„Von einem auf den anderen Tag ist der Azubi weg.“

Der Fall von Alieu Ceesay bewegt Konstanz. Doch die Abschiebung eines Geflüchteten in Ausbildung ist kein Einzelfall. Wie kann das sein? Dazu haben wir mit Ines Rimmele, Migrationsbeauftragte der Handwerkskammer Konstanz, gesprochen.

Alieu Ceesay soll aus Konstanz abgeschoben werden. Gestern haben sich hunderte Konstanzer:innen auf der Marktstätte zu einer Demo gegen seine Abschiebung getroffen. Auf einem Schild standen auch die Worte: „Keine Abschiebung von Azubis. Alieu Ceesay soll bleiben.“ Denn die Abschiebung von Alieu Ceesay droht, obwohl er mit seiner Ausbildung als Klempner 2022 den Schritt in den deutschen Arbeitsmarkt geschafft hat.

Viele Menschen haben am Montagabend gegen die Abschiebung von Alieu Ceesay demonstriert. Foto: Sophie Tichonenko

Damit ist der 25-Jährige aus Gambia einer von 42 Geflüchteten im Landkreis Konstanz, die im vergangenen Jahr eine Ausbildung begonnen haben. Doch was bringt der Beginn einer Ausbildung, wenn sie nicht beendet werden kann? Dazu haben wir mit Ines Rimmele, Migrationsbeauftragte der Handwerkskammer Konstanz gesprochen.

Das Bild zeigt Ines Rimmele
Ines Rimmele von der Handwerkskammer Konstanz.

karla: Frau Rimmele, was heißt es für einen Betrieb, wenn ein Auszubildender während der Ausbildung abgeschoben wird?

Ines Rimmele: Der Verlust eines Azubis ist schon ganz grundsätzlich immer eine Belastung für den Betrieb. Das gilt auch für andere Gründe die ein Ausbildungsverhältnis beenden können – die Abschiebung ist allerdings natürlich besonders drastisch, da sie sich jeglicher Planung entzieht. Von einem auf den anderen Tag ist der Azubi weg – obwohl man ihn in der betrieblichen Praxis eingeplant hat. Alles was an Engagement in Sachen Ausbildung und damit zusammenhängend auch immer in Sachen Integration erreicht worden ist, ist auf einen Schlag umsonst. Betriebe bilden vor allem aus, weil sie die zukünftigen Fachkräfte dringend benötigen – auch für Herrn Ceesay wäre nach Ablegen der Gesellenprüfung ein Arbeitsplatz bei seinem Ausbildungsbetrieb wahrscheinlich gewesen. Seine Abschiebung reißt also ein Loch in die langfristige Personalplanung des Betriebes – die bei der angespannten Lage des deutschen Arbeitsmarktes sowieso schon schwierig ist.

Alieu Ceesay, genannt Alex, soll nach Gambia abgeschoben werden. Foto: Theater Konstanz

karla: Welche Auswirkungen wiederum hat das für den:die Auszubildende:n?

Ines Rimmele: Die Abschiebung ins Heimatland, nachdem man in der BRD schon so viele Jahre ein „neues Leben“ aufzubauen versucht hat, ist in ihrer Tragweite deutlich drastischer als „nur“ der Verlust des Ausbildungsplatzes. Existentielle Sorgen stehen hier sicherlich im Vordergrund.

karla: Wie beurteilen Sie, dass eine Ausbildung per se in Deutschland kein Grund ist, der gegen eine Abschiebung spricht?

Ines Rimmele: Die duale Ausbildung ist in Deutschland ein Grund, der gegen eine Abschiebung spricht – soweit die Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung vorliegen. Teil dieser Voraussetzungen ist allerdings auch, dass der Geduldete sich in Deutschland nicht strafbar gemacht hat – hier gibt es vom Gesetz zwingend vorgegebene Erheblichkeitsgrenzen. Sind diese aufgrund eines rechtskräftigen Urteils überschritten, dann darf keine Ausbildungsduldung erteilt werden. 

karla: Wie häufig kommt eine Abschiebung von Geflüchteten in Ausbildung oder in Beschäftigung im Gebiet der Handwerkskammer Konstanz vor?

