Was taugen die Alternativen zum Wahl-O-Mat?

Das ZDF-Politbarometer zeigt, dass 28 Prozent der Wahlberechtigten noch nicht wissen, wie sie bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ihre Stimmen verteilen. Dir geht es ähnlich? Wir stellen drei digitale Wahlhilfen vor, die dich bei der Wahlentscheidung unterstützen sollen.
  • Digitale Wahlhilfen unterstützen Unentschlossene bei der Bundestagswahl 2025, indem sie politische Positionen verständlich aufbereiten. Sie helfen, Standpunkte zu vergleichen und komplexe Themen greifbarer zu machen.
  • Wahltraut setzt einen feministischen Fokus und analysiert Parteien hinsichtlich Gleichstellung, LGBTQIA+-Rechten und Antirassismus. Nutzer:innen beantworten 32 Thesen und erhalten eine Übersicht zur Übereinstimmung mit den Parteien.
  • Der Real-O-Mat bewertet Parteien basierend auf ihrem tatsächlichen Abstimmungsverhalten im Bundestag statt auf Wahlversprechen. Die Nutzer:innen können 20 Thesen gewichten und so eine differenzierte Einschätzung erhalten.
  • Der Wahlchecker in Leichter Sprache ermöglicht barrierefreie politische Information. Er stellt zehn Fragen, zu denen die Antworten der Parteien in leicht verständlicher Sprache aufbereitet sind.
  • Kritik besteht, da viele Tools nur die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien berücksichtigen und teils mit Entwürfen statt finalen Wahlprogrammen arbeiten. Dadurch könnten bestimmte Positionen oder kleinere Parteien unberücksichtigt bleiben.
  • Die Entscheidungshilfen bieten Orientierung, ersetzen aber keine eigene Recherche für eine fundierte Wahlentscheidung. Wähler:innen sollten mehrere Tools nutzen und sich weitergehend informieren.

Bei der Vielzahl an Parteien und Programmen kann die Wahlentscheidung schnell überwältigend wirken. Wie können wir trotzdem eine informierte Entscheidung treffen? Genau hier setzen Wahlentscheidungshilfen, wie der sogenannte Wahl-O-Mat, an: Er bietet Orientierung, klärt über Standpunkte auf und macht komplexe Themen greifbar.  Alternative Wahlhilfen setzen ihren Fokus unterschiedlich, um auf die individuellen Bedürfnisse der Wähler:innen spezifischer eingehen zu können. 

Feministischer Wahlkompass „Wahltraut“

Das Konzept „Wahltraut“ möchte feministische Perspektiven sichtbar machen und auf die Gleichberechtigung zwischen Gender reagieren. Der „Feministische Wahlkompass“ funktioniert ähnlich wie der Wahl-O-Mat: Nutzer:innen können Stellung zu verschiedenen Thesen beziehen und überprüfen, inwiefern sie mit den verschiedenen Parteien übereinstimmen. 

„Deine Wahlhelferin für einen gleichberechtigten Bundestag“ – Wahltraut

Der Wahlkompass Wahltraut möchte mit verschiedenen Thesen zu den Themen der Gleichstellung oder Anti-Rassismus feministische Perspektiven sichtbar machen. | Foto: Screenshot von wahltraut.de

Die Macherinnen von Wahltraut haben 32 verschiedene Thesen zu Themen der Gleichstellung, Rechten von LGBTQIA+, Anti-Rassismus und Inklusion entwickelt. Unterstützt wurden sie dabei von Kooperationspartner:innen aus Verbänden, Organisationen und Expert:innen für frauenpolitische Themen. Antworten auf die Thesen hat Wahltraut anhand der Wahlprogramme aller im Bundestag vertretenen Parteien untersucht. 

