Arbeit, die gut tut: Was Unternehmen und Frauen verändern können – Teil 1

In ihrem neuen Buch FEMALE WORKING nimmt die Konstanzer Autorin Veronika Fischer die patriarchal geprägte Arbeitswelt unter die Lupe und zeigt alternative Wege auf: Wie können wir Arbeit und Leben besser in Einklang bringen? Ein Gespräch über Balance, Burn-out und die Kunst, Arbeit neu zu denken.

Im Februar 2025 ist dein neuestes Buch FEMALE WORKING erschienen. Kannst du uns ein bisschen erzählen, wie es dazu kam und was dich dazu inspiriert hat? 

Es hat wahrscheinlich schon länger angefangen, als ich mir bewusst bin. Ich bin Mutter von drei Kindern und habe mein erstes Kind mit 23 Jahren bekommen, als ich noch studierte. Das heißt, ich habe immer Arbeit und Mutterschaft kombiniert. Ich kenne das gar nicht anders und habe mir dadurch eine ganz eigene Art des Arbeitens aufgebaut – vor allem seit ich selbstständig bin, also seit mein zweiter Sohn auf der Welt ist. Die Selbständigkeit hat mir mehr Freiheiten gegeben, das Ganze so zu gestalten, dass es für mich passt. Ich habe gemerkt, dass es sehr schön ist, Mutter und berufstätig zu sein, wenn man es achtsam gestaltet. 

Leider ist unsere Arbeitswelt aber sehr männlich und patriarchalisch geprägt, so dass man als berufstätiger Elternteil sehr schnell in die Erschöpfung und nicht selten auch in ein Burnout rennt. Das heißt, die Arbeitswelt ist für viele Menschen belastend und ich habe mir überlegt, wie man das ändern kann. Wie kann man Arbeit so gestalten, dass sie gut ist und Spaß macht? Ich bin schnell darauf gekommen, dass es ein guter Schlüssel ist, „weibliche“ Eigenschaften in den Vordergrund zu stellen und mehr danach zu leben. Und was das bedeutet, das erkläre ich in diesem Buch.

In FEMALE WORKING kommen verschiedene Künstler:innen in Interviews zu Wort. | Foto: Veronika Fischer 

Du hast gesagt, dass das Arbeitsleben in vielerlei Hinsicht belastend ist. Kannst du das genauer ausführen? Was genau war es, was dich als Frau bzw. Mutter sehr belastet hat? Ist es eher der Druck von außen – von der Gesellschaft – oder auch der Druck, den man sich als Frau selbst macht? 

Ich würde sagen, das bedingt sich gegenseitig. Von Frauen wird heute einfach erwartet, dass sie arbeiten – auch wenn sie Mütter sind. Ich kenne eigentlich kaum jemanden, der mit einem Kind über einem Jahr zu Hause ist. Das heißt, die Regel ist: Man geht ein Jahr in Elternzeit und fängt dann wieder an zu arbeiten, meistens in Teilzeit. Wenn ich mir anschaue, was Care-Arbeit für einen Umfang hat, dann ist das allein aber schon ein Vollzeitjob. Also wenn ich mich um meine drei Kinder kümmere, die Wäsche mache, koche, einkaufe, das Haus in Ordnung halte… dann ist der Tag komplett ausgefüllt. 

Und wenn man dann noch einen Job hat und für Geld arbeitet, dann kommt das noch dazu. Das ist im Grunde nicht machbar. Die wenigsten von uns leben in einem Mehrgenerationenhaus oder haben ihre Eltern oder Schwiegereltern in der Nähe, so dass man in der Regel auf sich allein gestellt ist. So ist es nicht verwunderlich, dass viele von uns erschöpft sind und keine Zeit mehr für die schönen Dinge des Lebens haben, wie zum Beispiel mit einem dreijährigen Kind spazieren zu gehen und bei jedem Schneckenhaus und jedem Kieselstein stehen zu bleiben und alles genau zu betrachten.