Ines Rimmele: Die Ausbildung ist ein deutlich schwerwiegenderer Grund für eine längerfristige Duldung als eine Beschäftigung im Handwerk. Für letzteren Fall gibt es zwar auch eine gesetzliche Bestimmung, die sogenannte „Beschäftigungsduldung“ – ihre Voraussetzungen sind aber deutlich höher als die der Ausbildungsduldung. Eine Strafbarkeit wie oben schließt aber auch eine Beschäftigungsduldung aus. Unser Appell an den Gesetzgeber, auch Menschen die „nur“ eine Beschäftigung im Handwerk haben eine längerfristige Perspektive zu bieten, wurde bislang nicht gehört. Abschiebungen erleben wir dort, wo die Voraussetzungen beider Normen nicht erfüllt werden. Das kommt bei „nur“ Beschäftigten selten vor, bei Auszubildenden noch seltener. 

karla: Welche Faktoren sind ihrer Meinung nach dafür entscheidend?

Ines Rimmele: Dass Abschiebungen aus der Ausbildung passieren, kann nur multifaktoriell erklärt werden. Migrationsrecht ist kompliziert und bei geduldeten Menschen handelt es sich erstmal um Personen, die KEIN Bleiberecht in Deutschland haben. Behördenseitig erfolgt für diese Fallgruppe keine Unterstützung bei der Arbeitsmarktintegration, da eine Aufenthaltsverfestigung nicht gewünscht ist. Dazu kommen die gesetzlichen Voraussetzungen, an denen kein Weg vorbeigeht. Dass geduldete Menschen, die hier im erheblichen Maß straffällig werden, keine Chance auf eine Bleibeperspektive haben, halten wir nicht für verwerflich. Sicherlich bedarf es hier Augenmaß – das hat der Gesetzgeber aber bei Einführung der Strafbarkeits-Schwellen (s.o. 50 Tagessätzen/ 90 Tagessätzen) gesehen. 

Das Foto zeigt Kateryna Danylyshyna in der Kita am Grenzbach

Irgendwann integriert im Arbeitsmarkt

Mehrere tausend Geflüchtete wollen im Landkreis neu anfangen. Damit das gelingt, ist der Einstieg in einen neuen Job entscheidend. Gleichzeitig suchen Betriebe händeringend nach Fachkräften. Doch der Einstieg in den Job gestaltet sich oft schwieriger, als es Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen lieb ist.

karla: Was unternimmt die Handwerkskammer in solchen Fällen?

Ines Rimmele: Zunächst bietet die Handwerkskammer Konstanz für Betriebe und geflüchtete/zugewanderte Menschen eine migrationsrechtliche Beratung und Begleitung durch eine Volljuristin an – so auch in diesem Fall. Darüber hinaus setzt sich die Handwerkskammer Konstanz, wenn die gesetzlichen Vorgaben für Ausbildungsduldungen (oder sogar Aufenthaltserlaubnisse) vorliegen, auch politisch, ein. Dies ist vom Entscheidungsträger der Handwerkskammer Konstanz, der Vollversammmlung der Handwerkskammer Konstanz, durch Beschlussfassung klar kommuniziert. Wer im Handwerk arbeitet oder eine Ausbildung macht und sich sonst an die gesetzlichen Vorgaben hält, soll eine Perspektive in der BRD erhalten. Gerade kürzlich konnte so für einen geduldeten Geflüchteten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund des neu geschaffenen „Chancenaufenthaltsrechtes“ gelingen. Hier wurde von der Handwerkskammer Konstanz ein Härtefallantrag an die Härtefallkommission beim Justizministerium verfasst, es erfolgte Pressearbeit und es wurde mit den Behörden verhandelt. Auch aus der Politik kam auf die Anfrage aus unserem Haus Unterstützung. Unterstützung kann aber nur dort erfolgen, wo sich auch der geduldete Geflüchtete rechtstreu verhält – denn an die gesetzlichen Vorgaben ist die Handwerkskammer Konstanz als Körperschaft des öffentlichen Rechts ebenso gebunden, wie alle anderen Akteure in diesem Themenbereich.