Wie ich durch Ferien am Bodensee zur Konstanzerin wurde

Als Touristin hat unsere Autorin den See kennen und lieben gelernt und sich deshalb für ein Studium in Konstanz entschieden. Wann fühlt man sich an einem Ort heimisch?
Das Foto zeigt die Autorin Livia am Bodensee.
Unsere Autorin Livia war als Kind oft mit ihren Eltern in Konstanz. Mittlerweile lebt und studiert sie hier. Foto: privat

Ich erinnere mich noch an Autofahrten über schwäbische Landstraßen, an all die reichen Apfelfelder, das glitzernde Wasser und natürlich: Kaktuseis. Jeden Sommer habe ich als Kind zwei Wochen in den Sommerferien bei meinen Großeltern auf dem Dorf im Landkreis Tuttlingen verbracht. Das größte Highlight jeden Besuches: Ausflüge zum Bodensee. Gut in Erinnerung habe ich noch den Affenberg in Salem, die Besichtigung der Pfahlbauten in Unteruhldingen, die traditionelle Schifffahrt über den kleinen Bodensee mit üblichem Stopp bei Capri, dem Italiener am Überlinger Hafen mit Pizza und Eis, und natürlich das Strandbad in Wallhausen. 

Meine Oma war schon immer eine geborene Köchin und Bäckerin. Für Familienfeste und Zusammenkünfte hat sie immer zahlreiche Kuchen und Torten gebacken, fürs Mittagessen einen Braten und dutzende Beilagen gekocht. Daher wundert es nur schwerlich, dass meine Oma für unsere Strandbadbesuche in Wallhausen auch immer gefühlt drei riesige Tiefkühltaschen mit lauter Leckereien dabei hatte. Von saftiger Wassermelone bis hin zu dick belegten Broten, Gurken und Tomaten aus heimischem Anbau, Äpfeln oder kleinen Salamis – sie hatte immer ein ganzes Schlaraffenland für diese Ausflüge dabei. Oh, und eine abgepackte Lyoner durfte natürlich auch nie fehlen! Ebenfalls eine kleine Tradition im Hause meiner Großeltern. 

Strandbad, Mainau, Kaktuseis

Ich erinnere mich noch daran, dass wir immer schon sehr früh losgefahren sind, um noch die besten Plätze – Park- und Sitzplatz auf der Wiese – zu ergattern. Außer uns waren vermutlich nur ein bis zwei Renter:innen so früh im Strandbad. Vor meinem inneren Auge sehe ich noch den kleinen asphaltierten Plattenweg, der vom Parkplatz und Kiosk runter zum See geführt hat. Links und rechts Wiese, der Spielplatz mit Schaukeln, ein paar Bäume und dann der Kiesstrand. Ich erinnere mich an die glitschige Steinrampe, die ins Wasser geführt hat, und wie ich, als ich noch wirklich klein war, blaue oder rosa Plastikbadeschuhe hatte, um mir die Füße nicht an den scharfen Steinen im Wasser aufzuschlagen. Und an das Kaktuseis vom Kiosk, das so schön auf der Zunge prickelte.

An Konstanz selbst habe ich noch wage einen Ausflug auf die Mainau im Kopf und ganz genau den Besuch im SEA LIFE. Ersteres verbinde ich in der Erinnerung immer mit der traditionellen Bootstour, auf die mein Opa selbst noch im hohen Alter bei meinen Besuchen nicht verzichten wollte. Zweiteres mit dem Hafen von Konstanz mit seinen Ausflugsschiffen und den Restaurant Hafenhalle und Steg 4, in dem ich ganz sicher eine Portion Nudeln mit Garnelen gegessen habe. Nicht zu vergessen die Fische im SEA LIFE und das ein oder andere Kuscheltier, für das ich meine Oma ziemlich sicher lang bequatscht habe. Auf dem Rückweg haben wir immer noch Bodensee-Äpfel gekauft. Den Geschmack des saftigen Obstes vergesse ich so schnell nicht. 

