Vom Notfall zur Hoffnung

Bei der Pflege von Lebewesen sind die Erwartungen hoch, die Finanzierungen prekär. Ein Blick ins Konstanzer Tierheim. Wie geht es den Tieren und Mitarbeitenden?
  • Das Tierheim Konstanz versorgt heimatlose Haustiere und Wildtiere, unterstützt Kastrationsaktionen für wildlebende Katzen und ist auf Spenden angewiesen.
  • Tierschutzvereine setzen hohe Standards für die artgerechte Vermittlung der Tiere und führen gründliche Vorgespräche mit potenziellen Tierbesitzern.
  • Das Tierheim Konstanz erhielt 2021 die Tierschutzplakette für hohe Standards.
  • Die steigenden Kosten und der Personalmangel belasten die Tierheime, oft bleiben sie auf zusätzlichen Kosten sitzen.
  • Ein neuer Fundtiervertrag für Konstanz wird derzeit verhandelt; die Stadt unterstützt das Tierheim mit 85.000 Euro jährlich.
  • Geldspenden sind besonders wichtig, um die dringendsten Bedürfnisse der Tiere zu decken.

Am Telefon begrüßt mich Heidi Schätzle, die Leiterin des Tierschutzheimes in Konstanz, mit den Worten: „Wir haben hier gerade einen Notfall, so wie das üblich ist im Tierheim“. Andrea Doll, die erste Vorsitzende des Tierschutzvereines erklärt, an einem ehemaligen Konstanzer Gasthaus sei eine freilebende Katzenpopulation aufgetaucht, die dort schon in der vierten Generation lebt. Die Aufgabe des Tierschutzheimes sei nun das Einfangen und Kastrieren der verwilderten Tiere. 

Zahlen und Fakten 

Das Tierschutzheim Konstanz ist zuständig für heimatlose Tiere aus dem Raum Konstanz. Seine Hauptaufgabe ist es, diese Tiere aufzunehmen, zu pflegen und sie an ein neues Zuhause zu vermitteln. Neben Haustieren wie Hunden, Katzen und Kaninchen werden auch verletzte oder verirrte Wildtiere aufgenommen. Der Tierschutzverein engagiert sich zudem in Kastrationsaktionen für wildlebende Katzen. Heidi Schätzle erklärt den Aufnahmeprozess eines Tieres:

„Tiere werden zuerst dem Tierarzt vorgestellt, durchgecheckt, geimpft und kastriert. Danach kommen sie in Quarantäne, bevor sie nach drei bis vier Wochen fertig geimpft in den Vermittlungsbereich wechseln.“ 

Der Tierschutzverein Konstanz und Umgebung e.V. ist seit 1972 Mitglied im Deutschen Tierschutzbund e.V. und im Deutschen Tierschutzbund – Landesverband Baden-Württemberg e.V. Der Konstanzer Tierschutzverein hat etwa 500 Mitglieder. Im Tierschutzheim Konstanz gibt es rund 30 Freiwillige, die mit den Hunden Gassi gehen, mit den Katzen kuscheln oder abends den telefonischen Notdienst übernehmen, erzählt Schätzle. Die Anzahl der Tiere schwankt täglich. Im Moment leben ungefähr 20 Katzen, 10 Hunde und 23 Kleintiere im Tierheim. 

Heidi Schätzle leitet das Tierheim Konstanz. I Foto: Privat

Die Anfänge des Vereins und des Standortes liegen weit zurück. 1947 wurde der Tierschutzverein gegründet, das Tierheim wurde 1986 gebaut, so erzählt es Andrea Doll. Seitdem habe sich nicht nur im Tierheim in Konstanz vieles verändert, sondern auch der Tierschutzgedanke an sich. Früher seien Tiere aufgenommen worden, ohne sie weitervermitteln zu wollen. Inzwischen seien die Heime proaktiv bemüht, den Tieren ein neues und vor allem passendes Zuhause zu suchen.

