- Konstanz plant bis 2035 rund 7.900 neue Wohnungen zu schaffen, um der steigenden Wohnraumknappheit zu begegnen.
- Das Handlungsprogramm Wohnen, seit 2014 in Kraft, zielt auf die qualitative und quantitative Verbesserung des Wohnraums, unterstützt durch empirische Studien.
- Der soziale Wohnungsbau wird gefördert, mit 30 Prozent der Neubauten für Menschen mit mittlerem und niedrigem Einkommen.
- Der Fokus liegt auf der Entwicklung sozial durchmischter Quartiere und der Unterstützung von Genossenschaften.
- Zentrale Projekte wie das Wohnquartier „Hafner“ sollen bis 2027 realisiert werden, stehen jedoch vor Herausforderungen wie steigenden Baukosten.
- Trotz positiver Bilanz seit 2014 bleibt der Wohnungsmarkt angespannt, besonders durch Zuwanderung und steigende Kosten.
Konstanz gehört zu den Städten in Deutschland, die besonders stark von einer zunehmenden Wohnungsknappheit betroffen sind. Bereits 2014 hat der Gemeinderat deshalb das „Handlungsprogramm Wohnen“ beschlossen, um sowohl die Quantität als auch die Qualität des Wohnraums gezielt zu steigern. Doch die aktuelle Baukrise, steigende Zinsen und knappe Fördermittel stellen die Stadtverwaltung vor unerwartete Herausforderungen. Ein Blick auf das umfangreiche Programm und seine bisherigen Ergebnisse zeigt, wie der Wohnungsmarkt in Konstanz langfristig entlastet werden soll.
Die Ursprünge des Programms
Das Handlungsprogramm Wohnen wurde 2014 gestartet und basiert auf empirischen Studien, die den Wohnraumbedarf für die kommenden Jahre berechnet haben. Um den Bedarf an Wohnraum zu decken, sollen über 40 Planungsgebiete im Innen- und Außenbereich der Stadt entwickelt und realisiert werden, die sich über das gesamte Stadtgebiet verteilen. Vor allem die zunehmende Attraktivität von Städten wie Konstanz als so genannte Schwarmstädte hat zu einer deutlichen Steigerung der Nachfrage nach Wohnraum geführt.
„Schwarmstädte“ sind Städte, die besonders attraktiv für junge Menschen zwischen 20 und 35 Jahren sind und deshalb Zuwanderung erleben. Bei Konstanz hat das unter anderem mit der Lage am Bodensee, der hohen Lebensqualität, dem vielfältigen kulturellen Angebot, den wirtschaftlichen Chancen und den guten Bildungsmöglichkeiten anhand der verschiedenen Hochschulen und der Universität zu begründen.
„Uns war es wichtig, nicht nur die richtige Anzahl an Wohnungen zu bauen, sondern auch die richtigen Wohnungen – also für die richtigen Zielgruppen wie Familien oder Seniorinnen und Senioren, und auch mit Blick auf unterschiedliche Einkommensgruppen“, erklärt Marion Klose, Leiterin des Amts für Stadtplanung und Umwelt. Der Ansatz besteht aus zwei Handlungsfeldern: Dem rein zahlenmäßigen Bedarf an Wohnungen und und dem Blick darauf, welche Wohnformen für welche sozialen Gruppen geeignet sind. Das Motto: „Smart wachsen – Qualität statt Quadratmeter“.
Knapp 8.000 Wohnungen bis 2035
Das Handlungsprogramm sieht den Bau von insgesamt 7.900 neuen Wohnungen zwischen 2016 und 2035 vor. Die Zielgrößen für die Preissegmente sind: ein Viertel unteres Segment (2.000 Wohneinheiten), Hälfte mittleres Segment (3.900 Wohneinheiten), ein Viertel oberes Segment (2.000 Wohneinheiten). Besonderer Wert wird auf eine soziale Durchmischung der Quartiere gelegt.
„In allen Gebieten wird die Zielgruppenbindung berücksichtigt“, so Abteilungsleiterin Mechthild Kreis.
Das bedeutet, dass in jedem Neubaugebiet mindestens 30 Prozent der Wohnungen geförderter Wohnraum sein müssen, der insbesondere für Menschen mit mittlerem und niedrigem Einkommen gedacht ist. Das Handlungsprogramm Wohnen beinhaltet damit das sogenannte „Konstanzer Modell zur Baulandmobilisierung“. Besitzt die Stadt in einem Gebiet keine eigenen Grundstücke, werden Investor:innen vertraglich verpflichtet, Wohnungen für die jeweilige Zielgruppe zu errichten. Aktuell geschieht dies auf einer der größten Baustellen in Konstanz: der Sanierung des Telekomgebäudes und dem umgebenden Areal.
