In den Wintermonaten war es ein grandioses Morgenspektakel: Ich öffne um sechs Uhr die Fenster und unzählige Krähen schrecken von den Bäumen vor dem Haus auf und entschwinden mit lautem Krah-Krah in den noch dunklen Himmel. Damit war ich täglich auch der Wecker für meine Nachbarschaft. Die gefühlte Wahrheit ist: Die Schar der Rabenvögel ist in den letzten Jahren bei uns mächtig angewachsen. Die Straßen rund um unsere Wohnung nah am Lago und See haben sich wohl als Premium-Revier herumgesprochen. Dabei sind solche Massenschlafplätze von Herbst bis Frühjahr normal: Als Zeichen für Futterquellen wie McDonald’s-Reste geben sie Sicherheit und auch Singles die Chance, eine Krähe fürs Leben zu finden. Tagsüber sind viele im Seeburgpark um die Ecke. Wenn es dann ums Nisten geht, zählen wieder andere Kriterien und die Gruppe teilt sich auf.
Diese Jungs und Mädels sind faszinierend, finde ich, findet unsere ganze Familie. Manchmal haben wir das Gefühl, vor unseren Fenstern findet ein Red-Bull-Flugtag statt – gerade wenn Rabenvögel sich gegenseitig ärgern und wilde Flug-Manöver vollführen. Zudem sind sie als Aasfresser eine Art Naturpolizei. Doch in unserem Quartier sind nicht alle begeistert. Bei leichtem Schlaf helfen auch keine Oropax und der Autolack leidet unter der Vogelkacke.
Tja, wer in anderer Lebewesen Schlafzimmern parkt, ist selbst schuld. „Schön, dass Sie da so tolerant sind“, meint der Kreuzlinger Umweltbeauftragte Stefan Braun. „Aber viele sehen da rot, deswegen müssen wir etwas unternehmen.“
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