Heidi Schätzle meint: „Die Tierschutzvereine haben andere Ansprüche und kontrollieren stärker, wo die Tiere hinkommen. Das heißt, wir vermitteln kleine Tiere zum Beispiel nicht in Einzelhaltung oder Käfighaltung. Das spiegelt sich auch im Tierschutzgesetz wider.“ Der §2 Tierschutzgesetz schreibt artgerechte Pflege und Unterbringung vor. Das seien aber Mindestanforderungen. Tierschutzvereine hätten meistens einen größeren Anspruch an Tierhaltung und dementsprechend auch an die Vermittlungen, meint Schätzle.  

Das Konstanzer Tierschutzheim 

Der Raum, den die Katzen bewohnen, ist mit Decken, einem Kratzbaum und vielen Liegemöglichkeiten geschmückt. Ich werde gebeten, nicht allein den Raum zu verlassen, da die drei Katzen sonst folgen. Nichts leichter als das für eine Katzenliebhaberin. Ein geöffnetes Fenster führt in einen grünen Außenbereich, an der Wand hängen drei Tafeln mit Informationen und den Namen der Tiere. Die drei Katzen beschnüffeln mich neugierig, ich darf sie sogar streicheln. Die Hunde haben umzäunte Außengehege, Hundehäuser, in die sich die Tiere zurückziehen können, und eine große Spielwiese, auf denen sie sich außerhalb der Fütterungs- und Ruhezeiten austoben.

Auf dem Gelände stehen alte, große Bäume, die Schatten spenden. Ich beobachte einen Mann, der einen mittelgroßen schwarzen Hund zum Gassi gehen abholt. Er erklärt: „Die schwarze Kleine, die ist ganz scheu, aber ganz lieb!“. Nach 20 Minuten kommt er wieder und führt noch einen weiteren Hund ins Freie, mir ruft er zu: „Ein bisschen stürmisch, aber ganz lieb!“. „Zu“ scheu und „zu“ stürmisch, das scheinen zwei Charaktereigenschaften zu sein, die Tiere in einem Tierheim landen lassen. 

Das Konstanzer Tierheim befindet sich in der Nähe des Naturschutzgebiets Wollmatinger Ried. | Fotos: Cara Hofmann

Grundphilosophie 

Das Tierwohl liegt den Engagierten sehr am Herzen, im Heim und auch in der Zeit danach – deshalb läuft der Vermittlungsprozess durch mehrere Schleifen, bis das Tier tatsächlich mit nach Hause genommen werden darf. Heidi Schätzle erklärt: „Wenn die Leute zu uns kommen, klären wir erstmal vor Ort, welches Tier zu ihnen passt. Es ist nicht wie in einem Laden, wo man sich einfach ein Tier aussucht. Wir klären auf über die Bedürfnisse und Eigenarten des Tieres und schauen dementsprechend, ob das vom Interessenten abgedeckt werden kann.“ Nicht jedes Tier passe zu jedem Menschen und in jeden Haushalt, es gebe viele Faktoren, die einer erfolgreiche Vermittlung im Wege stehen könnten:

„Es macht zum Beispiel wenig Sinn, eine 15 Jahre alte Katze in einen Haushalt mit drei Kindern im Krabbelalter zu geben. Da wird die Katze früher oder später, wenn sie das nicht gewohnt ist, zum Desaster.“

Ein Tier kann überfordert sein, wenn sich neue Besitzer:innen falsch verhalten oder wenn der Haushalt nicht zu ihm passt. Durch diesen Stress kann es zu negativem Verhalten des Vierbeiners kommen. 

Wenn ein passendes Tier und ein passender Mensch gefunden wurde, führen Mitarbeitende des Tierschutzheimes ein Vorgespräch mit den zukünftigen Tierbesitzer:innen, und zwar in deren Zuhause. Sie schauen sich das künftige Umfeld des Tieres an, und beantworten Fragen zum Stellplatz des Katzenklos oder eines Kratzbaumes. Wenn beide Seiten einverstanden sind, wird das Tier vermittelt. 

