Wie sich Konstanz gegen die Kitakrise wehren will

Kürzere Kita-Öffnungszeiten, dafür mehr Plätze für Kinder? Der Konstanzer Kitagipfel hat Lösungswege aus der Kitakrise aufgezeigt. Über allem steht aber die Frage: Was bedeutet der aktuelle Sparzwang der Stadt für die Kitas?
Angeregte Diskussion Der Kitagipfel lockte mehr als 150 Besucher:innen ins Konstanzer Jugendzentrum zu Austausch und Diskussion. Bild: Stadt Konstanz

Seit Jahren müssen Eltern und Kinder in Konstanz mit den Folgen der Kitakrise leben. Trotz intensiven Kitaplatz-Ausbaus fehlen auch in Konstanz nach wie vor viele Plätze, mehr als 1000 Kinder warten aktuell auf einen Betreuungsplatz. Dabei gilt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab 3 Jahren bereits seit 1996, für Kinder unter drei Jahren immerhin auch schon seit 2013. Beim Konstanzer Kita-Gipfel wurden nun neue Ideen gegen die Kitakrise präsentiert. 14 Monate lang hatten Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen der frühkindlichen Bildung gemeinsam mit Elternvertreter:innen diese Ideen entwickelt.

Zentrale Themen waren die Qualitätssicherung in den Kitas, Rezepte gegen den Fachkräftemangel, neue Modelle von Betreuungszeiten sowie Inklusion. Eine Maßnahme, die viele Familien betreffen könnte, ist das so genannte „10 für 10“-Modell in den Ganztagskitas. Die Idee dahinter: Die Öffnungszeiten werden um zehn Prozent reduziert bei gleichem Personalschlüssel, dafür können zehn Prozent mehr Kinder aufgenommen werden. Geplant ist das Ganze als Pilotprojekt mit zunächst zehn Kitas. Möglicher Starttermin könnte laut der Initiator:innen der 1. Januar 2026 sein.  Ob es wirklich so kommt, das hängt vom Gemeinderat ab. Dort wird darüber allerdings frühestens im Herbst dieses Jahres entschieden.

Volles Haus: Der Kitagipfel lockte mehr als 150 Besucher:innen ins Konstanzer Jugendzentrum zu Austausch und Diskussion. Bild: Stadt Konstanz | Fotos: Michael Lünstroth

Will die Stadt den Ganztagesbetrieb abschaffen?

Ist das jetzt die Abkehr vom Ganztagesbetrieb in den Kitas? Joachim Krieg vom städtischen Sozial- und Jugendamt verneint dies. „Hier geht es nicht um eine Abkehr von der Ganztagesbetreuung, sondern darum die Betreuungszeiten bedarfsgerechter für alle Eltern zu gestalten und gleichzeitig den Ganztagesbereich zu entlasten“, schreibt er auf Nachfrage von karla. Denn: Nicht alle Eltern, die einen Ganztagsplatz beanspruchen, benötigen ihn auch im kompletten Umfang, so Krieg. „In vielen Einrichtungen gibt es „nur“ verlängerte Öffnungszeiten von sechs Stunden pro Tag. Das führt dann teilweise dazu, dass Eltern eine Ganztagsbetreuung buchen, weil ihnen eine Betreuung bis 13 oder 13:30 Uhr nicht ausreicht.“

Weitere Ideen des Kitagipfels drehten sich auch um die Bekämpfung des Fachkräftemangels. Das ist eines der größten Probleme in Konstanz aktuell. Allein um den bestehenden Betreuungsbedarf im Kleinkindbereich zu decken, bräuchte es 120 Erzieher:innen mehr.

Ein möglicher Weg diesem Mangel entgegen zu wirken könnte nach den Vorschlägen des Kitagipfels sein, Erzieher:innen günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, damit sie sich das Leben in Konstanz leisten können. Nach diesem Wohnraummodell mietet die Stadt die Wohnungen direkt an und bietet sie dann Kita-Fachkräften zu günstigen Preisen an. Um mehr Nachwuchs im Erzieher:innenberuf zu gewinnen, schlagen die Expert:innen zudem ein Stipendium für Erzieher:innen in Ausbildung vor. Die Förderhöhe soll demnach bei 300 Euro im Monat liegen und auf 24 Monate begrenzt sein. Nach Abschluss des Stipendiums sollen die geförderten Erzieher:innen für mindestens zwei Jahre in Konstanzer Kitas verpflichtet werden.

Eine der städtischen Kitas in Konstanz mit Ganztagsbetrieb: das Kinderhaus Paradies. Bild: Michael Lünstroth

Neuer Versuch: Eine „Bleibeprämie“ soll Fachkräfte halten

Als Gegenmittel gegen die hohe Fluktuation im Erzieher:innen-Personal der Konstanzer Kitas soll eine „Bleibeprämie“ eingeführt werden in Höhe von 250 Euro pro Monat. Das Ziel dabei: Etablierte Fachkräfte langfristig zu binden. Allerdings: Ein ähnlicher Vorschlag eines solchen Bonus war 2023 im Gemeinderat durchgefallen.

