Viktors kleiner Bruder hat keinen Kitaplatz bekommen. Lyonels Mutter ist Erzieherin und oft am Limit. Die Betreuungssituation endet nicht bei kleinen Kindern. Auch Jugendliche bemerken in ihrem direkten Umfeld, dass es nicht genügend Kitaplätze gibt und der Beruf als Erzieher:in nicht mehr attraktiv ist.
Im Gemeinschaftskundeunterricht der Klasse 8c vom Heinrich-Suso-Gymnasium hat karla die Situation besprochen und ein Stimmungsbild eingefangen. Es ging nicht nur darum, den Jugendlichen einen Einblick in die aktuelle Betreuungssituation zu geben, sondern auch, unserem Anspruch der Medienbildung nachzukommen. Das bedeutet: Wir wollen Journalismus erklären. Damit klar wird, weshalb er so wichtig für die Gesellschaft ist. So hoffen wir, das Verständnis für guten Journalismus langfristig zu sichern und auch unsere Demokratie zu stärken.
Die Meinung der Klasse 8c ist ziemlich eindeutig: Sie finden, dass der Kindergarten eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Kindern spielt und dass jedes Kind einen Platz haben sollte. „Im Kindergarten lernt man soziale Interaktion mit anderen Kindern. Und man hat Zugang zu Bildung“, sagt Franzi. „Ich habe immer noch ganz enge Freundinnen aus der Kindergartenzeit“, sagt Tea und unterstützt Franzi in ihrer Aussage.
Bei der Frage, ob die Verantwortung für die Kinderbetreuung die Familie trägt, teilen sich die Geister. Yasin sagt: „Naja, irgendwie haben ja beide Verantwortung. Also die Eltern und auch die Stadt. Die müssen sich das aufteilen. Die Betreuung muss über die Stadt gehen, aber die Eltern müssen ihre Kinder anmelden.“
In einer Präsentation haben wir den Kindern die aktuelle Situation beschrieben. Kurz: 778 Kinder in Konstanz ohne Kitaplatz, zu wenig Erzieher:innen, fehlende Infrastruktur und eine dramatische Erhöhung der Gebühren. Das gab den Kindern das nötige Hintergrundwissen für die Gruppenarbeit, in der sie mit journalistischen Skills ihren Klassenkamerad:innen Informationen entlockten.
Als Hilfestellung haben wir Fragen für die Jugendlichen vorbereitet und ihnen erklärt, wie ein Interview funktioniert. Ein:e Schüler:in sollte mitschreiben, um die Informationen ihrer Kamerad:innen zu notieren und im Anschluss zu präsentieren.
So blicken die Jugendlichen auf die Kita-Krise
Lyonel (14): „Unsere Gruppe hatte das Thema, was die Betreuungssituation für Kinder bedeutet. Kinder wünschen sich, mit anderen spielen zu können, weil sozialer Kontakt wichtig ist. Wenn es zu wenig Kitaplätze gibt, werden sie weniger erzogen, haben dann immer nur Kontakt mit Erwachsenen oder sie sind allein, weil die Eltern arbeiten müssen.“
Johann (13): „Wir hatten das gleiche Thema und wir finden aber, dass nicht der Wunsch, mit anderen Kindern zu spielen, das größte Problem ist. Kinder zum Spielen gibt es genug, aber nicht genügend Betreuungsplätze.“
Robert (13) und Yasin (14): „Wir haben uns mit dem Beruf der Erzieher beschäftigt und sehen das so, dass es ihnen eigentlich gut geht, weil sie einen Beruf ausüben, der der ganzen Gesellschaft guttut. Sie haben also ein gutes Gewissen. Aber es geht ihnen auch schlecht, weil sie zu wenig Geld bekommen. Das ist nicht cool. Außerdem sind sie oft krank, weil sie sich immer bei den Kindern anstecken.“
Erzieher:innen bekommen zu wenig Anerkennung
Juli (13) fügt hinzu: „Wir hatten das Thema auch und glauben, dass Erzieher zu wenig Anerkennung in der Gesellschaft bekommen. Der Job mit Kindern ist ja auch anstrengend.“
Viktor (14): „Also wir haben die Perspektive der Eltern eingenommen und finden schon, dass das alles schwierig ist. Wenn Schulstunden ausfallen, müssen die Eltern im Notfall eben selbst auf die Kinder aufpassen. Auch wenn sie krank sind, müssen sie zu Hause bleiben oder, vor allem bei kleinen Kindern, ihre Arbeit absagen. Das stresst die Eltern!“
Adrian (13) und Julia (14): „Wenn ihre Kinder krank sind, können sie sich selbst anstecken und nicht zur Arbeit. Und man muss ja auch bedenken, dass Arzttermine und Medikamente echt teuer sind.“
Was die Jugendlichen bewegt
Robert wünscht sich, dass Erzieher:innen mehr verdienen. Adrian ist dafür, dass die Kitaplätze nicht so teuer sein dürfen. Als wir der Klasse die Preise für einen Kitaplatz mit der neuen Erhöhung von 25 Prozent vorrechnen, müssen einige schlucken. Isabella findet, dass jedes Kind einen Platz bekommen sollte, und Franzi meint, dass eine medizinische Versorgung für Erzieher:innen gewährleistet sein muss. Lyonel wünscht sich mehr Kindergärten und Adrian sagt noch einmal zum Schluss: „Die Stadt soll mehr machen. Sie kann nämlich. Aber sie will nicht.“
Adrians Aussage kommt spontan, zeigt aber deutlich, wie die Jugendlichen die Situation wahrnehmen. Sie verstehen auch außerhalb der Betreuungskrise einige Entscheidungen der Stadt nicht. Beispielsweise die Bebauung des Sportplatzes am Suso mit einer Halle. „Der Sportplatz ist so schön, im Sommer ist das so cool da draußen. Was wollen wir mit einer Halle?“, fragt Viktor.
Johann ärgert sich über zwei dm-Filialen in der Stadt und sagt: „Das alte Kino war viel besser.“ „Männer und Frauen sollten gleich viel verdienen, damit der Mann bei den Kindern bleiben kann und die Frau arbeitet“, spricht sich Franziska aus und bekommt zustimmendes Murmeln aus der Klasse. Man bekommt das Gefühl, dass sie sich freuen, in Form dieser Schulstunde und der Berichterstattung Gehör zu finden.
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