Deutscher Tierschutzbund e.V. 

Das Tierschutzheim Konstanz wurde 2021 vom Deutschen Tierschutzbund e.V. mit der Tierschutzplakette ausgezeichnet. Der Deutsche Tierschutzbund ist die Dachorganisation der Tierschutzvereine und Tierheime in Deutschland. Er ist der größte und älteste Tierschutzdachverband in Deutschland und in Europa. Außerdem ist er anerkannter Naturschutzverband. Die Tierheimplakette des Deutschen Tierschutzbundes wird vom Deutschen Tierschutzbund e.V. an seine Mitgliedsvereine verliehen. Die Tierheime sollen so einen möglichst einheitlich hohen und guten Standard gewährleisten, heißt es in der Tierheimordnung des Deutschen Tierschutzbundes e.V. 

Jedes Tier bekommt ein eigenes Gehege.

Andrea Doll erklärt: „Es gibt Regeln, die vom Deutschen Tierschutzbund festgelegt worden sind, die beschreiben, was von Mitgliedsvereinen erwartet wird. Deswegen haben wir vom Tierschutzbund die goldene Plakette bekommen, weil wir diese Vorgaben heute übererfüllen.“ 

Kerstin van Kan, Pressereferentin des Deutschen Tierschutzbund, bestätigt dies: „Die Tierheimplakette des Deutschen Tierschutzbundes bestätigt dem Tierheim, dass es nach den Prinzipien und der Tierheimordnung des Deutschen Tierschutzbundes arbeitet und damit auch gesetzliche Mindeststandards an Unterbringungsmöglichkeiten für Tiere übertrifft.“ 

Lage der Tierheime in Deutschland 

Kerstin van Kan beschreibt eine immense Belastung der Tierheime seit 2022, besonders durch Kostensteigerungen für Energie, Tierfutter, tierärztliche Behandlungen und Personal infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der Anpassung des Mindestlohns. Außerdem könnten sich viele Tierhalter:innen ihre Tiere nicht mehr leisten, sodass mehr Tiere abgegeben oder ausgesetzt werden. Viele Tierheime seien überfüllt und müssten Aufnahmestopps verhängen.

Sie meint: „Die Politik und die Verwaltung – aber auch die Gesellschaft insgesamt – haben sich bis jetzt wie selbstverständlich darauf verlassen, dass Tierheime gemeinnütziger Vereine Anlaufstellen für Tiere und Tierhalter in Not sind. Das aber kann angesichts der prekären Lage vielerorts kaum noch gewährleistet werden. Ursächlich für die missliche Lage vieler Tierheime ist auch die politische Ignoranz der letzten Jahre dem praktischen Tierschutz gegenüber.“ 

Martina Klausmann vom Landestierschutzverband Baden-Württemberg bestätigt die angespannte Lage der Tierheime, die bereits an den Grenzen ihrer Belastbarkeit arbeiten. Die meisten Tierschutzheime im Land werden von Tierschutzvereinen getragen und sind somit keine kommunalen Einrichtungen – so auch das Tierschutzheim in Konstanz. Sie finanzieren sich vorwiegend über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Veranstaltungen. Besonders problematisch sei, dass viele Tierheime die Kosten für kommunale Aufgaben, wie die Versorgung von Fundtieren, nicht vollständig erstattet bekommen.

Obwohl diese Aufgaben eigentlich von Städten und Gemeinden übernommen werden sollten, bleiben die Tierheime häufig auf den zusätzlichen Kosten von tierärztlicher Versorgung oder langfristiger Unterbringung sitzen. Mit den Tierschutzvereinen schließen die Kommunen in der Regel einen sogenannten Fundtiervertrag ab – leider oft mit unzureichenden Beträgen. 

