Reise zum Klima

Markus Mauthe, Naturfotograf aus Friedrichshafen, war im November zu Besuch an der HTWG und nahm das Publikum mit auf eine Reise, die die dramatischen Folgen der Klimakrise exemplarisch aufzeigt. Aber: Er präsentierte auch Lösungen.

  • Naturfotograf Markus Mauthe zeigte in einem Vortrag an der HTWG Konstanz eindringliche Bilder zur Klimakrise.
  • Seine Reise führte von den Galapagosinseln über den Amazonas bis nach Westafrika, wo er die Folgen des Klimawandels dokumentierte.
  • Er warnte vor Klimakipppunkten, die irreversible Schäden verursachen könnten.
  • Besonders bewegend waren Begegnungen mit indigenen Völkern und Menschen in vom Klimawandel betroffenen Regionen.
  • Trotz der Herausforderungen zeigte er lösungsorientierte Projekte und rief zum Handeln auf.

Markus Mauthe ist immer wieder in der Bodenseeregion unterwegs, um über seine Arbeit zu berichten. Der gebürtige Friedrichshafener ist seit über 35 Jahren als Naturfotograf tätig. Seit zwei Jahrzehnten engagiert er sich zudem als Referent für Greenpeace. Seine Mission: Mit Bildern und Geschichten die Dringlichkeit des Umweltschutzes vermitteln. Er selbst bezeichnet sich als eine Art Zeitzeuge, der die Schönheit und Zerbrechlichkeit unseres Planeten dokumentiert. 

Einen seiner jüngsten Vorträge hielt er Anfang November an der HTWG Konstanz im Rahmen der „Public Sustainability Week 2024“. Der Hörsaal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Rund 200 Studierende und Interessierte lauschten Mauthe ganze 90 Minuten – ohne Pause und ohne die Möglichkeit, Fragen zu stellen. So war die Veranstaltung mehr Frontalunterricht als Diskussion. Die Bilder, die Mauthe im Gepäck hatte: eindringlich, aufrüttelnd, mitunter bewegend.  Gleich zu Beginn gibt er den Ton vor:

„Wir gehen mit dem Planeten um, als hätten wir noch fünf weitere in der Hinterhand.“

Markus Mauthe ist mit seinem Vortrag „Reise zum Klima“ immer wieder bei Vorträgen in der Bodensee-Region zu sehen. I Foto: Pauline Tillmann

Seine Live-Reportage setzt dort an, wo Fakten allein nicht mehr ausreichen: Sie soll emotional berühren und Handlungswillen wecken. In einer Mischung aus Fotos, Vortrag und Videoausschnitten nimmt er das Publikum mit auf seine sogenannte „Reise zum Klima“.  

Zusammen mit der Journalistin und Klimaaktivistin Louisa Schneider reiste er monatelang um die Welt und tat das, was er am besten kann: fotografieren. Er sagt: „Die Naturfotografie hat mich gelehrt, geduldig zu sein und Details zu schätzen. Aber sie hat mir auch gezeigt, wie zerbrechlich unsere Welt ist. Jedes Bild, das ich mache, ist ein Zeugnis für zukünftige Generationen. 

Startpunkt: Galapagosinseln  

Die Reise beginnt mit einem Traumziel: den Galapagosinseln im Westen Südamerikas. Dorthin wollte der Naturfotograf nach eigener Aussage schon immer. Mauthe beschreibt die farbenprächtige und scheinbar unberührte Welt, die Darwin zu seiner Evolutionstheorie inspirierte. So gut wie 100 Prozent des Landes der Wasserfläche stünden unter Naturschutz. Besonders gefallen hat ihm, dass es im Gegensatz zu den meisten anderen Regionen der Welt so gut wie keinen Plastikmüll an den Stränden gibt.  

Und doch ist auch hier die Klimakrise spürbar. „Bei einem Tauchgang haben wir gemerkt, dass die Wassertemperatur gestiegen ist. Die Hammerhaie, die ich fotografieren wollte, waren nicht wie erwartet an der Oberfläche, sondern hatten sich in tiefere, kühlere Gewässer zurückgezogen“, erzählt er. Die stille Veränderung der Ozeane sei eines der großen Dramen unserer Zeit.  

„Wir können noch so viele Naturschutzgebiete ausweisen oder bedrohte Tierarten schützen – wenn es uns nicht gelingt, das Klima im Gleichgewicht zu halten, werden weite Teile des Planeten unbewohnbar.“

Von den Galapagosinseln führt die Reise zu den sogenannten Klimakipppunkten, kritischen Schwellen im globalen Klimasystem, die irreparable Veränderungen auslösen können.  Anschaulich erklärt Mauthe die Gefahren, die vom Abschmelzen des arktischen und antarktischen Eises, dem Austrocknen des Amazonas und der Korallenbleiche ausgehen. „An neun von sechzehn bekannten Kipppunkten stehen wir bereits gefährlich nahe am Abgrund“, warnt er.  

