Das Foto zeigt Fasnachtsdekoration vor einem nebligen Himmel.

Verstörendes Fasnachtsmotto in Allensbach

„Früher normal – heute verboten“ heißt das Motto des diesjährigen „Fasnets-Mäntig-Umzug“. Das wirft Fragen auf – vor allem durch die Aufmachung des zugehörigen Narrenblatts der Allensbacher Alet.
Linda ist Urkonstanzerin und hat nach zehn Jahren Großstadtgeflüster in…

Was war früher normal und ist heute verboten? Woran denkst du, wenn du das diesjährige Motto des Allensbacher Fasnets-Mäntig-Umzug liest? Früher war es normal, dass in der deutschen Sprache nur männliche Personen genannt wurden. Das ist heute zwar nicht verboten, wird aber von einigen verpönt. Früher war es auch normal, dass an Fasnacht Winnetous und Nscho-tschis durch die Gegend hüpften. Auch das ist nicht verboten – im Kontext kultureller Aneignung und mehr Sensibilität für Diskriminierung heute aber durchaus kritisch zu sehen.

Von kultureller Aneignung wird gesprochen, wenn Menschen, die einer dominanten Kultur angehören, Kulturelemente einer Minderheit übernehmen. Diese Elemente werden dann, wie beispielsweise an Fasnacht, in einen anderen Kontext gestellt und ohne Genehmigung oder Anerkennung angeeignet. Personen, die einer Minderheit angehören, sind sozial, politisch oder wirtschaftlich benachteiligt. Sie sind historisch und auch aktuell von Diskriminierung betroffen. Menschen, die unter Diskriminierung leiden, können sich nicht aussuchen, ob sie ihre Kultur als Accessoire tragen oder nicht. Frisuren, wie zum Beispiel Dreadlocks, werden ein wildes, eventuell naturverbundenes Leben gegen die Norm zugeschrieben. Diese Assoziation kommt aber nicht von der Frisur, sondern durch die Zuschreibungen, die die Mehrheitsgesellschaft (in den meisten Fällen die weiße europäische Gesellschaft) den Personen anheftet. Weiße Menschen frisieren sich also ein Image, das sie frei wählen. Sie können diese und das damit verbundene Bild jederzeit wieder ablegen. Von Diskriminierung betroffene Menschen verstecken dagegen meist wichtige Elemente ihrer Kultur, um sich und andere vor noch mehr Diskriminierung zu bewahren. Zusätzlich monetarisiert die Mehrheitsgesellschaft diese kulturellen Elemente, indem sie beispielsweise Schmuck, Kleidung und Federn verkauft. Sie verdient damit Geld, ohne dass die Minderheit davon profitiert. An Fasnacht mischen wir, ohne jegliche Kenntnis über die kulturelle Bedeutung, verschiedene Farben, Stoffe und Federschmuck. Das passiert nicht aus Verehrung von indigenen Gruppen, sondern auf Grundlage der Fantasie weißer Geschichtenerzähler:innen.

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