Katzen kuscheln in Konstanz.

Hinzu kommt, dass der Großteil der Tiere in Tierheimen mittlerweile von Privatpersonen abgegeben werden und aufgrund ihrer Vorgeschichte lange im Tierheim bleiben, weil sie zum Beispiel durch negative Erlebnisse ein aggressives oder eingeschüchtertes Verhalten zeigen. Das erhöht den finanziellen Druck auf die Tierheime. Der Landestierschutzverband fordert ein Umdenken bei Bund, Ländern und Kommunen, um die finanzielle Sicherung der Tierheime durch mehr finanzielle Unterstützung zu ermöglichen. Die bisherigen Finanzierungsmodelle seien nicht mehr zeitgemäß und reichten nicht aus, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen. 

Die Finanzierung in Konstanz 

In Konstanz werden deswegen gerade einige Dinge verändert, erzählt Elena Oliveira, die Pressereferentin der Stadt Konstanz. Auch hier bestehe zwischen dem Tierschutzheim und dem Tierschutzverein Konstanz und der Stadt seit Anfang 2019 ein Fundtiervertrag. Dieser läuft Ende 2024 aus. Die Ausgestaltung des neuen Vertrags wird derzeit verhandelt. Das Tierschutzheim erhält von der Stadt aktuell 85.000 Euro als pauschale Entschädigung für die Übernahme der Aufnahme, Unterbringung und Pflege von Fundtieren, heimatlosen Tieren oder von der Stadt Konstanz oder der Polizei beschlagnahmten oder eingezogenen Tieren. 

Die Fraktion der Freien Grünen Liste und Grünen im Konstanzer Gemeinderat lud aktuell am 11. September 2024 ein, das örtliche Tierschutzheim zu besuchen und ins Gespräch zu kommen. Im Fokus des sogenannten „Grünen Tisch“ standen die aktuelle Finanzierungssituation der Einrichtung sowie Fragen des kommunalen Tierschutzes. Die Gemeinderätin Lisa Kreitmeier berichtet, es sei zu einem produktiven Austausch gekommen. Der deutsche Tierschutzverband fordere eine Dopplung der Zahlungen der Stadt, außerdem sei ein Mangel an Personal zur Betreuung der Tiere festgestellt worden. Von allen Seiten sei der Wunsch geäußert worden zukünftig auch weiterhin in engem Austausch zu stehen. 

Für die Betreuung der Tiere wird mehr Personal benötig.

Wie kann man helfen? 

Die Finanzierung sei ein großes Problem, erzählt Andrea Doll. Das Tierschutzheim in Konstanz finanziere sich hauptsächlich durch Spenden. Geldspenden seien besonders wertvoll, da sie flexibel eingesetzt werden können, um dringend benötigte Ressourcen abzudecken. Heidi Schätzle führt weiter aus: „Eine Sachspende hilft mir bei den horrenden Kosten des Tierarztes nicht viel weiter. Auch haben wir viele ältere Tiere, die spezielles Futter brauchen. Wir haben gerade ein neues Kaninchenhaus und ein kleines Außengehege gebaut. Da waren Geldspenden sehr hilfreich.“ Wer trotzdem mit Sachspenden statt Geld unterstützen möchte, könne jederzeit nachfragen, was das Tierschutzheim gerade benötige. 

Kurz bevor ich meine neu entdeckte Oase der Ruhe im Grünen verlasse, laufe ich noch einmal an den Hundegehegen vorbei. Eine Frau tut es mir gleich, lächelt mich an und sagt: „Toll, wie viel Auslauf die Tiere hier haben! So im Grünen und immer mit Gesellschaft. Ihnen fehlt es hier an nichts. Naja, bis auf eine Bezugsperson.“ 

Öffnungszeiten 

Dienstag: 14:00 – 16:00 Uhr 

Samstag: 14:00 – 16:00 Uhr 

Sonntag: 14:00 – 16:00 Uhr 

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