Im Hochhaus werden teure Eigentumswohnungen angeboten, was in scheinbarem Widerspruch steht zu bezahlbarem Wohnraum. Marion Klose: „Wir haben auf der einen Seite die kostenintensive Sanierung des Hochhauses, die es kaum möglich macht, dort günstigen Wohnraum anzubieten. Deshalb wurde mit dem Investor ausgehandelt, dass im angrenzenden Areal, dem Telekomareal, 30 Prozent Sozialwohnungen entstehen – und ein Kindergarten.“ Das Ziel: eine Durchmischung der Bevölkerung und die Vermeidung einer sogenannten Ghettoisierung, sowohl der sehr Reichen als auch der sehr Armen.
Das ehrgeizige Ziel des Handlungsprogramms: 300 bis 400 neue Wohnungen pro Jahr. Zwischen 2014 und 2023 sind knapp 3.000 neue Wohnungen entstanden. Der soziale Wohnungsbau gilt heute nicht mehr als „soziale Notlösung“. Die Einkommensgrenzen für den geförderten Wohnungsbau wurden stark angehoben, sodass mittlerweile weite Teile der Gesellschaft, darunter auch viele städtische Mitarbeiter:innen, Anspruch darauf haben.
Werden die notwendigen Neubauwohnungen nicht gebaut, können sich folgende Konsequenzen ergeben (Quelle: Stadt Konstanz):
- Die Preise werden deutlich weiter steigen,
- Wohnungssuchende weichen ins Umland aus – davon werden vor allem Familien betroffen sein,
- Dabei verdrängt die Zunahme des überregionalen Zuzugs wohlhabender Haushalte die Konstanzer Bewohner:innen ins Umland,
- Vor allem Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen finden keine Wohnung in Konstanz,
- Die Sozialstruktur „entmischt“ sich: das Mittelfeld geht verloren,
- Gefahr der Abwanderung von Wirtschaftsunternehmen wegen des ungünstigen Verhältnisses der Einkommen zu den Wohnkosten.
Ein weiterer wichtiger Baustein des Programms ist die Unterstützung von Wohnprojekten, die gemeinschaftliches Bauen und Wohnen fördern. Genossenschaften und Baugruppen werden gezielt dabei unterstützt, eigene Wohnkonzepte in städtischen Gebieten umzusetzen. Ein Beispiel ist das Modellquartier „Am Horn“, in dem 100 Prozent der Wohnungen für Genossenschaften und Baugruppen vorgesehen sind.
„Es geht uns darum, nicht nur Wohnungen zu schaffen, sondern Quartiere, in denen die Menschen gerne leben. Wohnen ist immer auch Stadtentwicklung – es sollten Nachbarschaften entstehen, die sich gegenseitig stärken“, so Klose.
Mammutprojekt Hafner
Ein zentrales Zukunftsprojekt ist das Gebiet „Hafner“, das größte neue Wohnquartier in Konstanz. Mehr als 3.000 neue Wohnungen und 15 Hektar Gewerbeflächen sollen hier entstehen, dazu fünf Kindertagesstätten, eine Grund- und eine weiterführende Schule sowie mehrere Sportanlagen. Der Hafner ist zugleich ein Symbol für die Herausforderungen, die der Wohnungsbau in der Stadt mit sich bringt: Hohe Grundstückspreise, beengte Platzverhältnisse und ökologische Anforderungen erfordern innovative Lösungen. Das verbindende Motto: „Heimat Hafner – Gemeinsam Stadt gestalten“.
„Der Hafner war schon immer Teil unseres Flächennutzungsplans. Es ist ein Schlüsselprojekt, das die Entwicklung von Konstanz für die nächsten Jahrzehnte prägen wird“, erklärt Mechthild Kreis. Dabei spielt die Verbindung von Wohnen und nachhaltigem Bauen eine besondere Rolle. So wird unter anderem der Einsatz von Holz als Baustoff erprobt, um den ökologischen Fußabdruck des Quartiers zu minimieren. Der Zeitplan sieht vor, 2026 mit den Tiefbauarbeiten und 2027 mit den Hochbauarbeiten zu beginnen. Eigentümergespräche, Grunderwerb sowie Beteiligungs- und Informationsformate finden fortwährend statt.
