Im Zweifel gegen den Klimaschutz

Bei der Suche nach einem neuen Lieferanten für das Mittagessen in den Kitas senkt die Stadt die Anforderungen für Klimaschutz und Tierwohl. Aus Sorge, sonst gar keinen Bewerber zu finden.
Das Foto zeigt zwei Kinder beim essen in einer Kita. Eines der Kinder hält zwei Gurkenscheiben in der Hand.
Gute Kita = gutes Essen? Am Mittwoch starten die Beratungen über die künftigen Ausgaben für die Mittagessen in den städtischen Kitas. Bild: Canva

Wie viel ist uns gutes Essen in unseren Kitas wert? Diese Frage müssen Konstanzer Stadträt:innen regelmäßig beantworten. Die Ausschreibung zur Vergabe des Mittagessens in den städtischen Kitas erfolgt vertragsgemäß nach zwei, maximal nach vier Jahren der Vertragslaufzeit. Jetzt ist es wieder so weit.

Ab September soll ein neuer Lieferant übernehmen, am kommenden Mittwoch diskutiert der städtische Jugendhilfeausschuss, zu welchen Bedingungen das möglich ist. Insgesamt 1,6 Millionen Euro zahlt die Stadt an den neuen Mittagessenlieferanten für die kommenden vier Jahre. (mehr zu den allgemeinen Kritieren für Vergabe und Auswahl von Kitaessen gibt es hier). Die freien Kita-Träger sind hiervon übrigens nicht betroffen, sie entscheiden eigenständig über die Verpflegung in ihren Einrichtungen. Zur Einordnung: In Konstanz gibt es 56 Kindertagesstätten, von denen 11 in städtischer Trägerschaft sind. Neben der Stadt gibt es 18 weitere Träger.

Schon jetzt deutet sich an – es wird wohl einen Kompromiss brauchen, um überhaupt einen geeigneten und bezahlbaren Anbieter für die städtischen Kitas zu finden. Auf Kosten des Klimaschutzes und des Tierwohls. Denn: An den eigentlich in der Klimaschutzstrategie der Stadt festgehaltenen Vorgaben, die ein Caterer jetzt erfüllen muss, wurden „Abstriche vorgenommen“, wie es in der öffentlichen Sitzungsvorlage heißt.

Abstriche bei der Haltungsform der Tiere

Auf Nachfrage von karla erläutert die städtische Pressestelle, was genau mit diesen Abstrichen gemeint ist. „Es wurden Zugeständnisse bezüglich der Haltungsform der Tiere, der Haltungsform von Hühnerprodukten und der Bewertungskriterien zur Anlieferung gemacht. Es wurde die angewandte Labelvielfalt ausgeweitet und auch der Anteil von veganen und vegetarischen Menüs ist zugunsten vegetarischer Menüs verändert worden.“

Dies sei notwendig geworden „aufgrund der Erfahrungswerte aus anderen Ämtern der Konstanzer Stadtverwaltung sowie von anderen Kommunen, die vor den gleichen Herausforderungen standen, genügend bzw. überhaupt Bewerbungen/Angebote auf die Ausschreibung zu erhalten und gleichzeitig den Klimaschutz entsprechend zu berücksichtigen“, erklärt die Pressestelle weiter.

Mehr vegetarische, weniger vegane Kost

Tatsächlich zeigt das Beispiel ganz gut, an welche Herausforderungen Städte bisweilen stoßen, wenn sie heute Klimaschutz und Daseinsfürsorge in Einklang bringen wollen: Es ist meistens komplizierter als es klingt. Dazu beeinflussen die aktuellen Krisen auch hier kommunalpolitische Entscheidungen: Die Ausschreibungsphase sei von einer massiven Teuerung im Bereich Energie und Lebensmittel überlagert gewesen (Inflationsrate binnen Jahresfrist bei Obst 6,2 Prozent und bei Gemüse 13,7 Prozent – Stand April 2023), die weiter anhalte, erklärt das städtische Sozial- und Jugendamt (SJA) in der Ausschussvorlage.

Auf die Ausschreibung hat sich nun offenbar ein Bieter mit seinem Angebot beworben, der alle städtischen Kitas beliefern möchte. Er verlangt allerdings mehr Geld pro Mittagessen, als bislang eigentlich vorgesehen ist: 5 Euro statt 4,50 Euro. Eine mögliche Konsequenz daraus könnte sein, dass Eltern mehr Geld für das Mittagessen bezahlen müssten als bislang. Derzeit zahlen sie 90 Euro im Monat pauschal für das Mittagessen in den Kitas. Eine Kostendeckung der erhöhten Preise wäre erst ab 100 Euro im Monat gegeben.

Eltern sollen nicht weiter belastet werden

Aber genau das will die Stadtverwaltung vermeiden: „Das würde in der jetzigen angespannten Situation vieler Familien auch vor dem Hintergrund der Diskussion um die Erhöhung der Elternkostenbeiträge allgemein zu erheblicher Unruhe in der Elternschaft führen. Darüber hinaus könnten sozial benachteiligte Kinder vom Angebot eines warmen Essens abgeschnitten werden, weil die Eltern das nicht zahlen können oder wollen und die Kinder früher und ohne Essen abholen“, schreibt das SJA in der Sitzungsvorlage.

Denkbar wäre auch, die Ausschreibung zu wiederholen. Davon hält das SJA offenbar ebenfalls wenig. Eine neuerliche Ausschreibung mit einer eingezogenen Preisgrenze berge „die Gefahr, dass sich kein Bieter finden lässt, zumal nach dem Austausch mit dem bisherigen Caterer die Summe von 4,50 € für den Inflationsausgleich in der Zukunft nicht ausreicht“, schreibt das Amt.

Stattdessen schlägt das SJA vor, dass die Stadt die zusätzlichen Kosten übernehmen soll: 16.700 Euro für September bis Dezember 2023 (pro Monat: 4.175 Euro) und ab 2024 fortlaufend jährlich 50.100 Euro. Am Mittwoch berät der Jugendhilfeausschuss erstmals öffentlich dazu. Die endgültige Entscheidung trifft der Gemeinderat in seiner Juli-Sitzung.