Im Juli 2022 hatte der Gemeinderat entschieden: Der Klimaschutz in Konstanz soll neu organisiert werden. Seiner Wichtigkeit entsprechend. Er bekommt ein eigenes Amt unterhalb des Dezernat I und ist damit direkt dem Oberbürgermeister unterstellt.
Jedes Amt benötigt eine Amtsleitung, weshalb man die entsprechende Stelle gleich mit ausschrieb. So die Zusammenfassung des Ergebnisses. Vorausgegangen war dem eine lebhafte Diskussion im Gemeinderat. Braucht der Klimaschutz in Konstanz überhaupt ein eigenes Amt? Oder gar ein eigenes Dezernat? Letzteres hätte eine:n Klimabürgermeister:in mit sich gebracht.
Der Oberbürgermeister war für das eigens dem Klima gewidmete Dezernat, wollte eine:n eigens fürs Klima abgestellten Klimabürgermeister:in. Im Gemeinderat verfehlte sein Wunsch allerdings knapp die Mehrheit.
Plan B: Ein Amt für Klimaschutz schaffen. Unterhalb des OB-Dezernats angesiedelt. Diesen Vorschlag nahm der Gemeinderat mit großer Mehrheit an, mit nur einer Gegenstimme.
Wie organisiert man Klimaschutz in einer Stadtverwaltung?
Und was bedeutet das jetzt? Umorganisieren. Was bisher eine Stabsstelle im Dezernat III alias Stadtplanung, Hochbau, Tiefbau und damit Teil des Ressorts von Bürgermeister Langensteiner-Schönborn war, wird zum Amt im Dezernat I des Oberbürgermeisters. Die Abteilung Klimaschutz wird ausgebaut und umgehängt. Ein Kompromiss. Damit wurden unter anderem die Forderungen aus CDU und FDP befriedigt, Klimaschutz müsse Chefsache sein.
Jedes Amt braucht eine:n Amtsleiter:in. Wären wir nicht in der kommunalen Verwaltung, sondern in der freien Wirtschaft, hätte man vermutlich den bisherigen Leiter der Stabsstelle Klimaschutz befördert. Er wäre auf die neue, fast deckungsgleiche, vermutlich mit einer größeren Verantwortung und höheren Dotierung verbundenen Position des Amtsleiters umgezogen. Man hätte die Kosten und den Aufwand gescheut, die Stelle extern auszuschreiben, wo es doch schon jemanden intern gibt, der dafür in den Startlöchern steht. Doch die Regeln bei Behörden sind andere.
Was Behörden und freie Wirtschaft unterscheidet
Da muss eine solche Stelle extern ausgeschrieben werden. Ja selbst, wenn es intern bereits Personen geben mag, die eingearbeitet und damit auf den ersten Blick am besten dafür geeignet erscheinen mögen. Gibt es solche Personen, reihen sie sich in die Riege der externen Bewerber:innen ein. So sie sich denn entscheiden, sich ebenfalls zu bewerben.
In Konstanz entscheidet zudem nicht nur eine verwaltungsinterne Personalkommission, sondern der komplette Gemeinderat über die Besetzung einer Position der Kategorie „Amtsleitung“. Zunächst selektiert eine Personalfindungskommission und anschließend Vorberatungen des Haupt- und Finanzausschusses (HFA) die Bewerber:innen vor.
Die Gemeinderät:innen haben sich selbst überrascht
Wer es da hindurch schafft, stellt sich in einer nicht-öffentlichen Sitzung dem Gemeinderat vor, der über die Kandidat:innen abstimmt. Dies geschieht oft in geheimer Wahl, so auch in diesem Fall. Der bisherige Leiter der Stabsstelle Klimaschutz musste, nein, er durfte gegen externe Bewerber:innen antreten.
War das Ergebnis zu erwarten? Nein. Nach unseren Recherchen sind die Gemeinderät:innen auf breiter Front davon ausgegangen, dass der derzeit amtierende Leiter der Stabsstelle Klimaschutz, Lorenz Heublein, zum Amtsleiter gewählt würde. Sogar eine deutliche Mehrheit für ihn wurde erwartet. Die geheime Wahl ergab jedoch ein anderes Bild: Philipp Baumgartner gewann die Abstimmung deutlich. Sein bisheriger Aktionsbereich ist die Entwicklungshilfe.
Die Leistung des bisherigen Klimaschutzbeauftragten stand auf dem Prüfstand
Wie konnte es denn passieren, dass anscheinend viele vom Ausgang der Wahl überrascht wurden?
Lorenz Heublein wollte sich nicht öffentlich äußern. Mit der Wahl stand quasi seine Leistung der vergangenen dreieinhalb Jahre auf dem Prüfstand. Das Ergebnis ist für ihn mit Sicherheit keine angenehme Situation, ob es seiner Leistung gerecht wird, darf bezweifelt werden.