Besonders eindringlich wird er, als er die Bedeutung dieser Kipppunkte für die globale Stabilität beschrieb: „Wenn der Golfstrom zusammenbricht, haben wir nicht nur ein Problem mit kälteren Wintern in Europa. Es würde das gesamte Klimasystem durcheinanderbringen.“ Mauthe betont, dass Kipppunkte nicht isoliert betrachtet werden können. Ein einzelner Kipppunkt könne wie ein Dominostein weitere nach sich ziehen. Das Eis in der Arktis beeinflusse den Meeresspiegel, die Strömungen und damit auch die Regenmuster weltweit.  

Übersicht der globalen „Kippunkte“. | Graik: Potsdam-Institut für Klimaforschung

Sara Schurmann ist eine der bekanntesten Klima-Journalist:innen in Deutschland. Sie tritt regelmäßig in Talkshows auf und drängt darauf, dass in den Medien viel mehr über das Klima berichtet wird und das Thema Klima am besten in allen Ressorts mitgedacht wird. 2021 war sie Mitbegründerin des Netzwerks Klimajournalismus Deutschland. 2022 erschien ihr erstes Buch „Klartext Klima“. In ihrem sehenswerten halbstündigen Vortrag auf der Digitalkonferenz re:publica (2023) erklärt sie anschaulich die 16 sogenannten Kipppunkte.  

Nach den Galapagosinseln machten sich Mauthe und Schneider auf den Weg in den brasilianischen Regenwald. Seit zwölf Jahren ist Brasilien Mauthes zweite Heimat. Dort ist er, wenn er nicht gerade auf Vortragsreise durch Deutschland ist. Im Amazonasgebiet dokumentiert er die Zerstörung durch illegale Brandrodung und die Folgen jahrzehntelanger Abholzung. „Was wir im Amazonas gesehen haben, überstieg unsere Vorstellungskraft. Das Ausmaß der Brände und der Zerstörung war erschütternd“, sagt er.  

Seit 21 Jahren sei er im Amazonas unterwegs, immer wieder mit Feuer konfrontiert, aber so etwas habe er noch nicht erlebt. Das sei „schwer zu verarbeiten“. Die Regenfälle werden immer seltener, die Trockenzeiten immer länger. Hinzu komme die bewusste Abholzung, um fruchtbares Land für den Futtermittelanbau zu gewinnen. Wenn der Amazonas kippe, habe nicht nur Südamerika große Probleme.  

Besonders bewegend war eine Begegnung mit den indigenen Yanomami, die als „Hüter:innen des Waldes“ gelten. Mauthe erzählt: „Ein indigener Führer sagte mir, dass sie das Land nicht nur für sich, sondern für uns alle verteidigen. Es ist ihre Heimat, aber auch die Lunge der Welt.“  

Mauthe zeigt eine Drohnenaufnahme, die den Kontrast zwischen intaktem Regenwald und abgebrannten Flächen verdeutlicht. „Es ist, als sähe man eine Wunde auf der Haut der Erde. Die Narben des Amazonas werden uns noch lange begleiten, wenn wir nicht handeln.“ Trotz der großen Herausforderungen, vor denen die Indigenen stehen, hat ihn ihre Entschlossenheit beeindruckt. Ihre Überzeugung: Ihr Leben und das unserer Kinder hängt davon ab.  

Wann werden die „Kippunkte“ erreicht? | Graik: taz Newsletter „team zukunft“

Leben am Rand der Existenz 

Die nächste Station, von der der 55-Jährige in seinem Vortrag berichtet, ist der Senegal, ein Paradebeispiel für Westafrika: ein Land, das die Herausforderungen des Klimawandels in seiner ganzen Härte erlebt. Einst war es französische Kolonie, noch heute ist Französisch Amtssprache. Die größte Einnahmequelle ist die Fischerei. „Alles, was aus dem Meer geholt wird, ist für unzählige Menschen überlebenswichtig.“  

Das Problem sei, dass es immer schwieriger werde, etwas aus den Ozeanen herauszuholen, weil das Wasser immer wärmer werde und die Korallenriffe litten. Dadurch gebe es weniger Jungfische. Zudem leerten chinesische Fangflotten mit ihren riesigen Schiffen die Meere. Mauthe zeigt auf einen jungen Mann, der von einer Flut erzählt, die alles weggespült habe. Es lohne sich nicht, alles wieder aufzubauen. Denn: Sturmfluten werden eher stärker als schwächer.  

