Brauchen wir ein Smartphoneverbot an unseren Schulen?

Während in Konstanz die Handyregeln an den Schulen noch sehr unterschiedlich sind, gibt es in anderen Ländern sehr bald komplette Verbote von Smartphones an Schulen. Die Frage ist: Ist das der richtige Weg?
Österreich, Dänemark udn Luexemburg machen es vor: Smartphones werden dort an Schulen bald komplett verboten sein.

Ganz ehrlich: Wie lange hältst du es aus, dein Handy nicht in die Hand zu nehmen, wenn es einfach nur vor dir liegt? Denkst du dann daran, wie es wäre, jetzt mal schnell den Insta-Feed zu checken? Nur mal kurz was zu googeln oder endlich diese eine Nachricht an deinen besten Freund zu schreiben, die du schon lange abschicken wolltest? Tja. Kaum hast du das gedacht, bist du schon abgelenkt.

Im Jahr 2017 kam die „Brain Drain“-Studie zu dem Ergebnis, dass die bloße Anwesenheit eines Smartphones ablenken und kognitive Ressourcen beanspruchen kann. Dieses Ergebnis wurde später durch eine Metaanalyse von 22 Studien bestätigt. Jeder dritte Jugendliche gibt an, nervös zu werden, wenn das Handy nicht in Reichweite ist. Bei den Mädchen sind es sogar 40 Prozent.

Wäre es also nicht längst Zeit für ein Smartphoneverbot an unseren Schulen?

In Luxemburg gilt ab Ostern ein komplettes Smartphoneverbot an allen GrundschulenDänemark und Österreich gehen noch einen Schritt weiter: die beiden Länder wollen die Handys an allen Schulformen verbieten und selbst der designierte neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hält ein Verbot von Smartphones zumindest an Grundschulen für sinnvoll.Ist das jetzt schon die Gegenbewegung zum jahrelangen Digitalisierungs-Hype an den Schulen?

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind jedenfalls eindeutig: Je länger die Jugendlichen zum Zeitvertreib am Handy hängen, desto schlechter sind ihre Leistungen. „Diejenigen, die in der Schule fünf Stunden oder mehr am Handy verbringen, haben einen Lernrückstand von etwa zwei Jahren gegenüber denjenigen, die weniger als eine Stunde ihrer Schulzeit am Handy sind“, hat das Deutsche Schulportal in einer guten Zusammenfassung zur Lage geschrieben.

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Die Lage an den Konstanzer Schulen


Auch wegen solcher Daten schwirrt der Zeitgeist gerade sehr um ein generelles Verbot. An den Konstanzer Schulen ist die Lage noch sehr unterschiedlich. So ist am Ellenrieder– und Humboldt-Gymnasium das Handy im Gebäude verboten, auf dem Schulhof ist es erlaubt. Am Suso-Gymnasium gilt: Smartphones sind auf dem Schulgelände nicht erlaubt, beziehungsweise müssen unsichtbar getragen werden. Schüler:innen der Kursstufe dürfen in bestimmten Räumen aber ihre eigenen Geräte nutzen. An der Gemeinschaftsschule gilt ein Verbot während der Schulzeit.

Auch an den Grundschulen wird das Thema diskutiert. An der Grundschule Dettingen gilt beispielsweise: „Handys, Smartwatches, oder Ähnliches bleiben ausgeschaltet in der Schultasche“, wie Rektorin Heike Bierkandt auf Nachfrage schreibt. Das Problem dabei: Dieses Nebeneinander von verschiedenen Regeln selbst innerhalb einer Stadt, erschwert die Nachvollziehbarkeit bei Schülerinnen und Schülern. Warum sollte auch an einer Schule etwas anderes richtig sein als an einer anderen? Dabei gibt es bereits Erfahrungen anderer Städte und Landkreise, dass eine einheitliche Regel vieles vereinfacht.

Was man von anderen Ländern lernen kann


In Irland haben sich mehrere Gemeinden zusammengeschlossen und erlauben Smartphones grundsätzlich erst ab 12 Jahren. Eine 2016 veröffentlichte Studie aus England stellte fest, dass sich an weiterführenden Schulen, die ein Handyverbot einführten, die Testergebnisse deutlich verbesserten. Ähnliche Erkenntnisse gibt es aus den USA. Die Konsequenzen in fast allen Regionen, die es mit einem Verbot versucht haben, lauteten: Die Kinder beschäftigten sich wieder mehr miteinander, der soziale Druck auch ein Handy besitzen zu müssen liess nach.