Städte wie Stuttgart und München locken Erzieher:innen mit finanziellen Anreizen. Sie bekommen eine monatliche Zulage zwischen 100 (Stuttgart) und 200 Euro (München). Auch in Konstanz hatte eine Expert:innengruppe das 2023 empfohlen. Die Verwaltung hat sich aber dagegen ausgesprochen. Eine solche Arbeitsmarktzulage sei ungerecht gegenüber anderen Berufsgruppen, außerdem gebe der letzte Tarifabschluss Erzieher:innen, neben zwei zusätzlichen Regenerationstagen, bereits die Möglichkeit, zwei zusätzliche freie Tage in eine monatliche Umlage von 130 Euro umzuwandeln.

Welche der beim Kitagipfel vorgestellten Ideen am Ende wirklich umgesetzt werden, steht in den Sternen. Alfred Kaufmann, Leiter des städtischen Sozial- und Jugendamts (SJA) hat nun die Aufgabe aus dem 150-seitigen Bericht einzelne Maßnahmen zu bündeln und diese zur Abstimmung  in den Gemeinderat zu geben. Vieles wird dann auch davon abhängen, was sich die Stadt Konstanz in Zeiten des Spardrucks noch leisten kann und will.

Andreas Osner, Sozialbürgermeister der Stadt, gibt sich zuversichtlich im Gespräch mit karla: „Der Bildungs- und Sozialbereich erfährt immer große Unterstützung und Rückendeckung aus Verwaltung und Gemeinderat. Wir wissen um die Bedeutung dieses Bereichs und versuchen, immer alles Notwendige auch möglich zu machen.“

„Auf absehbare Zeit werden sich Eltern in Konstanz damit arrangieren müssen, dass die Betreuungszeiten in den einzelnen Kitas phasenweise nicht abgedeckt werden können. Die Mangelsituation hier wird bleiben.“

Alfred Kaufmann, Leiter des städtischen Sozial- und Jugendamts

Gleichwohl musste auch das SJA Kürzungen in den vergangenen Haushaltsberatungen hinnehmen, dies sei jedoch erfolgt, „ohne dramatische Einschnitte in der Aufgabeerfüllung“, erklärt Alfred Kaufmann, Leiter des SJA, auf Nachfrage. Anders als beispielsweise bei den Schulen scheint auch der weitere Kita-Ausbau nicht von Kürzungen betroffen: „Alle zum jetzigen Zeitpunkt vorgesehenen Projekte zum Kita-Ausbau haben wir in die 10-jährige Finanzplanung der Stadt eingebracht, so dass wir davon ausgehen, dass diese umgesetzt werden können“ so Kaufmann.

Obwohl längst klar ist, dass die bisherige Planung nicht ausreichen wird, um den Bedarf zu decken wolle man beim weiteren Ausbau  von Kitaplätzen „eher defensiv“ agieren, sagte Kaufmann. Der Grund: Wegen des Fachkräftemangels fehlen die Erzieherinnen und Erzieher.“ Nach Zahlen aus dem Jahr 2023 fehlen alleine im Kleinkindbereich 120 Erzieher:innen, um den aktuellen Betreuungsbedarf zu decken.

Wächst hier noch Hoffnung in der Kitakrise? Ein bepflanzter Gummistiefel vor dem Kinderhaus Paradies.

Mehr Kooperationen mit privaten Anbietern als Lösung?

Deshalb hat Alfred Kaufmann auch eine klare Botschaft an alle Konstanzer Eltern: „Auf absehbare Zeit werden sich Eltern in Konstanz damit arrangieren müssen, dass die Betreuungszeiten in den einzelnen Kitas phasenweise nicht abgedeckt werden können. Die Mangelsituation hier wird bleiben. Dieser Mangel hat allerdings nichts mit der angespannten Haushaltslage zu tun, sondern liegt vorrangig am fehlenden Personal.“

Ein Rezept gegen die Krise könnten auch Kooperationen mit privat-wirtschaftlichen Anbietern sein. Bei der Kita SeeKids war dies bereits der Fall. Neben öffentlichen Plätzen, die über die zentrale Kita-Vormerkung der Stadt Konstanz vergeben werden, bietet diese Kita auch Betriebsplätze für Konstanzer Firmen an. „Das Modell der SeeKids kann zu einer Blaupause für künftige Projekte werden“, sagt Alfred Kaufmann. 

So sieht das städtische Ausbauprogramm bei den Kitas bis 2030 aus.