Die aus dem Englischen stammende Abkürzung LGBTQIA+ setzt sich aus den englischen Begriffen zusammen: lesbian, gay, bisexual, transgender/transsexual, queer/questioning, intersex, asexual. Übersetzt bedeutet dies:

  • LLesbisch: Frauen, die sich romantisch und/oder sexuell zu anderen Frauen hingezogen fühlen.
  • GSchwul: Männer, die sich romantisch und/oder sexuell zu anderen Männern hingezogen fühlen.
  • BBisexuell: Menschen, die sich sowohl zu Personen des gleichen Geschlechts als auch des anderen Geschlechts hingezogen fühlen.
  • TTransgender/Transsexuell: Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.
  • QQueer/Fragend: Ein Überbegriff für Menschen, die sich nicht in traditionelle Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität einordnen lassen, oder für diejenigen, die ihre sexuelle Orientierung noch hinterfragen.
  • IIntersexuell: Menschen, deren körperliche Merkmale, wie Chromosomen oder Genitalien, nicht eindeutig als männlich oder weiblich klassifiziert werden können.
  • AAsexuell: Menschen, die keine oder nur wenig sexuelle Anziehung zu anderen verspüren.
  • +Plus: Das Pluszeichen (manchmal auch ein Sternchen *) dient als Platzhalter für alle weiteren Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen, die nicht explizit im Akronym genannt sind, aber ebenso Teil der vielfältigen Gemeinschaft sind.

Das Akronym LGBTQIA+ symbolisiert die Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten und steht für Inklusion und Anerkennung von Unterschieden.

Dazu gehören: SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, AfD, Die Linke und BSW. Außerdem bietet die „Wahlberaterin“ mit dem Gender-Glossar eine weitere Informationshilfe und erläutert Begriffe wie cis, trans, auch juristische oder politische Verträge wie die Istanbul-Konvention werden erklärt. Wahltraut ermuntert explizit zur weiteren Eigenrecherche:

„Gleichstellungspolitik allein reicht nicht aus, um eine Wahlentscheidung zu treffen. Du solltest weiter recherchieren und weitere Wahlentscheidungshilfen ausprobieren.“

Real-O-Mat berücksichtigt die tatsächlichen Abstimmungen der Parteien 

Eine weitere digitale Entscheidungshilfe stellt seit Ende Januar 2025 der Real-O-Mat dar. Das Projekt des gemeinnützigen online Portals FragDenStaat basiert auf den Handlungen der Parteien in der letzten Legislaturperiode. Konkret bedeutet das: Fragen und Antworten basieren nicht auf den Wahlversprechen der Parteien. Hier geht es darum, wie die Parteien bei aktuellen politischen Themen im Bundestag abgestimmt haben.

Was bedeutet das für die Nutzer:innen? Sie können Stellung zu 20 Thesen beziehen und diese nach ihrer eigenen Präferenz entsprechend gewichten. Die Thesen klingen zum Beispiel so: „Der gesetzliche Mindestlohn soll mindestens 12 Euro betragen.“ (These 3). Zustimmung entspricht der Option „ja, finde ich auch“. Eine Ablehnung und Enthaltung wird nach Begründung der Fraktion in Beschlussempfehlungen und Plenardebatten in „nein, das geht mir zu weit“ oder „nein, das reicht mir nicht aus“ geteilt. 

In den Fragen und Antworten des Real-O-Mats geht es darum, wie die Parteien bei aktuellen politischen Themen im Bundestag abgestimmt haben. | Foto: Screenshot von real-o-mat.de

Grundlage der formulierten Thesen stellen Anträge und Gesetzentwürfe der letzten Legislaturperiode (seit Oktober 2021) dar. Das Ergebnis zeigt die persönliche Übereinstimmung zu den verschiedenen Parteien in Prozent. Der Real-O-Mat vergleicht die verschiedenen Parteien in ihren Positionen und begründet, was Parteien explizit zu den einzelnen Thesen sagen, bzw. wie sie ihre Abstimmung begründen. Auch hier wird betont, dass die Ergebnisse keine Wahlempfehlung seien, „sondern ein Informationsangebot über Parteien und ihr Abstimmungsverhalten“.