Doch was ist mit den Menschen in der Sahelzone, die vor ausgetrockneten Flüssen stehen, deren Schulen verfallen und die zunehmend verzweifeln, weil ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird? An dieser Stelle wird Mauthe besonders emotional und aktivistisch. Die Politik, nicht nur in Deutschland, entwickle sich in eine Richtung, die er kaum noch ertragen könne. Gemeint ist – Zitat – die „Entmenschlichung in der Flüchtlingspolitik“.  

Emotionaler Appell an die Menschlichkeit  

Er sagt: „Es wird hier immer suggeriert, die ganzen Menschen in Not, die wollen nur wegen Zahnersatz oder so einem Quatsch zu uns kommen. Dabei muss man eines sagen: Die allerwenigsten Menschen, die auf der Welt in Not geraten, haben die Chance, ihre Heimat zu verlassen, weil sie weder die Kraft noch die finanziellen Mittel dazu haben. Und was passiert mit denen? Sie werden zu Binnenflüchtlingen, zu Flüchtlingen im eigenen Land.“  

Kurzum: Diejenigen, die am meisten unter der Klimakrise leiden, sind oft diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Dass die Mehrheit der Deutschen wegschaut, statt zu handeln, kann der Greenpeace-Referent nicht verstehen. Es werde über Obergrenzen gesprochen, aber nicht darüber, dass jeder Mensch ein Schicksal habe. Oft seien es Menschen, die alles verloren hätten. Markus Mauthe appelliert an die Zuhörer:innen, solche Menschen zu humanisieren, anstatt „herzlos Mauern um unsere Herzen und Köpfe zu bauen“.  

Er erinnert sich an ein Gespräch mit einem jungen Mann, der dreimal vergeblich versucht hatte, über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Er sagte: „Was soll ich hier? Ich habe keine Zukunft.“ Solche Geschichten seien keine Einzelfälle. Sie seien Zeichen eines globalen Versagens. Denn: Niemand verlasse seine Heimat freiwillig. In Zukunft werde dieses Phänomen noch zunehmen. Die Flüchtlingsströme werden nicht abreißen, auch wenn sich das viele wünschen, stellt Mauthe fest.  

Lösungen und Hoffnungsschimmer 

Trotz der schockierenden Bilder ging der Aktivist Mauthe in seinem Vortrag auch auf Ansätze ein, wie die Situation verbessert werden kann. Initiativen wie lokale Gemeinschaftsgärten, die den Menschen eine Existenzgrundlage bieten, stellt er als hoffnungsvolle Beispiele vor.

„Es gibt kleine Projekte, die zeigen, dass Veränderungen möglich sind. Aber sie brauchen langfristige Unterstützung und echte finanzielle Mittel. Ohne das bleiben sie Stückwerk.“  

Markus Mauthe (1. v. l.) und Louisa Schneider (3. v. l.) bei ihrer Klima-Recherchereise um die Welt, die von Greenpeace finanziert worden ist. I Foto: Pauline Tillmann

Als weiteres Beispiel nennt er die Aufstellung von solarbetriebenen Containern, die Strom, sauberes Wasser und Kühlmöglichkeiten bieten. „Solche Lösungen können das Leben in abgelegenen Regionen revolutionieren. Warum stehen solche Container nicht in jedem Dorf? Weil sich damit nicht so viel Geld verdienen lässt“, ist Mauthe überzeugt.  

Sein Zwischenfazit: Es ist beeindruckend zu sehen, wie viel Hoffnung aus solchen Sozialunternehmen entstehen kann. Man kann das als Außenstehender als Tropfen auf dem heißen Stein verstehen. Aber dem Greenpeace-Aktivisten ist es wichtig, diese Beispiele zu nennen, weil sie Mut machen und in eine andere, eine positivere Richtung weisen.  

Zeit, zu handeln  

Am Ende ist die „Reise zum Klima“ mehr als eine Multimediashow – sie ist ein Weckruf. Markus Mauthe hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur die katastrophalen Folgen des Klimawandels zu dokumentieren, sondern auch die Geschichten der Menschen zu erzählen, die schon heute unter den Veränderungen leiden. Er betont: „Wir müssen erkennen, dass wir alle miteinander verbunden sind. Was in Brasilien, im Senegal oder in der Arktis passiert, betrifft auch uns. Es geht nicht nur um Solidarität, sondern auch um unser eigenes Überleben.“  

Dabei hätten wir – so sein Resümee – alle die Möglichkeit, etwas zu tun: durch unser Konsumverhalten, durch unser Engagement oder durch die Art, wie wir unsere Stimme erheben. Die zentrale Frage sei nicht, ob wir uns den Herausforderungen stellen, sondern wann wir endlich damit anfangen. Sein eindringlicher Appell: „Es ist höchste Zeit zu handeln, damit es ein Morgen für unsere Kinder gibt.“