Uni-Wald, wie geht es dir?

Trockenheit, Waldbrände, Borkenkäferbefall und Stürme. Der deutsche Wald leidet unter dem Klimawandel. Doch wie geht es unserem Wald in Konstanz? Und wie sollten wir in Zukunft mit unserem Wald umgehen? Ein Besuch im Uni-Wald mit Förster Michael Flöß. 
Anna Hollandt hat Globale Europastudien an der Universität Konstanz…

Rund um die Universität Konstanz erstreckt sich ein 153 Hektar großes Waldgebiet: Der Mainauwald oder auch gerne Universitätswald genannt. Wer dort in den vergangenen Tagen spazieren gegangen ist, kam nicht umher, auf stapelweise frisch geschlagene Bäume am Wegesrand zu treffen. Da kann man sich beim idyllischen Ausflug in die Natur schonmal fragen: Ist diese Nutzung des Walds in Zeiten von Klimawandel noch angebracht? Sollten wir den Wald nicht viel lieber ganz in Ruhe lassen, wenn wir noch lange was von ihm haben wollen? 

Foto: Anna Hollandt

Solche Fragen hört Förster Michael Flöß nicht zum ersten Mal. Er liebt seinen Beruf, doch hat er oft das Gefühl, dass seine Arbeit von der Öffentlichkeit missverstanden wird. „Wenn ich dort arbeite, wo Leute mich sehen, muss ich oft erklären, was ich jetzt wieder ‚Schlimmes‘ gemacht habe“. Förster Michael Flöß sieht in der Nutzung und dem Schutz des Walds keinen Widerspruch. Im Gegenteil:

„Dadurch, dass ich den Rohstoff Holz nutze, pflege ich auch den Wald. Wenn ich eine gesunde Mischung an Baumarten haben möchte, muss ich manche Bäume fällen.“

Michael Flöß

Michael Flöß ist 58 Jahre alt und seit 2001 für die Landeswälder im Revier Bodanrück zwischen dem Untersee und dem Überlinger See zuständig. Dazu gehören neben dem Universitätswald auch Wälder rund um Hegne, Dettingen, den Mindelsee und dem Böhlerberg. Davor hat er zehn Jahre in Freiburg in der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg gearbeitet. Dort forschte er zum Waldwachstum. 

Was ist das Problem für deutsche Wälder? 

Es wird immer heißer und trockener und vor allem die deutsche Fichte kommt damit nicht klar. Der Nadelbaum hat flache Wurzeln und kommt deswegen nicht an tiefliegende Grundwasservorräte. Wenn es lange nicht regnet, schwächt dies den Baum und er produziert nicht genügend Harz – seine natürliche Schutzschicht gegen Schädlinge. Dann haben Borkenkäfer ein leichtes Spiel und können einfach durch die Rinde (altdeutsch: Borke) in die Fichte eindringen. Der in den Medien viel diskutierte Borkenkäfer, bei dem es sich zumeist um die Borkenkäferart Buchdrucker handelt, legt seine Eier unter der Baumrinde. Nach dem Schlüpfen fressen die Larven die entscheidenden Schichten des Baumstamms unter der Rinde, was zu einer Zerstörung der lebenswichtigen Gefäßbahnen des Baumes führt.

2018 und 2019 waren die „Horrorjahre“, wie Michael Flöß sie nennt. In diesen Jahren war es besonders trocken. Es kursierten erschreckende Bilder von abgestorbenen Wäldern im Harz. Die Medien berichten vom Waldsterben 2.0. Das Hauptproblem: Monokulturen. Wenn es der Fichte schlecht geht, geht es dem Wald schlecht. Der deutsche Wald ist nämlich geprägt von Fichtenplantagen, die für den schnellen Holzgewinn angelegt wurden. Denn das Nadelholz der Fichte eignet sich besonders gut als Bauholz. 

Gefällte Bäume im Uniwald. Foto: Anna Hollandt

Die Mischung macht’s 

Die Situation auf dem Bodanrück ist zum Segen des Försters Michael Flöß eine ganz andere. Wenn man im Uni-Wald nach oben schaut, sieht man nur vereinzelt Nadelholz. In kaum einer Gegend wachsen so viele verschiedene Baumarten nebeneinander. „Hier wächst die sogenannte Bodenseemischung“, erklärt Michael Flöß, „das sind vor allem Buche, Eiche, Kiefer und Lärche.“

Das heißt einfach gesagt: Die Mischung macht’s. Ein gesunder und für die Zukunft gewappneter Wald braucht zum einen Baumarten, die besser mit Trockenheit umgehen können. Deswegen verfolgen Förster:innen zurzeit die Strategie, einen Teil der verloren gegangenen Fichten mit Douglasie und Lärche aufzufüttern. „Da kann man auch Bauholz draus machen und die sind etwas robuster gegenüber Trockenheit“, erklärt Michael Flöß. Zum anderen braucht es generell einen „gutsortierten Gemischtwarenladen“ aus Laub- und Nadelbäumen. Davon ist der Förster überzeugt. 

Doch er weiß auch, dass er und seine Kolleg:innen trotz neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse die Zukunft nicht vorhersehen können: „Wir müssen in so großen Zeiträumen denken, da kann man unmöglich genau wissen, wie welche Baumart mit den Klimaveränderungen umgehen wird und welche Schädlinge welche Bäume befallen werden.“ Die logische Konsequenz: Je mehr Baumarten es gibt, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass Bäume dabei sind, die sich anpassen und mit der Klimaerwärmung klarkommen. 

