Drohende Abschiebung: Konstanz solidarisiert sich mit Alieu Ceesay

Alieu Ceesay ist aus Gambia nach Konstanz gekommen, hat sich in der Stadt integriert. Nun hat das Regierungspräsidium in Karlsruhe seine Abschiebung beschlossen. Das wollen Konstanzer Vereine, Institutionen und auch Politiker:innen nicht zulassen. Eine Petition und eine Demonstration fordern den Stopp des Abschiebungsprozesses.
Alieu Ceesay, genannt Alex, soll nach Gambia abgeschoben werden. Foto: Theater Konstanz

Am vergangenen Mittwochabend stand Alieu Ceesay noch auf der Bühne der Spiegelhalle. In dem Stück „I want to believe“ des interkulturellen Tanztheaters blickte der 25-Jährige das Publikum direkt an und sagte den Satz: „If I’m falling will you catch me?“. Ein Satz, der die 180 Zuschauer:innen an diesem Abend berührte – und am nächsten Tag schon eine ganz andere Bedeutung bekommt. Denn seit dem 20. Juli befindet sich Alieu Ceesay, genannt Alex, in Abschiebehaft in Pforzheim. Unter dem Titel „Alex is falling, will you catch him?“ ist seitdem eine Welle der Solidarität in Konstanz ausgebrochen.

Alieu Ceesay hat sich vor drei Jahren gegen sein Leben in Gambia entschieden. Nun soll er am kommenden Mittwoch, 26. Juli, dahin abgeschoben werden.

„Bei dem Betreffenden handelt es sich um einen vom zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnten Asylbewerber. Der Betreffende ist seit Juni 2021 vollziehbar ausreisepflichtig und hat die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise nicht genutzt“,

heißt es auf Anfrage beim Regierungspräsidium Karlsruhe.

„Zur Sicherung der Abschiebung befindet sich der Betreffende aktuell in der Abschiebungshafteinrichtung Pforzheim.“

Eine Petition an den Landtag Baden-Württemberg fordert die sofortige Freilassung Alieus aus der Abschiebehaft und einen Stopp des Abschiebeprozesses. Am heutigen Montag, 24. Juli, findet auf der Marktstätte um 18 Uhr eine Demonstration statt. Der Aufruf dazu wurde bereits unzählige Male in den Sozialen Medien geteilt. 

Petition findet viele Unter­stützer:innen

Die Petition für Alieu Ceesay, die dem karla Magazin vorliegt, ist 25 Seiten lang. Darin wird Alieu Ceesay als Geflüchteter beschrieben, der sich gut in Konstanz integriert hat. Einer, der einen Ausbildungsplatz gefunden und sich nebenbei noch ehrenamtlich engagiert hat. Der Verein „83 Konstanz integriert“ bezeichnet Alieu in seinem Unterstützungsschreiben als Beispiel gelungener Integration:

Alieu Ceesay bei einer Probe des interkulturellen Tanztheaters Konstanz. Foto: Theater Konstanz

„Geflüchtete, wie Alieu Ceesay, die erst seit drei Jahren in Deutschland sind, bereits ein Niveau von mindestens A2 erworben, eine Ausbildung gefunden und sich in die deutsche Gesellschaft so positiv integriert haben, erleben wir nicht oft. Alieu Ceesay ist sehr deutlich bereits jetzt ein Beispiel gelungener Integration.“

Neben dem Verein Hope Human Rights Konstanz, dem Theater und dem Café Mondial zeigt auch David Tchakoura, Leiter der Stabsstelle Konstanz International und Integrationsbeauftragter der Stadt Konstanz seine Unterstützung: „Diese Abschiebung würde nicht nur Herrn Alieu Ceesays Bemühungen für ein Leben in Würde und Freiheit zerstören, sondern auch ein herber Niederschlag für alle ehren- und hauptamtlichen Stellen unserer Stadt bedeuten, die unglaublich viel Zeit, Energie und Ressourcen in seine Integration investiert haben. Alieu Ceesay ist bereits Teil der Konstanzer Gesellschaft geworden.“

Seine Ausbildung geht noch bis 2026

Auch Konstanzer Politiker:innen wünschen sich, dass Alieu sein Leben in Konstanz fortsetzen kann. „Welchen Sinn hat es, Ressourcen zu vergeuden, um solche Menschen abzuschieben, die sich einbringen und unser Gemeinwesen stärken können?“, fragt Zahide Sarikas, SPD-Gemeinde- und Kreisrätin. „In Deutschland hat er sich erfolgreich eine Perspektive aufgebaut,doch diese Leistung wird nicht etwa honoriert, sondern durch die zwangsweise Abschiebung mit Füßen getreten“, erklärt Simon Pschorr,Gemeinderatsmitglied der Linken Liste. 

Auch eine Stellungnahme seines Arbeitgebers ist Teil der Petition an den Landtag Baden-Württemberg. Alieu Ceesay hat am 1. Dezember 2022 seine Ausbildung als Klempner bei der Blechnerei Gogolin in Singen begonnen.

„Herr Ceesay hat sich seitdem sehr gut ins Team integriert und ist von mir schon voll eingeplant für die nächsten Projekte bis ins nächste Jahr rein. Durch seine Abschiebung würde nicht nur eine große Lücke in unserem Team entstehen, es wäre auch wirtschaftlich ein großer Schaden für mich, da Fachkräfte sowieso Mangelware sind und ich ohne ihn die künftigen Aufträge kaum abgearbeitet bekomme“,

schreibt Blechnerei-Inhaber Michael Lieb in seinem Unterstützungsschreiben.

