Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. An diesen Spruch musste ich denken, als mir ein Leser neulich von einer Merkwürdigkeit aus dem Gebührendschungel der Stadt erzählte: Eltern, die ihr über dreijähriges Kind bei einer Tagesmutter oder einem Tagesvater betreuen lassen, müssen dafür mehr bezahlen als Eltern, die das Glück hatten, einen Kitaplatz zu erhalten. Der Unterschied ist gravierend und kann bis zu 1.000 Euro im Jahr ausmachen.
Der Grund dafür: Anders als bei den Kitas wird in der Kindertagespflege nicht zwischen Unter- und Überdreijährigen unterschieden. Es gilt für alle Kinder der teurere Gebührensatz für jüngere Kinder. Was vor Jahren noch Sinn ergab, weil fast nur jüngere Kinder von Tagesmama oder -papa betreut wurden und der Aufwand für deren Betreuung größer ist, ist für viele Eltern in Zeiten der Kitakrise nur noch eine Farce. Da sie in vielen Fällen längst keine Wahl mehr haben und froh sind über jeden Platz, den sie ergattern können.
Nur mal zur Erinnerung: Insgesamt 1.004 Kindern konnte die Stadt in diesem Jahr keinen Kitaplatz anbieten, 469 davon waren älter als drei Jahre.
Familienfreundliche Politik geht anders
Die Situation ist absurd: Wenn man als junge Familie ohnehin schon frustriert ist, weil man mal wieder keinen Kitaplatz bekommen hat, sich dann aber doch selbst einen Platz beschafft hat bei einer Tagesmutter und dann schließlich feststellt, dass man dafür auch noch mehr bezahlen muss, als man müsste, würde die Stadt den geltenden Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für alle Kinder erfüllen.
Das ist in etwa so nachvollziehbar, als würde dein Ex-Schwarm, der dir gerade einen Korb gegeben hat, jetzt mehr Geld von dir verlangen, weil du mit jemandem anders ausgehst. Macht ja auch keinen Sinn. Kein Wunder, dass sich die Menschen da verschaukelt fühlen. Familienfreundliche Politik sieht jedenfalls anders aus. Wieder drängt sich der Eindruck auf, dass Familien in Konstanz erst dann gehört werden, wenn sie ihre Rechte einklagen.
Allen Beteiligten würde viel Ärger erspart, wenn das städtische Sozial- und Jugendamt (SJA) in diesen angespannten Zeiten unbürokratisch die Gebührenstaffelung nach Alter auch für Tagesmütter und -väter eingeführt hätte, um Familien zu entlasten.
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Nur Klagen schaffen Aufmerksamkeit
Das SJA hält davon allerdings offenbar nichts. Auf meine Anfrage antwortete die städtische Pressestelle, dass die „individuellere und intensivere Betreuung in der Kindertagespflege im Vergleich zu der Kita-Betreuung dem höheren Kostenbeitrag – aus unserer Sicht – positiv gegenüber“ stehe. So richtig klug scheint mir diese Haltung nicht.
Denn: Wenn betroffene Eltern eine Kostenerstattung wegen der höheren Gebühren verlangen (was sie jederzeit können), dann wird die Stadt die Differenz zwischen U3- und Ü3-Betreuung am Ende wegen des geltenden Rechtsanspruchs ohnehin bezahlen müssen. Diesen Prozess könnte man mit familienfreundlicher Politik verkürzen.
Schon vor einem Jahr hatte Alfred Kaufmann, Leiter des SJA, gesagt, dass sich Eltern auf Änderungen in der Betreuungsversorgung einstellen müssen. Das betrifft zum einen die Gebühren, es könnte in Zukunft aber auch die Öffnungszeiten der Kitas betreffen (Link-Tipp: Ländermonitor Öffnungszeiten Kitas im Vergleich). Was in Tübingen, Offenburg und Stuttgart bereits Realität ist, könnte dann auch hier drohen.
Öffnen Kitas nur noch bis 14 Uhr?
Kürzere Kita-Öffnungszeiten sind jedenfalls ein Szenario, mit dem sich eine Arbeitsgruppe von Stadtverwaltung und Elternvertreter:innen befasst. Ist das das Ende der Ganztagsbetreuung? Heike Kempe vom Gesamtelternbeirat Kita sagt: „Wir wollen die Ganztagsbetreuung nicht komplett abschaffen. Aber wir sehen in den verkürzten Öffnungszeiten auch eine Chance auf mehr Bildungsgerechtigkeit, weil mehr Kinder betreut werden können. Außerdem kann es dabei helfen, die Arbeitsbedingungen für Erzieher:innen zu verbessern.“
Vorbild könnte die Stadt Offenburg sein. Dort gibt es keine Ganztagsbetreuung mehr. Die Kitas haben maximal sieben Stunden pro Tag geöffnet. Danach schließt sich eine von den Maltesern (also nicht von pädagogischem Fachpersonal) organisierte Spielzeit bis maximal 16:30 Uhr an. Das Ergebnis: „Wir haben inzwischen ausreichend Kitaplätze stadtweit“, sagt Martina Köllner, Leiterin des für Kitas zuständigen Fachbereichs Familien, Schulen und Soziales der Stadt Offenburg. Durch die Umstellung konnten pro Gruppe bis zu fünf Plätze zusätzlich gewonnen werden.
Was Konstanz von Offenburg lernen kann
Auch der zweite erhoffte Effekt ist dort eingetreten: „Wichtig war uns neben der verlässlichen Spiel- und Betreuungszeit im Anschluss an die Kita, dass die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte verbessert wurden. Damit geht einher, dass die Bildungs- und Erziehungsqualität erhöht wurde. Mittlerweile haben wir wieder ausreichend Bewerbungen für unsere Erzieher:innenstellen“, hat mir Köllner in einer E-Mail geschrieben.
Das zuständige Amt in Konstanz reagiert zurückhaltend. Man bemühe sich eher darum, „die Ganztagsbetreuung weiter zu gewährleisten“. Die Überlegungen zu verkürzten Öffnungszeiten plus Spielnachmittag werden demnach „zwar parallel, aber eher untergeordnet fortgeführt“. Im November sollen erste Ergebnisse im Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats vorgestellt werden. Familien brauchen in Konstanz also weiterhin vor allem eines – Geduld.
Personalmangel in Kitas: Betreuung am Limit?
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