Eingreifen oder nicht eingreifen: eine Debatte 

Die menschengemachten Monokulturen haben den deutschen Wald anfällig gemacht. Aber müsste das nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass der Mensch den Wald einfach in Ruhe lassen sollte, damit dieser sich selbstständig und natürlich regenerieren kann? Diese These vertritt Peter Wohlleben, der wohl bekannteste deutsche Förster, der mit seinem 2015 veröffentlichten Buch Das geheime Leben der Bäume einer breiten Öffentlichkeitbekanntgeworden ist.

Michael Flöß ist diese pauschale Anklage der Forstwirtschaft als Grund allen Übels schon lange ein Dorn im Auge: „Käseglocke drüber, so wie er es gerne hätte, das ist keine Lösung, sondern ein fataler Fehler.“ Und das aus zwei Gründen, meint der Konstanzer Förster:

„Zum einen werden die Bäume älter und anfälliger. Das führt zu weniger Verjüngung. Und zum anderen nutze ich den nachwachsenden Rohstoff nicht. Aber wir brauchen das Holz in Deutschland.“

Michael Flöß

Wie bekommen wir Vielfalt in den Wald?

Die künstlich geschaffenen Monokulturen sind aus heutiger Sicht ganz klar ein Fehler, stammen aber aus der Nachkriegszeit, als Förster:innen vor allem damit beschäftigt waren, möglichst viel Holz für den Wiederaufbau zu produzieren. Durch die wirtschaftliche Entscheidung damals leidet der Wald heute. 

Doch gar nicht einzugreifen führe laut Michael Flöß auch nicht zu einem gesunden, vielfältigen Wald: „Wenn wir nichts machen würden, dann hätten wir hier mindestens 95 Prozent Buche, das ist der Baum mit der glatten grauen Rinde.“ Michael Flöß zeigt auf zwei junge Buchen, die sich eingesäumt von zwei großen älteren Eichen gen Himmel strecken. Auch wenn die kleinen Buchen noch sehr harmlos wirken, sind diese in der Lage, in den nächsten Jahren die Eichen zu verdrängen, da Buchen mit weniger Licht auskommen. „Die ist so dominant, dass sie alle anderen quasi rausdunkelt“. 

Die jungen Buchen in der Mitte könnten in Zukunft die daneben stehenden Eichen verdrängen. Foto: Anna Hollandt

Damit eine gute Mischung im Universitätswald erhalten bleibt, geht der Förster regelmäßig durch den Wald und markiert seltene und für die Zukunft wünschenswerte Bäume mit einem rosa Punkt. Das sind die sogenannten „Zukunftsbäume“ – die Bäume, die durch gezielte Eingriffe geschützt werden sollen. „Ich schaue hoch und guck mir die Krone an, um einzuschätzen, was der Baum die nächsten fünf oder sechs Jahre an Fläche braucht. Um Platz zu schaffen, kann es dann mal sein, dass ein Bedränger, also ein Nachbarbaum, rausgenommen werden muss. Der bekommt dann einen diagonalen Strich.“ Die so gefällten Bäume können als Rohstoff genutzt werden. Und das im Einklang mit der Vorbereitung des Walds auf die Zukunft, da die sogenannte Durchforstung Platz macht für robustere und trockenresistentere Baumarten. 

Ein markierter Zukunftsbaum. Der Punkt heißt: Das ist eine Eiche, auf diesen Baum bitte aufpassen. Foto: Anna Hollandt

Holz als nachwachsende Ressource nutzen

Alle zehn Jahre findet eine sogenannte Forsteinrichtung statt. Dabei wird der aktuelle Waldzustand ermittelt und unter anderem errechnet, wie viel Holzzuwachs es im Schnitt im Jahr gibt. „Bundesweit haben wir hier einen der besten Holzzuwächse“, sagt Michael Flöß glücklich und hält dabei einen Holzklotz hoch. Der circa 19 x 19 cm große „Zuwachswürfel“ veranschaulicht, wie viel Holz pro Sekunde in allen Waldflächen des Landkreises Konstanz nachwächst. Anhand dieser Daten und der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse wird dann geplant, wie viel Holz im Rahmen der Nachhaltigkeit genutzt werden kann und welche Baumarten in Zukunft besondere Aufmerksamkeit bekommen sollten. 

Förster Michael Floess.
Förster Michael Flöß mit dem Zuwachswürfel in der Hand. Er zeigt, wie viel Holz pro Sekunde in allen Waldflächen des Landkreises Konstanz nachwächst.
Foto: Anna Hollandt

Michael Flöß plädiert dafür, so viel wie möglich von der vor unserer Haustür nachwachsenden Ressource zu nutzen. Deutschland kann und sollte nicht auf Holz verzichten und deswegen ergibt es aus der Sicht des Försters nur Sinn, so viel wie auch nachwächst zu nutzen. Außerdem würde die teils romantische Forderung nach einem unberührten deutschen Wald Probleme nur ins Ausland exportieren:

„Jeder Festmeter an Holz, den man bei uns nicht nutzt, wird von irgendwoher importiert. Im schlimmsten Fall aus Ländern, die Kahlschlagswirtschaft betreiben. Überspitzt ausgedrückt, exportieren wir dann Umweltzerstörung.“

Michael Flöß

Eingreifen oder nicht eingreifen. Gut oder schlecht. So schwarz oder weiß darf die Nutzung der Wälder nicht betrachtet werden. Michael Flöß wünscht sich eine differenziertere Sicht in der Debatte um den Wald. Der Förster ist überzeugt, dass der Wald nicht sterben, aber sich verändern wird: „Manche Baumarten wie die Fichte werden einbüßen, aber unser Baumartenmix, der jetzt hier wächst, kann das auffangen.“