Camper am Lagerfeuer am Waldrand.

„Lagerfeuer im Wald werden zukünftig im Sommer ein No-Go sein“

Christine Eriksen ist Humangeographin an der Universität Bern; ihr Forschungsschwerpunkt ist der menschliche Umgang mit Naturgefahren. Wir haben mit ihr einen Blick in die Zukunft geworfen.
Florian Roth ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich beruflich…
Franziska Schramm ist Autorin und Spoken Word-Poetin. Seit eineinhalb…

Christine, du beschäftigst dich mit Risiken und wie wir sie wahrnehmen. Was kommt in den nächsten Jahren auf die Menschen in der Bodenseeregion zu?

Die wohl größte Gefahr, die auf uns hier in Europa zukommt, ist die Hitze. Das betrifft auch die Bodenseeregion. Hitze bringt ein enormes Gesundheitsrisiko mit sich, und das keineswegs nur für ältere Menschen. Darüber hinaus verursacht Hitze weitere Gefahren wie Waldbrände oder Dürren.

Der Bodensee gilt als sehr lebenswerte Region, manche finden es richtig paradiesisch hier. Dieses Paradies soll in Gefahr sein?

Ja, doch, die Gefahren kommen zwar schleichend, aber sie sind real. Und es ist ja nicht so, als wäre das eine völlig neue Sache. Risiken gibt es schon immer, nur haben die Menschen gelernt, mit ihnen umzugehen. Wenn ein Sturm in Anmarsch ist, geht man nicht Segeln oder zum Laufen in den Wald. Das ist normal. Genauso, wie man zum Beispiel bei viel Neuschnee in den Lawinenlagebericht schaut, bevor man eine Skitour macht. Der Klimawandel bringt eben neue Gefahren mit sich. Und mit denen müssen wir uns auseinandersetzen. Ich habe in den Vereinigten Staaten und Australien gelebt und gearbeitet. Die Menschen dort haben ein Grundverständnis für die Gefahren von Waldbränden. Hierzulande fehlt den meisten das Wissen über Brandprävention und richtiges Verhalten im Ernstfall. Außerdem sind sich die meisten kaum bewusst, dass die Gefahr nicht nur vom Feuer selbst ausgeht.

Christine Eriksen ist Humangeographin an der Universität Bern
Christine Eriksen, Humangeographin an der Universität Bern

„Je mehr man sich mit Risiken beschäftigt, desto weniger Angst hat man vor ihnen. Weil man weiß, was man tun kann.“

Christine Eriksen, Humangeographin

Was meinst du damit, was gibt es noch für Gefahren?

Viele Menschen unterschätzen die Rolle des Rauchs, der sich auf die Gesundheit auswirkt, oft über hunderte von Kilometern hinweg. Wenn so eine Rauchwolke auf dich zukommt, musst du schnell alle Fenster schließen. Vor allem für Menschen mit gesundheitlichen Problemen, zum Beispiel mit Asthma, kann der Rauch gefährlich werden.

Das heißt, auch hier in der Bodenseeregion müssen wir uns mit Waldbränden beschäftigen?

Wir brauchen ein Bewusstsein für die neuen Gefahren. Das Problem ist, dass das aktuell noch Teil unserer Kultur ist, Wandern gehen im Wald und dann Lagerfeuer machen. Jeder hat diese Kindheitserinnerungen, mit dem Würstchen am Stock über dem offenen Feuer. In Zukunft wird das in den Sommermonaten ein absolutes No-Go sein.

Wie sieht es in der Politik aus, gibt es ein Momentum für politische Veränderungen?

Die meisten Politiker:innen erkennen die verschiedenen Auswirkungen des Klimawandels an. Es gibt ja keine Möglichkeit mehr, sie noch irgendwie zu leugnen. Aber zwischen der Anerkennung des Problems und entschiedenem Handeln klafft eine Lücke. Es gibt immer etwas auf der Tagesordnung, das eine vermeintlich höhere Priorität hat. Ich denke aber, dass die aktuellen Ereignisse – Hitzewellen, Dürren, Brände – als Weckrufe dienen, die dazu beitragen, diese Kluft zu überwinden. Wir befinden uns in einer entscheidenden Phase der Klimawandelanpassung. Diese Phase erfordert einen starken politischen Willen, und dieser wiederum erfordert ein Gefühl der Dringlichkeit.

„Das Problem in der Politik: Zwischen der Anerkennung des Problems und entschiedenem Handeln klafft eine Lücke.“

Christine Eriksen, Humangeographin

Dieses Gefühl der Dringlichkeit hatten wir hier am See in den 1970er Jahren. Damals war der Phosphatgehalt im Wasser so hoch, dass der See umzukippen drohte. Innerhalb weniger Jahre einigten sich alle Anrainerstaaten auf weitreichende Umweltschutzmaßnahmen und den Bau von Kläranlagen, um die Katastrophe zu verhindern. Könnte dieses Ereignis nicht als Blaupause für heute dienen?

Das ist ein wirklich wichtiger Punkt, denn der Bodensee ist mehr als nur eine Trinkwasserquelle. Die Menschen sind stark emotional mit ihm verbunden. Sie lieben es, schwimmen zu gehen oder einfach nur am Wasser zu sitzen und zu schauen. Letztlich ist der See ein wichtiges Element regionaler Identität und ein wichtiges kulturelles Erbe. Deshalb wäre es sinnvoll, das Thema Klimawandel aus dieser Perspektive zu erzählen. „Wir müssen das Leben am und im See erhalten“, das könnte ein sehr starkes Narrativ sein.

Manche werden sagen, das sei nur Angstmacherei.

Im Gegenteil, je mehr man sich mit Risiken beschäftigt, desto weniger Angst hat man vor ihnen. Weil man weiß, was man tun kann. Wenn man seine Angst in Wissen verwandelt, stärkt man nicht nur sich selbst, sondern auch die ganze Gemeinschaft, in der man lebt.

Christine Eriksen ist Humangeographin an der Universität Bern
Christine Eriksen ist Humangeographin an der Universität Bern

„Es wäre sinnvoll, das Thema Klimawandel aus dieser Perspektive zu erzählen: ‚Wir müssen das Leben am und im See erhalten‘!“

Christine Eriksen, Humangeographin

Die Autor:innen

Franziska Schramm ist Autorin und Spoken Word-Poetin. Seit eineinhalb Jahren ist sie glückliches Mitglied der FoodCoop Speisekammer Konstanz, über die man regional und bio einkaufen kann. Mehr: www.franziskaschramm.de

Florian Roth ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich beruflich und privat mit der Resilienz sozialer Systeme und dem Thema Nachhaltigkeit.

Die Idee für den gemeinsamen Artikel entstand an einem heißen Frühsommertag, als Franziska und Florian sich morgens um sieben auf dem Rad trafen und zufällig in dieselbe Richtung fuhren.

Kooperation mit dem NUN-Magazin

Dieser Artikel entstand in Kooperation mit dem NUN, Magazin, das die Grenzstädte Kreuzlingen und Konstanz sowie deren Menschen und Geschichten in einem Heft zusammenbringt. Der Artikel ist daher auch in der aktuellen Printausgabe (#11 Nass und Nackig) erschienen. Sie liegt an vielen Orten in Konstanz und Kreuzlingen aus. Wo genau, könnt ihr auf der Internetseite des NUN-Magazins nachschauen:

www.nun-magazin.de/ch