Im Juni fand der „1. Deutsche Schultoilettengipfel“ statt. Ich habe mich gefragt: Wofür zum Teufel braucht es sowas?
Um das herauszufinden, habe ich mit Svenja Ksoll von der German Toilet Organization (GTO) telefoniert, die den Gipfel organisiert hat. „Schultoiletten sind pädagogisch“, klärte sie mich auf, und zwar aus gutem Grund.
Ein Zustand, der zum Himmel stinkt
Mein Sohn hat mir natürlich von Beginn an von den üblen Zuständen an seiner Grundschule erzählt: kaputte Türen, verstopfte Klos und ein Geruch, der mehr abschreckt als ein spontaner Vokabeltest. Funktionelle Einschränkungen und Beschädigungen sind weit verbreitet, und es fehlt oft an einem effektiven Management zur Meldung von Mängeln und zur regelmäßigen Wartung.
Die schlechte Hygiene in Schulen führt zu einer erhöhten Infektionsgefahr und anderen gesundheitlichen Problemen. Doch es ist nicht nur unhygienisch, sondern auch ein Ausdruck von fehlender Wertschätzung gegenüber unseren Kindern und ihrer Lernumgebung. Deswegen ist die Toilette nicht nur ein Thema der Infrastruktur, sondern auch ein pädagogisches.
Schultoiletten als Lernorte?
Klingt absurd, aber Schultoiletten sind ein Spiegel der gesamten Schulkultur. Wer darüber nachdenkt, erkennt schnell: Ein Ort, den Schüler:innen meiden, weil er verdreckt, kaputt oder schlicht unzumutbar ist, hinterlässt physischen und psychologischen Eindruck.
Die vor einem Jahr veröffentlichte Studie der GTO in Kooperation mit dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn bestätigt das. Die Studie „Toiletten machen Schule“ zeigt, dass die Mehrheit von tausend Schüler:nnen ihre Schultoiletten negativ wahrnimmt.Fast 40 Prozent der Schüler:innen sagten laut der Studie, es gebe Toilettenpapier nur „selten“ oder „nie“. Der Aussage „Es stinkt immer“ stimmten fast 42 Prozent der Jugendlichen zu. 25 Prozent antworteten, dass sie im Laufe des Tages weniger essen und trinken, um seltener auf die Toilette zu müssen, zusätzliche 22 Prozent tun dies meistens. Das kann auch gravierende gesundheitliche Auswirkungen haben.
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Von der Notlösung zur Best Practice
Die Gründung der German Toilet Organization (GTO) geht auf Erfahrungen beim Wiederaufbau nach dem verheerenden Tsunami in Südostasien im Jahr 2004 zurück. Seitdem hat sich die GTO nicht nur international, sondern auch in Deutschland als führende Organisation bei dem Thema etabliert, die sich für eine bessere Sanitärversorgung und Hygiene einsetzt. In Schulen bedeutet das konkret: Toiletten sind nicht nur „stille Örtchen“.
Svenja Ksoll betont: „Schulen sind Orte des Lernens und des sozialen Miteinanders. Wenn Toiletten in einem schlechten Zustand sind, spiegelt das wider, wie wenig Wert auf das Wohl der Schüler:innen gelegt wird. Aber durch gezielte Maßnahmen – wie regelmäßige Reinigung und die Einbindung der Schülerinnen in Gestaltungsprozesse – kann sich das ändern.“ Das „Toiletten-Problem“ existiert im Übrigen gleichermaßen in Grund-, Haupt-, Real-, Gesamt- und Berufsschulen, wie in Gymnasien, betont Ksoll.
Mehr Mitbestimmung für Schüler:innen
Eine Lösung kann also sein: Mehr Mitbestimmung für Schüler:innen. Vielerorts suchen Schüler:innen etwa auch Sponsoren für kostenfreie Hygieneprodukte an ihren Schultoiletten.
2024 fand zum dritten Mal der bundesweite Wettbewerb „Toiletten machen Schule“ statt. Im Rahmen des Wettbewerbs wurden Ideen entwickelt und Konzepte umgesetzt, um Schultoiletten nachhaltig zu verbessern. Von Discokugeln, Musik und bunten Kacheln über Tampon- und Bindenspender bis hin zu Handyhaltern waren bundesweit viele Ideen zur Verschönerung eingegangen.
Die besten und nachhaltgsten Vorschläge wurden im Rahmen einer feierlichen Siegerehrung auf dem 1. Deutschen Schultoielttengipfel in Berlin prämiert. Allein das rechtfertigt meiner Ansicht nach die Existenz dieser Konferenz.
Ein Weckruf an uns alle
Vielleicht brauchen wir neben Renovierungen auch ein Umdenken. Es ist Zeit, dass wir alle – Eltern, Schüler:innen, Lehrer:innen, die Stadtverwaltung – uns dieser Sache ernsthaft annehmen. Laut einer Umfrage des Robert Koch-Instituts sagen 85 Prozent der Schüler:innen, dass ihre Lernleistung in einer sauberen und gepflegten Umgebung besser ist. Und diese Umgebung fängt, wie so oft, bei den Grundlagen an.
Svenja Ksoll formuliert es ganz treffend: „Am Ende geht es um die Wertschätzung, die wir unseren Kindern entgegenbringen. Schultoiletten sind mehr als nur Toiletten – sie sind ein Spiegelbild unserer gesellschaftlichen Werte und unseres Engagements für die junge Generation.“
Fazit: Kleine Schritte, große Wirkung
Die Arbeit der GTO, dem seit Juni in meinem Kopf rumspukenden „1. Deutsche Schultoilettengipfel“ und die Ergebnisse der Studie zeigen: Saubere Schultoiletten sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für eine gesunde und förderliche Lernumgebung. Sie sind ein Spiegelbild der Wertschätzung, die einer Schulgemeinschaft entgegengebracht wird. Saubere Toiletten sollten ebenso selbstverständlich zum Schulalltag zählen wie 1+ 1= 2!
Welches Feedback geben Eure Kinder, was für Erfahrungen habt Ihr? Schreibt uns gerne, was Ihr zum Thema Schultoiletten zu sagen habt!
Warum wir unsere Schulen anders bauen müssen
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