Einer der Vordenker von Smartphoneverboten ist der amerikanische Psychologe Jonathan Haidt. Sein auch in Deutschland kontrovers besprochenes Buch „Generation Angst“ fasst zahlreiche Studien zusammen, die negative Auswirkungen der Handynutzung auf die Kindheit nahelegen. Seine Kernthese: Wir überbehüten unsere Kinder im realen Leben und lassen sie viel zu oft alleine im digitalen Raum mit all seinen Gefahren. Den Anstieg von Depressionen unter jungen Menschen bringt Haidt in Verbindung mit dem Siegeszug von Smartphone und Social Media.

Je mehr Smartphone, desto weniger Zeit für Freunde


Für die USA kann er auch zeigen: Je mehr Zeit junge Menschen mit ihren Handys verbringen, um so seltener treffen sie Freunde und Freundinnen im echten Leben. Kein Wunder fällt uns der Dialog so schwer, wenn sich alle hinter ihre Bildschirme zurückziehen. Mit „alle“ meine ich übrigens auch die Erwachsenen.

Wir leben unseren Kinder oft ein schlechtes Beispiel vor, weil wir das Handy viel zu oft in die Hand nehmen. Wie sollten Kinder da nicht danach lechzen auch so ein Gerät zu besitzen? Wenn wir also über einen vernünftigen Umgang mit dem Smartphone reden, müssen wir uns alle selbst an die Nase fassen. Nur wer seinen Kindern einen bewussten und reflektierten Umgang mit der Technik vorlebt, darf darauf hoffen, dass sie es verstehen.

Ein Appell von Konstanzer Schüler:innen


Manchmal denke ich auch, dass junge Menschen schon weiter sind als wir Erwachsenen. Als ich vor anderthalb Jahren einige Konstanzer Schüler:innen interviewte, sagten sie ziemlich klar, was sie von Social Media und den Gefahren, die im Internet lauern, halten: „Eltern müssten eigentlich dafür sorgen, dass ihre Kinder möglichst spät Zugang zu all dem Kram bekommen. Oder dass sie zumindest sagen, du kriegst kein Handy oder wenn du eins kriegst, dann nur mit WhatsApp, ohne Zugang zu Instagram oder TikTok. Deshalb mein Appell an alle verantwortungsbewussten Eltern: Haltet eure Kinder möglichst lange weg vom Internet! Und bringt ihnen dann einen gesunden Umgang damit bei!“, sagte einer der Schüler. Vielleicht sollten wir einfach auf die jungen Leute hören.

Also doch alles verbieten? Ehrlich gesagt, fühlt sich das auch falsch an. Denn: Nur weil man etwas verbietet, ist das Problem ja nicht weg. Die Technik ist da und wir müssen den nachfolgenden Generationen einen gesunden Umgang damit beibringen.

Was wir jetzt tun müssten


Wenn ich also einen Wunsch an die künftigen Schulen meines Kindes hätte, lautete er so: Keine Smartphones bis zur siebten Klasse. Schützt die Kinder (und ihre Gehirne) so lange es geht vor den negativen Einflüssen des Smartphones, zeigt ihnen aber gleichzeitig auch, wie man kompetent und klug damit umgeht. Denn: In der Technik liegt ja auch eine Chance. Wenn es uns gelingt, den Kindern zu zeigen, dass man mit digitalen Geräten auch kreativ arbeiten kann und sich nicht nur von ihnen berieseln lassen kann, wäre schon viel gewonnen.

Aber: Wie setzt man ein Verbot eigentlich durch?


Stellt sich allerdings noch die Frage: Wie setzt man ein solches Verbot im Alltag um? Die Pisa-Studie 2022 hat sich damit beschäftigt. Das Ergebnis ist eher ernüchternd: „Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass sich bei einem Verbot nur 17 Prozent der Jugendlichen daran halten und nie oder fast nie zum Handy greifen. 34 Prozent greifen trotz Verbot täglich oder mehrmals täglich zum Handy“, schreibt das Deutsche Schulportal.Dennoch bleiben die Verbote demnach nicht ohne Wirkung. „Ohne Verbot greifen 47 Prozent täglich in der Schule zum Handy. Nur etwa jeder Zehnte lässt das Handy ohne Verbot den ganzen Tag in der Tasche“, heißt es weiter.

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