Wahlchecker in Leichter Sprache

Das österreichische Magazin andererseits hat mit dem Wahl-Checker eine barrierefreie Option geschaffen, damit sich alle Menschen über die Bundestagswahl 2025 informieren können.  In Deutschland benötigen 14 Millionen Menschen Einfache oder Leichte Sprache.  Leichte Sprache zeichnet sich durch besonders kurze Hauptsätze, weitgehenden Verzicht auf Nebensätze und die Verwendung von bekannten Wörtern aus. Schwierige Wörter werden erklärt und das Schriftbild sollte klar und ausreichend groß sein, heißt es auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung

„Alle sollten Mitreden“ – Wahl-Checker

Der Wahl-Checker berücksichtigt diese Vorgaben für Leichte Sprache und funktioniert ähnlich wie die anderen digitalen Entscheidungshilfen: Hier gibt es 10 Fragen, auf die die Antworten von den derzeit sieben im Bundestag vertretenen Parteien dargestellt werden. Nutzer:innen können die verschiedenen Themen einzeln auswählen und Meinungen der Parteien miteinander vergleichen. Außerdem wird der Ablauf der Bundestagswahl erläutert.

Fremdwörter wie „Kern-Fusion“, sind gelb hinterlegt und werden bei Mausklick durch einen kurzen Text erklärt. Im Gegensatz zu anderen Wahlhilfen gibt es kein gesammeltes Ergebnis, in dem die Übereinstimmung der eigenen Ansichten mit den jeweiligen Parteien in Prozent angegeben wird. Dafür können sich Nutzer:innen zusätzlich in einem Katalog an Worterklärungen von Asyl, über Gleichberechtigung bis zu Recycling oder Wohlstand informieren.

Die Fragen des Wahlcheckers sind in leichter Sprache formuliert und Fremdwörter werden erklärt, damit sich alle Menschen in gleichem Maße über die bevorstehende Wahl informieren können. | Foto: Screenshot von wahlchecker.de

Der Inhalt des Wahl-Checkers basiert auf den Wahlprogrammen der Parteien. Zudem haben einige Parteien direkte Antworten auf die gestellte Frage geliefert. Die Schaffer:innen des Wahl-Checkers weisen darauf hin, dass sie „die Antworten der Parteien nicht eingeordnet“ haben.

„Du kannst bei den Antworten nur lesen, was die Parteien sagen. Du kannst nicht lesen, was sie wirklich machen.“

Ergebnisse bieten Orientierung und keine Wahlempfehlung

Kritiker:innen von alternativen Wahlentscheidungshilfen thematisieren, dass nicht alle Parteien berücksichtigt werden, sondern sich die Tools nur auf die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien konzentrieren. So betont der Politikwissenschaftler Christian Stecker von der Technischen Universität Darmstadt gegenüber tagesschau.de:

„Der Vorteil beim Wahl-O-Mat gegenüber vielen anderen Angeboten: Alle Parteien, die bei der Bundestagswahl antreten, sind vertreten“.

Außerdem konnten durch die Kurzfristigkeit der Wahl nicht auf die direkte Positionierung aller Parteien gewartet und die Thesen oder Fragen mussten anhand der Wahlprogramme beantwortet werden. Ein weiterer Kritikpunkt: Anfang Februar waren die finalen Wahlprogramme von Bündnis 90/Die Grünen und AfD noch nicht verfügbar. Bis dahin hat zum Beispiel Wahltraut nur mit den Entwürfen der Wahlprogramme gearbeitet. 

Mit dieser Kritik im Hinterkopf können sich Wähler:innen mit den digitale Entscheidungshilfen für ihre Wahl am 23. Februar 2025 orientieren und sind vielleicht ein bisschen weniger überfordert in der Entscheidungsfindung.