Veronika Fischer wurde 1987 im Allgäu geboren. Sie studierte Deutsche Literatur und Philosophie in Konstanz und Berlin, arbeitet als freie Autorin, Journalistin, Texterin sowie Philosophin und ist Mutter von drei Kindern. Ihre Theaterstücke touren auf verschiedenen Bühnen. Auch in Genres wie Lyrik und Prosa, journalistischen Publikationen und künstlerischen Projekten setzt sie sich jeweils mit den Themen unserer Zeit und deren gesellschaftlicher Relevanz auseinander. Ihr Promotionsvorhaben über den philosophischen Liebesbegriff erschien unter dem Titel „Liebe“. In ihrem jüngsten Buch FEMALE WORKING beschäftigt sie sich mit dem Konzept Arbeit aus weiblicher Perspektive. Sie führt einen Liebesbriefservice und ein Leben ohne Smartphone.

Bei DEINE KORRESPONDENTIN legen wir besonderen Wert auf konstruktiven Journalismus. Was würdest du empfehlen, damit das besser gelingt? Wie könnte man es anders organisieren? 

Mich interessiert auch, wie man da wieder rauskommt und welche neuen Wege es gibt, es besser zu machen – das ist die Grundfrage in meinem Buch. Wenn ich mich immer nur mit dem Negativen beschäftige, werde ich nur wütend und traurig. Das hilft am Ende des Tages nicht weiter. Deshalb habe ich mich auf die Suche gemacht und versucht, das Ganze ins Positive zu wenden und neue Vorbilder zu finden. Ich habe in jedem Kapitel eine Frau aus meinem Netzwerk portraitiert und sie dazu befragt wie sie arbeitet. Das sind für mich inspirierende Beispiele und ich selbst lerne in Gesprächen mit Freundinnen immer sehr viel – daher wollte ich das auch als ein Element im Buch haben.

Eine spannende Möglichkeit, um die eigene Kreativität zu entdecken, ist die Elternzeit. Ich habe diese Zeit genutzt, um mich selbstständig zu machen, weil man eine Art Grundeinkommen hat, man ist ein Jahr lang finanziell abgesichert und kann sich ein bisschen ausprobieren. Ich habe gemerkt, dass dabei auch viel Kreativität entstanden ist, weil ich mich einfach auf die Dinge konzentriert habe, die mir Spaß gemacht haben. Ich habe Kinderbücher geschrieben, Theaterstücke, Gedichte. Also alles Dinge, mit denen man auf dem Markt nicht viel Geld verdienen kann. Aber das war im Grunde der Grundstein für das, was ich heute mache.

Nach ihrem Studium der Literatur und Philosophie hat Veronika Fischer im Rahmen ihrer Doktorarbeit über die unterschiedlichen Bedeutungen der Liebe geforscht. | Foto: Milena Schilling

Und was würdest du Frauen raten, die zum Beispiel Teilzeit arbeiten? Meistens kommt der Rat: Teilt euch die Sorgearbeit gleichberechtigt auf – und ich kenne ehrlich gesagt kein einziges Paar, bei dem das wirklich funktioniert. 

Ich würde davon absehen, zu versuchen es gleich aufzuteilen, weil es einfach nicht funktioniert. Meine Erfahrung ist, dass man sich das Leben sehr schwer macht, weil man so viel kämpft, sich streitet und am Ende einfach frustriert ist. Deshalb wäre mein Rat, sich ein bisschen zu entspannen und es als Teamarbeit zu sehen. In den meisten Partnerschaften ist es ja so, dass beide das Beste wollen und beide alles geben. Ich finde, man sollte sich nicht so sehr damit aufhalten, wer den Müll rausgebracht hat. Das habe ich auch gelernt. Ich war immer sehr darauf bedacht, alles gerecht aufzuteilen und irgendwann habe ich gemerkt, dass das nicht der Weg ist. 

Und womit ich auch gute Erfahrungen gemacht habe, ist, Aufgaben auszulagern. Das machen Firmen und Unternehmen ja auch. Man muss nicht alles selber machen, man kann sich Hilfe holen – bei der Steuererklärung, im Haushalt oder einen Babysitter. So hat man ein paar Stunden zum Durchatmen, die man auch nicht unbedingt zum Arbeiten nutzen muss, sondern, um sich zu erholen und dafür zu sorgen, dass es einem gut geht. Oder anders gesagt, einfach um der Freude zu folgen und die Ressourcen, die da sind, zu stärken.

Das ist interessant. Das erinnert mich sehr an meinen Mann, der das Mantra vor sich herträgt, dass wir alles alleine schaffen müssen und auf keinen Fall Hilfe von außen in Anspruch nehmen dürfen. Ist das repräsentativ für die Gesellschaft, dass wir glauben, alles alleine schaffen zu müssen? 