Die Baukrise – und ihre Folgen
Trotz dieser ehrgeizigen Pläne steht der Wohnungsbau in Konstanz vor großen Herausforderungen. Steigende Zinsen, Baukosten und knappe Fördermittel von Land und Bund machen es immer schwieriger, geplante Projekte zu realisieren. „Wir stecken in einer Baukrise“, hält Marion Klose, Leiterin des Amts für Stadtplanung und Umwelt, fest.
„Viele Planungen von Projekten laufen weiter, aber die Bedingungen für die Realisierung sind derzeit sehr schwierig.“
Mit anderen Worten: Es ist nicht auszuschließen, dass die Umsetzung des Handlungsprogramms deutlich länger dauern wird als geplant. Im September 2023 erschien ein Positionspapier zur „aktuellen dramatischen Wohnungsbaukrise“, in dem davon die Rede ist, dass sich die Zinsen seit 2022 vervierfacht hätten und die Baukosten allein im Jahr 2022 um 16 Prozent gestiegen seien. Gleichzeitig seien die Fördermittel für den geförderten Wohnbau nur um zwei Prozent gestiegen. Dies mache es unmöglich, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Die Nachfrage werde sich in den nächsten Jahren sogar noch verschärfen, heißt es in dem Positionspapier. So würden jährlich tausende Konstanzer Arbeitnehmer:innen aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand gehen und ihre Stellen müssten neu besetzt werden. Das führe zu mehr Zuzügler:innen, die eine neue Wohnung bräuchten.
Schlimmstenfalls drohe eine Verschärfung der sozialen Konkurrenz, der Vielfalt und ein Rückgang der sozialen Gerechtigkeit, meinen die Unterzeichner:innen des Bündnisses für Wohnen, zu denen auch die WOBAK und das Studierendenwerk „Seezeit“ gehören. Der Appell: Bund und Land müssten jetzt reagieren. „Es herrscht eine große Verunsicherung“, sagt Stadtplanerin Kreis. Das Thema Wohnen habe direkte Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft, auf Schulen und Kindergärten. Es ziehe sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen.
Mit Blick auf die vergangenen fünf Jahre sagt sie: „Wir haben nach wie vor einen angespannten Wohnungsmarkt. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir eine hohe Zuwanderung haben. Gerade mit Blick auf die Geflüchteten, die hier ankommen, war uns wichtig, die zusätzlichen Wohnungsbedarfe on top zu schaffen und nichgt integriert in das bestehende Handlungsprogramm. Wir wollen hier gezielt keine Konkurrenz.“
Sie spricht von rund 3.400 Geflüchteten in Konstanz, bei einer Einwohner:innenzahl von mehr als 87.000. Die größte Gruppe der Geflüchteten kommt derzeit aus der Ukraine. Hinzu kommen steigende Baukosten und begrenzte Förderprogramme von Bund und Land. Grundsätzlich hält die Stadt an ihrem Ziel fest, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die Wohnungsbauziele zu erreichen. Denn der Bedarf ist nach wie vor groß.
Fazit: Auf halbem Weg
Dem Stammtischspruch, dass alle Ukrainer:innen eine neue Wohnung bekommen und die Alteingesessenen das Nachsehen haben, widersprechen die beiden Stadtplanerinnen vehement. Diese seien oft in einer der zehn Notunterkünfte untergebracht und müssten schon daher gesondert betrachtet werden. Insgesamt zieht die Stadt zehn Jahre nach dem Start des Handlungsprogramms eine positive Zwischenbilanz.
„In die Umsetzung des Handlungsprogramms ist seit 2014 viel Energie geflossen. Wenn ich mir die Zahl der Planungsgebiete anschaue, sind wir mit den zwölf realisierten und 21 in der Planung und Umsetzung befindlichen Baugebieten ein gutes Stück vorangekommen“, erklärt Abteilungsleiterin Kreis. Das heißt, die planerischen Grundlagen für den Bau von 7.900 Wohnungen sind geschaffen und einige Projekte wurden bereits erfolgreich umgesetzt.
„Der wichtigste Schritt war, dass wir das Handlungsprogramm Wohnen überhaupt im Gemeinderat beschlossen haben – es gibt noch heute Städte, die kein vergleichbares Programm haben.“
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