Die Sommer mit meinen Großeltern am Bodensee haben mich definitiv beeinflusst, als Studentin wieder zurückzukommen. Meinen Bachelor habe ich noch in Bamberg, in Heimatnähe gemacht, wollte aber für den Master nochmal weg. Die universitäre Entscheidung war auch eher zweitrangig, wenn ich so darüber nachdenke. 

Da sind vor allem die Erinnerungen an meine Großeltern, der Wunsch, ihnen ein bisschen näher zu sein, der Gedanke an die Unbeschwertheit am See, die Natur. Aber auch dieses Gefühl im Sommer, als würde die Zeit einfach stillstehen. 

Dieses Gefühl habe ich auch heute noch, wenn ich auf den See hinausschaue oder auf einer Decke am Hörnle sitze. Die Welt um einen herum mit ihren Krisen wirkt dann auf einmal weit weg, die eigenen Sorgen für einen Moment vergessen. Es wirkt beruhigend.

Ständig auf Entdeckungstour

Mein Konstanz besteht mittlerweile nicht mehr nur aus Uferpromenade, dem SEA LIFE und Ausflugsschiffen. Das, was ich damals von Konstanz gesehen habe, waren natürlich die typischen Touri-Ecken. Als Einheimische bin ich zumindest insoweit angekommen, als dass ich mittlerweile den Samstagseinkauf und im Sommer den Hafen versuche zu vermeiden. Kleiner Scherz am Rande. Aber mal im Ernst: Ich wohne seit fast drei Jahren hier und kann (auch nach unzähligen Besuchen von Familienmitgliedern) auch jetzt noch bestätigen, dass man immer noch etwas Neues entdecken kann. Von frischem Obst und Gemüse der unzähligen Wochenmärkte, einem grandiosen Schokoladenkuchen in schnuckeligen kleinen Cafés in der Altstadt, einem Ausflug zum Haettelihof oder dem Blick über Konstanz vom Bismarckturm. Dankbar bin ich für die lauen Sommernächte in der Schmugglerbucht und – dem Segelführerschein meines Freundes sei Dank – den ein oder anderen Ausflug mit Segelboot über den Bodensee. 

Konstanz bedeutet für mich zu Hause. Ich habe hier mein soziales Umfeld, meine Freund:innen – eine habe ich sogar sozusagen aus Bamberg mit hierher gebracht; meine Redaktion (des Studierendenmagazins Campuls), meine Arbeit am Zukunftskolleg an der Universität. Ich bin mit meinem Freund in eine gemeinsame Wohnung gezogen und habe damit auch schon Routinen und kleine Traditionen entwickelt.

Ich habe mittlerweile so etwas wie eine Stammbar und habe durch eine Menge Recherchen für Campuls so viele wunderbare Menschen, Organisationen und Institutionen in Konstanz kennengelernt, die mich der Stadt ein ganzes Stück näher gebracht haben.

So nah, wie ich es anfangs zu meinem Studium während der Corona-Pandemie schon gar nicht mehr für möglich gehalten hatte. Die Lebensqualität in Konstanz ist es definitiv wert, darüber nachzudenken, auch nach dem Studium noch ein bisschen hier zu verweilen – vor allem, wenn die Gegend bessere Berufsperspektiven für mich hätte und die Mieten nicht so hoch wären …

Meine Oma ist gestorben, als ich 16 Jahre alt war. Mit meinem Opa bin ich trotzdem noch jedes Jahr zum Bodensee aufgebrochen, um eine Schifffahrt zur Mainau zu unternehmen. Das war unser Ritual. Seit drei Jahren bewahre ich nun alleine die Erinnerungen. Ich war zwar lange nicht mehr im Strandbad in Wallhausen und esse auch kein Kaktuseis mehr. Aber ich sitze noch immer gerne in der Sonne auf einer Bank am See, schaue den Vögeln im Wasser zu – und den Schiffen beim Ein- und Ausfahren am Hafen.