Alieus Ausbildungsvertrag endet am 31. Mai 2026. Michael Lieb schreibt, er sei davon ausgegangen, dass eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bis 2026 vorliege, „hierauf habe ich mich bezüglich meiner Auftragslage und Planung verlassen.“

Alieu Ceesay macht eine Ausbildung in Singen und engagiert sich auch ehrenamtlich. Foto: Theater Konstanz

„So ist niemandem geholfen“

Die Ausbildungszahlen von geflüchteten Menschen haben im gesamten Gebiet der Handwerkskammer Konstanz in den Jahren 2015 bis 2018 stetig zugenommen, im Jahr 2018 erreichten diese Zahlen ihren Höhepunkt mit 245 eingetragenen Ausbildungsverhältnissen – davon 100 im Landkreis Konstanz. Seit 2019 sind die Zahlen rückläufig. Für das Jahr 2022 wurden im kompletten Kammergebiet 119 Ausbildungsverträge für geflüchtete Personen eingetragen – davon befinden sich 42 in Ausbildungsstellen im Landkreis Konstanz. Viele geflüchtete Menschen haben im regionalen Handwerk einen Platz für sich gefunden – als Fachkraft oder im Rahmen einer angelernten Helfer:innen-Tätigkeit. 

„Uns erreichen überwiegend positive Rückmeldungen aus den Betrieben, die insbesondere die Arbeitsbereitschaft und die Lernwilligkeit der Geflüchteten in den Mittelpunkt stellen“, sagte Ines Rimmele, Migrationsbeauftragte der Handwerkskammer Konstanz, im Januar gegenüber karla. „Werden solche Menschen aber während oder nach der Ausbildung abgeschoben, ist niemandem geholfen“, kritisierte Ines Rimmele in dem Beitrag zur Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt. Sie sagte: „Die bis zur Abschiebung erbrachten Integrationsleistungen unserer Betriebe sind dann umsonst.“ Neben der Möglichkeit, seine Ausbildung bei der Blechnerei Gogolin zu absolvieren, hat der Betrieb Alieu Ceesay auch Deutschkurse bei der Volkshochschule bezahlt. Nach Angaben von Michael Lieb wurden weitere Kurse vereinbart und auch dafür werden die Kosten vom Betrieb übernommen. 

Ausbildungs­duldung nicht möglich

Geflüchteten in Ausbildung, deren Asylantrag abgelehnt wurde – wie bei Alieu Ceesay der Fall – kann eine sogenannte Ausbildungsduldung ausgestellt werden. Sie gilt für die gesamte Dauer der Ausbildung. Dafür müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein: Es braucht eine qualifizierte Ausbildung, die Identität muss nachgewiesen sein und der:die Geflüchtete darf für keine Straftaten in Deutschland verurteilt worden sein. Nach Angaben des Regierungspräsidiums Karlsruhe konnte Alieu Ceesay keine Ausbildungsduldung erteilt werden, „da er im Jahr 2021 wegen einer Straftat zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden war. Es liegt damit ein gesetzlicher Ausschlussgrund (für die Erteilung einer Ausbildungsduldung) vor. Dies wurde dem Betroffenen mit Schreiben vom April 2023 mitgeteilt.“ Die Ablehnung führte dazu, dass Alieu Ceesay nun seit einigen Tagen in Abschiebehaft sitzt, bis er am Mittwoch nach Gambia gebracht werden soll. 

Seine Anwältin, Regina Jördens-Berneburg, mit der karla sprechen konnte, erklärt, man müsse rechtlich zwischen der Abschiebung und der Abschiebehaft trennen. „Selbst wenn die Abschiebung rechtens ist, bleibt die Frage, ob die Abschiebehaft rechtmäßig ist“, sagt die Juristin im Gespräch. Sie stelle in ihrer Arbeit als Anwältin für Migrationsrecht immer wieder fest, dass Behörden sehr haftfreudig seien. Neben der bei Alieu Ceesay nicht greifenden Möglichkeit der Ausbildungsduldung, käme noch der Paragraph 25a des Chancen-Aufenthaltsrechts für eine Aufenthaltserlaubnis in Betracht. Dieser gibt Geflüchteten unter 27 Jahren, die gut integriert sind, die Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis. Allerdings steht darin: Die Erlaubnis ist ausgeschlossen, wenn der:die Geflüchtete zu einer Geldstrafe von mehr als 50 Tagessätzen verurteilt wurde. Bei Alieu Ceesay sind es 60 Tage. Eine Abwendung der Abschiebung sieht Jördens-Berneburg daher als unwahrscheinlich an.

Die Petition gegen die Abschiebung von Alieu Ceesay enthält auch viele emotionale Statements von Menschen, die mit dem Geflüchteten zu tun hatten. „Hinter ihm stehen viele Menschen, die ihn lieben und respektieren und die sein Zuhause sind. Alieu muss bleiben. Es ist, als hätte er schon immer zu uns gehört“, schreibt beispielsweise die Choreografin Vivian Kremer. Seit September 2022 hat Alieu Ceesay auch eine Freundin in Konstanz, Ornella Hohenberger. Sie schreibt: „Wir haben oft darüber geredet, ob wir irgendwann heiraten und Kinder haben wollen. Ich will nicht, dass uns diese Entscheidung abgenommen wird.“

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