noch hinterher

Dabei spricht das ifeu dort von einer „fortgeführten Verlagerung von Kfz-Fahrten auf klimafreundlichere Verkehrsmittel“ wie auch von einer „insgesamt reduzierten Verkehrsleistung“ durch „fortgesetzten Kulturwandel im Mobilitätsverhalten und eine weitere Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe“,  u. a. mit „deutlich verkürzten Wegen“. Zum Erreichen der Ziele müssen dabei die Maßnahmen so ausgestaltet sein, dass sowohl die Konstanzer Bevölkerung als auch die Besucher:innen der Stadt einbezogen werden.

Als parallele, gleichzeitige Teilziele für einen „nahezu klimaneutralen Verkehr in 2035“ wurden dabei die „Halbierung des Pkw-Verkehrs im Stadtgebiet Konstanz sowie etwa eine Verdoppelung der Verkehrsleistung im öffentlichen Personennahverkehr (Schienenpersonenverkehr und Linienbus)“ genannt. „Die verbleibenden Pkw-Verkehre sind dann zu 67 % elektrisch angetrieben, was in etwa einem Hochlauf des Anteils an Elektrofahrzeugen an den Neuzulassungen von 17 % im Jahr 2020 auf 100 % in 2030 entspricht. Die angestrebte rasche THG-Minderung im Klimaschutz-Plus-Szenario lässt sich aufgrund der Neuerungsrate (Anzahl jährlicher Neuzulassungen gegenüber dem Bestand) der Pkw von 6 % nur über die parallele Realisierung von Verkehrswende und Elektrifizierung realisieren“. Neben Förderungen von Bund und Land hat das ifeu auf kommunaler Ebene eine „ausreichend vorhandene Ladeinfrastruktur“ als „zentralen Hebel“ ausgemacht. Im Jahr 2022 wurden laut Klimaschutzbericht jedoch gerade einmal sechs (auf nunmehr 45) öffentlich zugängliche Ladepunkte neu erstellt. Dabei waren laut dem sechsten Klimaschutzbericht für 2022 noch „mindestens 20 Ladepunkte“ geplant. Die Bestandszahlen an elektrisch ladbaren Fahrzeugen (BEV und Plugin-Hybride) in Konstanz weisen zwischen 2018 und 2021 einen starken Zuwachs von ca. 50 bis 70 % auf. Es ist davon auszugehen, dass auch im bisherigen „Rekordjahr“ 2022 mindestens vergleichbare Anstiege zu verzeichnen waren. Diesem Wachstum läuft der Ausbau der Ladeinfrastruktur deutlich hinterher, die Abdeckung von Ladepunkten sinkt also relativ zur Anzahl der Fahrzeuge. Die Klimaschutzstrategie macht hier einen stark beschleunigten Ausbau erforderlich. Dies wird auch im Vergleich mit den dortigen Planzahlen offensichtlich: In Summe sieht das ifeu bis 2025 eine Notwendigkeit von „210 Ladepunkten an öffentlichen Stellplätzen […] und bis zu 680 weiteren an Mietstellplätzen in Stellplatzanlagen“. Die Stadtwerke haben 110 weitere Ladepunkte avisiert, knapp 30 jährlich. Dabei ist in der Maßnahme M9 definiert, dass die Stadt sicherstellt, dass sowohl diese geplanten als auch die für den Ausbaupfad fehlenden weiteren 50 Landepunkte entstehen, in Summe also ein städtischer Zubau von ca. 40 Ladepunkten jährlich.

Weitere Anreize für Elektroautofahrer wie spezielle Parkplätze, Busspurnutzung oder weitere Vergünstigungen, wie sie andere Städte eingeführt haben, könnten darüber hinaus den erforderlichen Umstieg auf die Elektromobilität beschleunigen.

Stadtwerke und Entsorgungs­betriebe steigen in die Elektrifizierung ein, der Weg ist noch weit

Dass der Stadtbus im vergangenen Jahr durch die Stadtwerke auf den Elektrifizierungspfad gebracht wurde, ist in diesem Zusammenhang positiv zu bewerten. Mit 6 Bussen darf die Elektrifizierungsrate mit ca. 10 % allerdings noch als „überschaubar“ bewertet werden. Bis 2025 sollen 23 weitere E-Busse hinzukommen. Da das Klimaziel der Stadt Konstanz einen Anteil von 100 % Elektrifizierung bereits 2030 vorgibt, sollten weitergehende Beschlüsse und die Planung der Beschaffung (inkl. eventueller Förderanträge) im Sinne der zu erwartenden Laufzeiten zeitnah – Zielhorizont bis Ende 2024 – konkret angegangen werden.