Wir haben auch lange gedacht, bis wir gemerkt haben: Es geht nicht mehr. Ich stand vor der Entscheidung: Entweder ich hole mir Hilfe oder ich höre mit meiner kreativen Erwerbsarbeit auf. Also haben wir schließlich eine Haushaltshilfe eingestellt. Das fiel mir am Anfang wahnsinnig schwer, aber dann war es plötzlich so, als hätten wir einen Schalter umgelegt. Man hat plötzlich nicht mehr das Gefühl, man kommt überhaupt nicht mehr hinterher. Sondern man kommt nach Hause und die Wäsche ist gefaltet und im Schrank. Generell muss ich sagen, dass allein das unseren Alltag enorm erleichtert.

Du hast gerade die Elternzeit erwähnt. Man könnte auch das bedingungslose Grundeinkommen erwähnen, das eine Möglichkeit ist, zum Beispiel Kreativität oder auch politisches Engagement zu fördern. Glaubst du, dass das eine Möglichkeit wäre, gerade für Kreative wieder mehr Freiräume zu schaffen? 

Auf jeden Fall. Es würde auch schon helfen, die Elternzeit gerechter aufzuteilen. In den skandinavischen Ländern ist es zum Beispiel so, dass beide Elternteile in Elternzeit gehen müssen. Das wäre schon ein Riesenfortschritt. Aber insgesamt bin ich eher ein Fan davon, pragmatische Lösungen auszuprobieren und das Beste aus den Rahmenbedingungen zu machen, mit denen wir alle zu kämpfen haben. Das heißt nicht, dass man ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht fordern und befürworten kann, aber ich glaube nicht so sehr daran, dass es bald Realität wird.  

9. März – Apollo Kreuzlingen – 14 bis 19 Uhr

🕜 13:30 – Einlass & Start des Bar-/Cafébetriebs mit Kuchen & Snacks
📖 14:00 – Buchpräsentation & Diskussion mit Autorin Veronika Fischer zur Premiere ihres neuen Buches FEMALE WORKING
✨ Anschliessend: Workshops & Impulse mit kreativen Akteur:innen aus Kunst, Design, Lyrik, Tanz & mehr
🎶 17:00 – ( DJ Spoon Carrey), entspannter Ausklang mit Snacks

Worum geht’s?

Noch immer werden „weiblich“ konnotierte Fähigkeiten in unserer Gesellschaft abgewertet oder unsichtbar gemacht. Die Fokussierung auf das männliche Prinzip des Höher-Besser-Weiter treibt unseren Planeten ans Limit und uns selbst in die Erschöpfung. Wie sind wir als Gesellschaft dahin gekommen? Und wie kommen wir wieder raus? Das fragt sich die Philosophin Veronika Fischer in ihrem Buch FEMALE WORKING. Ihre Analyse reicht von der Steinzeit über die Hexenverfolgung bis ins postindustrielle Zeitalter, mit spannenden Blickwinkeln aus der feministischen Literatur. Sie nimmt zehn als „weiblich“ gelabelte Qualitäten in den Fokus und zeigt auf, wie diese im Business-Alltag, aber auch in der Sorge- und Beziehungsarbeit zu einer neuen Sichtbarkeit gelangen. Und welche starken Kompetenzen darin stecken – wenn wir sie richtig für uns nützen. Es geht um Solidarität und Verbindung, zyklisches Arbeiten, radikale Fürsorge, Intuition, die Kraft des Schöpfens, eine gute Balance und andere Qualitäten wie Mode, Heilung und Empowerment.

Mitwirkende aus dem Buch sind live vor Ort dabei:

🛠️ Anna Appadoo (Künstlerin)
🖋 Barbara Marie Hofmann (Lyrikerin)
💃 Claudia Heinle (Tänzerin)
🌈 Fidelis Puchner (Künstler:in)
✂️ Klara Schneider (Designerin)
🎨 Maria Wacker (Künstlerin)
🍵 Pünktchen und Ton (Keramik-Duo)
🎧 Spoon Carrey (DJ )
🌀 Stephanie Pils (Energy & Body Work)
🖼️ Susanne Bonowicz (Künstlerin)