Den Gemeinderät:innen ist eine öffentliche Äußerung nicht erlaubt. Die Satzung des Gemeinderats lässt dies bei nicht-öffentlichen Sitzungen nicht zu. Dies gilt auch, wenn der eigentliche Grund für die ursprüngliche Nicht-Öffentlichkeit inzwischen offensichtlich nicht mehr vorhanden ist.
Die Angst vor der Doppelspitze
Mehrere Gemeinderät:innen haben jedoch vertraulich mit uns gesprochen. Sie zeigten sich vom Ergebnis überrascht. Allerdings lag bei der Wahl des bisherigen Leiters der Stabsstelle eine besondere Konstellation vor: Er wollte sich die Stelle zusammen mit einem erfahrenen Klimaschutzmanager eines großen lokalen Unternehmens teilen. Die erste Doppelspitze in einem Konstanzer Amt.
Die zusätzliche Fachexpertise, die Erfahrung eines Klimaschutzmanagers aus der Wirtschaft hätte für die Entwicklung des Klimaschutzes in Konstanz von Vorteil sein können. Manchen Gemeinderät:innen mag das aber auch nicht geschmeckt haben, so dass hier nicht Lorenz Heublein, sondern die Doppelspitze abgewählt wurde.
Wie eine geheime Wahl für Unruhe und Gerüchte sorgt
Man kann es sich vorstellen: Nach der geheimen Wahl gab es auch unter den Gemeinderät:innen wilde Spekulationen, wer denn wen gewählt haben mag. Vermutet wurde, dass insbesondere der konservative Block überwiegend für Philipp Baumgartner gestimmt hat. Mutmaßungen gab es auch über die Motivationen.
Einigen mag der Klimaschutz in Konstanz zu wenig Tempo haben, anderen würde er zu sehr aufgebauscht, für wieder andere mag das moderne Jobkonzept einer Doppelspitze nicht zum Bild eines Amtsleiters passen. Festzuhalten bleibt, dass eine geheime Personalwahl innerhalb des Gemeinderates das Potential hat, für Unruhe, Gerüchte und sehr überraschende Resultate zu sorgen.
Philipp Baumgartner überraschte mit Detailkenntnissen
Im Ergebnis konnte Philipp Baumgartner die Mehrheit der Gemeinderät:innen überzeugen. Er soll mit einer professionellen Präsentation, gekonnter Selbstdarstellung und überraschenden Detailkenntnissen des Klimaschutzberichtes gepunktet haben. Dieser wurde am gleichen Tag veröffentlicht. Auch Baumgartners vielfältige Erfahrungen im Leiten komplexer Projekte haben wohl so manches Mitglied des Gemeinderates überzeugt.
Nach dem Abitur in Konstanz zog es Philipp Baumgartner in die weite Welt: Studium in Passau, London und Bonn, Arbeitsstellen in den USA, Italien und Südafrika. Aktuell arbeitet er als Länderdirektor für den UN International Fund for Agricultural Development (IFAD) in Johannesburg und ist für mehrere Projekte in der Entwicklungshilfe verantwortlich.
Was meinen die Konstanzer Klimaschutzorganisationen zu der neuen Verantwortlichkeit im Klimaschutz?
Für die Klimaschutzorganisation Fridays for Future Konstanz äußerte sich Manuel Oestringer zu der Personalie:
„Philipp Baumgartner kenne ich nicht, kann daher also seine Person nicht bewerten. Schade ist natürlich, dass er sich jetzt auch erst noch einarbeiten muss und das wieder Zeit kostet. Mit Lorenz Heublein haben wir ein gutes Verhältnis und ich finde, dass er eine gute Arbeit gemacht hat. Der neueste Klimaschutzbericht hat sehr klar aufgezeigt, wie stark Konstanz seine Klimaschutzziele verfehlt. Aber ich denke, die Verantwortung dafür liegt beim Oberbürgermeister und nicht beim Klimaschutzmanager.“
„Für Konstanz Klimapositiv ist jetzt entscheidend, dass wir entschlossen und konsequent die Umsetzung der Klimaschutzstrategie voranbringen. Der soeben veröffentlichte siebte Klimabericht hat deutlich aufgezeigt, dass Konstanz schon jetzt eine Umsetzungslücke bei der CO2-Reduktion von 18 Prozent hat. Wir müssen also JETZT alle Kräfte bündeln und bereits bis zum Sommer endlich Rahmenbedingungen schaffen, die den neuen Amtsleiter in die Lage versetzen, schnell voranzukommen, mit kurzen Wegen, Personalaufbau und übergreifender Unterstützung bei der Umsetzung.“
Transparenzhinweis: Unser Autor Peter Magulski ist ebenfalls in der Gruppe Konstanz Klimapositiv tätig.
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