Nicht bewertet werden kann dagegen die geplante Umstellung der Bodenseeschiffsbetriebe auf „umweltfreundlichere Antriebe“, da jenseits der akustisch, ökologisch und umweltseitig erfreulichen Elektrofähre zur Insel Mainau keine konkreten Ausbau- oder Umstellungspläne bekannt sind, die eine Einschätzung des CO2-Absenkpfads erlauben. Hier sind die Stadtwerke als Mutter der BSB in der Pflicht, den Beitrag zum Konstanzer Klimaneutralitätspfad auszudefinieren, um die Umsetzungsschritte schnellstmöglich angehen zu können. Der laut Klimaschutzbericht „nächste Schritt hinsichtlich einer klimafreundlicheren Schifffahrt“, der mit der neuen LNG-Fähre erreicht werden soll, stellt unserer Auffassung nach hingegen eher eine Mogelpackung dar. Die Tatsache, dass die Fähre theoretisch mit Bio-LNG angeblich „weitgehend klimaneutral“ betrieben werden könnte, sollte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass sie aus Kostengründen in Zukunft wohl gar nicht mit Bio-LNG betrieben werden wird, da es auf absehbare Zeit viel zu wenig Bio-LNG geben wird. Nach Studienlage ist zudem fraglich, ob LNG nicht tatsächlich sogar schädlicher für das Klima ist als Diesel.

Ähnliches gilt für den angekündigten klimaneutralen Fuhrpark der Konstanzer Entsorgungsbetriebe bis 2035. Bisher fokussiert sich die Umstellung auf Pkws und kleine Transporter bis 3,5 t. Im Bereich jenseits von 3,5 t, die die größten Einspareffekte versprechen, sind bisher keine Pläne bekannt. Deren Umstellung sollte schnellstmöglich geplant werden, um entsprechende Förderungen nutzen zu können. Für diese Fahrzeugklassen ist der Weg zum batterieelektrischen Antrieb als effizienteste wie auch kostengünstigste Variante klar vorgezeichnet. Schwieriger gestaltet sich verständlicherweise die Umstellung der Spezialfahrzeuge der Müllabfuhr. Hier sollten allerdings „Lock-in-Effekte“ durch Kauf und langjährigen Einsatz auch nur eines weiteren Dieselfahrzeugs vermieden werden. Es sollte unbedingt ein Weiterbetrieb des vorhandenen Fahrzeugs bis zur Verfügbarkeit eines elektrischen Neufahrzeugs bzw. der entsprechenden Förderung sichergestellt werden. Auch wenn der Energiebedarf nicht zu vernachlässigen ist, ist die direkte Nutzung des Batteriestroms für die vielen elektrischen und elektro-hydraulischen Komponenten als effizient – und voraussichtlich langlebig – zu bewerten. Die Stromerzeugung über einen Dieselmotor erzeugt im Gegensatz dazu vermeidbare Emissionen und zusätzlichen Lärm.

Klimawandel­anpassung und Gerechtigkeit durch Gewohnheits­änderungen im Verkehr

Für die Veränderung von persönlichen Gewohnheiten bzw. des Verhaltens der Stadtbevölkerung bei der Nutzung von Verkehrsmitteln („Verkehrswende“) hat die Verwaltung breite Informations- und Werbemaßnahmen für „positive Erlebnisse“ als erforderlich angenommen. Auch gilt es, „die ordnungspolitischen und verkehrstechnischen Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Nutzung des Umweltverbundes für einen Großteil der Alltagserledigungen und Reisen einfacher und günstiger als die Autonutzung ist“. Hierbei hat im letzten Jahr das 9-Euro-Ticket auf Bundesebene eine spürbare Wirkung erzielt; dem in Kürze startenden Deutschlandticket wird als Nachfolger ähnliches Potential eingeräumt.

Auf kommunaler Ebene sind laut ifeu sowohl Pull- (Verbesserung des Umweltverbunds) als auch Push-Maßnahmen zur „Verringerung der Attraktivität der Autonutzung“ unumgänglich. Nur mit der Kombination ist die notwendige effektive Verlagerung auf den Umweltverbund möglich. Kosten und Flächen spielen dabei eine zentrale Rolle: Für Konstanz wie für andere Städte ist dabei wichtig, die Kosten des Autoverkehrs verursachergerecht weiterzugeben, um damit gleichzeitig den Ausbau des Umweltverbunds sozial gerecht zu unterstützen. Außerdem gilt es, die Umgestaltung von Flächen für den „gewünschten Ausbau der Infrastruktur des Umweltverbunds, aber auch zu weiteren Zielen der Stadtentwicklung (lebenswerte und klimawandelangepasste Stadt, Stadt der kurzen Wege)“ als Chance zu nutzen.

Konkret wurden hierzu mit der „Schaffung von Vorrangnetzen für aktive Mobilität und Erstellung des Klimamobilitätsplans (M8 und 10)“ zwei Maßnahmen als Schwerpunkte für 2022 benannt. Mit dem gestarteten Klimamobilitätsplan müssen dabei aus unserer Sicht unbedingt die Leitziele, wie angedacht, „vorrangig an die Ziele des Klimaschutzes angepasst werden“. Im Bereich Push-Maßnahmen ist Maßnahme M1 „Parken teurer als ÖPNV“ als Leitmotiv relevant, in deren Zuge die Anwohner-Parkgebühren „stufenweise bis 2025 auf 50 Euro pro Monat zu erhöhen“ sind, „mittelfristig […] darüberhinausgehend“. Vor allem aber müssen auch die Gebühren fürs Kurzzeitparken deutlich erhöht werden, um Nutzer:innen der Busse nicht weiter zu benachteiligen. Außerdem ist im Sinne der Planbarkeit und Transparenz für die Bürgerschaft noch in diesem Jahr ein Stufenplan erforderlich, wie das Ziel der Halbierung der Straßenparkplätze bis 2035 erreicht werden soll – was unter Einhaltung des THG-Absenkpfads keine Verschiebung auf später zulässt. Hierzu sollte klargestellt werden, dass der Gemeinderatsbeschluss vom 22. Juli 2021 zur Beibehaltung der Anzahl der linksrheinischen Parkplätze bis zum Bau von Quartiersgaragen o. ä. durch den Beschluss der Klimaschutzstrategie abgelöst wurde. Außerdem sollte endlich die „Ausweitung des Parkraummanagements auf benachbarte, bisher nicht bewirtschaftete Stadtteile, um eine Verlagerung des Besucher:innenparkverkehrs in Wohngebiete zu vermeiden“, eingeführt werden. Der Parkdruck in Petershausen-West ist inzwischen als eklatant zu betrachten.

CO2-Bilanz

Die CO2-Bilanz hinkt immer etwas hinterher, da hier Daten aus unterschiedlichen Quellen, unter anderem vom Land Baden-Württemberg, verarbeitet werden müssen. So enthält der Klimaschutzbericht für die Jahre 2020 und 2021 nur vorläufige Daten, für 2022 sind noch gar keine abschließenden Daten verfügbar. Aber auch anhand der vorläufigen Daten kann leicht erkannt werden, dass wir nicht im Plan sind, sondern uns sogar in die falsche Richtung bewegen.

Im Klimaschutzbericht wird dies so kommentiert: „Große Abweichungen zur Zielsetzung sind ohne starkes gesamtgesellschaftliches Gegensteuern auch für die Folgejahre zu erwarten, da inzwischen die vom ifeu eingeräumte ‚Hochlaufzeit‘ für eine Vervielfachung der Klimaschutzanstrengungen abgelaufen ist und der Absenkpfad entsprechend steiler verläuft.“

Was uns hier missfällt, ist die Abschiebung der Verantwortung auf die „Gesamtgesellschaft“. Es ist zwar richtig, dass die Stadt nicht für alles verantwortlich ist, aber die eigenen Einflussmöglichkeiten sind doch groß und werden derzeit nur unvollständig ausgenutzt, sodass der Fokus der Stadt auch auf diesem Bereich liegen sollte.

Es ist bei Weitem nicht genug!

Das Fazit des Klimaschutzberichts können wir wiederum teilen: „Die Übersicht der CO2-Bilanzen macht jedoch auch deutlich: Es [die Bewegung beim Klimaschutz] ist bei Weitem nicht genug!“

Neben der derzeitigen mangelhaften Umsetzung der beschlossenen Klimaschutzstrategie sollte auch die Darstellung des Klimaschutzberichts und des Klimaschutz-Monitorings der Stadt Konstanz verbessert werden. In viel Fließtext wird in erster Linie eine anekdotische Einzelfallbetrachtung vorgenommen. Der Blick für den Gesamterfolg und die Verteilung auf die einzelnen Sektoren wird nicht ausreichend erkennbar. Dabei liefert die Klimaschutzstrategie des ifeu durchaus sinnvolle Ansätze für eine einfache Umsetzung: Die einzelnen Maßnahmen sind bereits priorisiert, geben einen groben Überblick über das CO2-Minderungspotenzial und über den angestrebten Zeitraum. Sinnvoll wäre es, für jede Maßnahme aufzuführen, an welcher Stelle wir uns befinden und wie hoch der jeweilige Soll- und Ist-Wert der Umsetzung ist. Eine zusätzliche zeitliche Chart-Grafik könnte dies gut visualisieren. Wenn man davon ausgeht, dass jede Maßnahme bereits von der Verwaltung mit einem Projektmanagement-Tool umgesetzt wird, wäre der Aufwand vermutlich minimal. Solch ein einfaches Umsetzungs-Dashboard wäre sicher auch für die Gemeinderät:innen hilfreich und könnte ggf. auf sämtliche Projekte der Stadt ausgedehnt werden.

Fazit

Konstanz hat sich publikumswirksam als Vorreiterin in Sachen Klimaschutz positioniert, die Ausrufung des ersten Klimanotstands einer deutschen Stadt ging sogar um die Welt. Vier Jahre danach ist die Ernüchterung groß: Die Stadt Konstanz zeigt bisher vor allem in der Umsetzung Schwächen, sodass die Rolle als Vorreiterin hier sogar negativ sein kann. Andere Gemeinden könnten dies als Signal deuten, auch nicht zeitnah liefern zu müssen. Der aktuelle Klimaschutzbericht ist auf jeden Fall mehr als ein Warnsignal: Er macht deutlich, dass Planungen nicht mehr als Ausrede für mangelnde Umsetzung herhalten dürfen.

Beiträge die unter karla Partizipation erscheinen werden nicht redaktionell redigiert. Sie geben originäre Einblicke in die Perspektiven der bürgerlichen Autor:innen.

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