Natürlich ging es in seinem Leben hauptsächlich um Handball. „Aber wir vom Verein wollten und wollen auch immer eine gesellschaftliche Wirkung erzielen.“ Der Handball sei immer nur das „Schaufenster“ gewesen, der eigentliche gesellschaftlicher Wert des Vereins läge aber in der Arbeit mit Kindern.
Otto Eblen war vierzig Jahre Präsident der HSG. Er hat, wie man so schön sagt, „die Geschicke des Vereins“ gelenkt, geprägt, gestaltet. Aber bei sich selbst hält er sich gar nicht auf, sondern erklärt sofort weiter, worum es ihm geht: „Heute kommen allein 700 Kinder im Alter von drei bis zwölf jede Woche zur HSG.“ Ihre Übungsleiter gehen wöchentlich in 13 Kindergärten, um dort Bewegungsschulung durchzuführen, „weil das sonst zu kurz käme“. Sie organisieren als Ferienbetreuung in den Sommerferien Camps, an denen 2022 über 600 Kinder teilnahmen, „weil das die Stadt selbst nicht schafft.“
Dazu kommen die Jugendmannschaften von E- bis A-Jugend. Vierzehn jugendliche Handballer:innen, davon die Hälfte Mädchen, kommen jede Woche einmal zu einem Zusatztraining, das morgens um 6.30 Uhr startet und die da noch leerstehende Halle nutzt. „Da hat man uns prophezeit, dass da doch niemand kommen werde.“ Doch die Leistungsbereitschaft von jungen Menschen solle man nicht unterschätzen! Eine neu gegründete Cheerleaderinnengruppe habe „riesigen Zulauf“. Und neben den vielen Ehrenamtlichen gebe es inzwischen dreieinhalb festangestellter Sportlehrer:innen-Stellen. In der Jugendgeschäftsstelle kümmere sich eine Hauptamtliche nur um die Elternarbeit, halte da den Kontakt und organisiere die Ferienbetreuung. Und im Leistungssportbereich spielt die erste Mannschaft in der 2. Bundesliga und fährt inzwischen bis nach Rostock – alles Erfolgsgeschichten.
Warteliste statt Mitgliederschwund
Da bleibt es nicht aus, dass manch anderer Vereinsmensch in der Stadt dem HSG das neidet. „Wir hören immer wieder den Vorwurf, die HSG dränge sich vor, nehme den anderen etwas weg.“ Andere Vereine beklagen Mitgliederschwund, aber die HSG hätte eine Warteliste von 40 Kindern, die momentan keinen Platz mehr in ihren Übungsgruppen finden. Was dann wohl wieder für ihre Arbeit spreche. Als Teil des TV Konstanz hat die HSG 800 Mitglieder.
Seit 2021 kann sich Otto Eblen etwas zurücklehnen und zufrieden auf das Werk blicken, das nun weiterhin ganz in den Händen seiner Familie liegt. Tochter Franziska ist seit 2022 Präsidentin, Schwiegertochter Vera Sportliche Leiterin, Sohn Tobias, von Beruf Physiotherapeut, in der Jugendarbeit tätig, der älteste Sohn trainierte 18 Jahre lang die 1. Mannschaft und verantwortet nun die Übungsleiterausbildung. „Wir haben fünfzig lizensierte Übungsleiter:innen.“ Vier seiner Enkel spielen schon in der E-und F-Jugend, und auch die anderen sechs, bis auf die Kleinsten, sind schon aktiv im Verein.
„Und es ist schön zu sehen, dass alle die Werte weitergeben, die mir schon immer wichtig waren.“
Otto Eblen
Einen gesellschaftlichen Beitrag leisten: Kinder in einem Teamsport zu Bewegung und Leistung anregen, ihnen ermöglichen, ihren Körper in einem sozialen Umfeld zu erfahren, Disziplin und Ausdauer, genauso wie Fairness und Sportsgeist zu entwickeln. „Wir tragen wesentlich zu einem sozialen, befriedeten Umfeld in der Stadt bei.“ Eblen sieht die Vereinsarbeit in größeren Zusammenhängen. Sein Sohn sprach bei einer Vorstellung sogar davon, sein Vater sei ein „Mann mit Visionen“, eine Formulierung, die ihm gefallen habe.
Ein großes Vorbild
Ein Leben für den Handball. Klingt nach abgedroschener Phrase – aber in diesem Fall stimmt es eben. In den vierzig Jahren war Eblen auf jeder Gemeinderatssitzung, in der es um Vereine, Hallen, Gelder ging. Dass er hartnäckig für die Belange der HSG eintrat, dafür war er bekannt und berüchtigt. „Da gab es viele Stadträte, die sagten: Ah, da kommt der Eblen, der will doch nur wieder Geld!“ Und an dieser Stelle kann der doch eher ausgeglichene 75-Jährige sich immer noch aufregen.
„Viele Stadträte haben gar nicht gesehen, sehen wollen, was wir alles für die Stadtgesellschaft machen!“
Otto Eblen
Zweimal wurde die Bezuschussung des Sportgartens in den Kindergärten abgelehnt. Für ihn unerklärlich. Beim dritten Mal, als es durch ging, habe ihm eine Stadträtin gestanden, dass sie jetzt erst verstanden habe, wie wichtig die Arbeit der HSG sei. Und dass sie ihr vorheriges Abstimmungsverhalten bereue. Als die Stadt im Dezember 2022 verkündete, an den Vereinen sparen zu wollen, da sei er fast vom Glauben abgefallen. Seine Tochter organisierte die Demonstration vor der Gemeinderatssitzung. Seine ganze Familie, auch er, waren dabei. „Ich war erstaunt, welche Wirkung das zeigte. Wie schnell sich etwas bewegt, wenn der öffentliche Druck da ist.“ Und fast ein wenig enttäuscht klingt er auch: Dass es erst so weit kommen musste….
Otto Eblen ist im Paradies aufgewachsen. Er ging zur Stephansschule, bekam ständig blaue Briefe, war ein schlechter Schüler. „Ich habe in der Schule gelitten“, man wurde mit dem Lineal der „Pauker“ noch regelrecht verprügelt. Schon in der zweiten Klasse, so erinnert er sich, war die Lehrerin mit der großen Klasse völlig überfordert, ständig krank, man habe so gut wie nichts gelernt. „Da hat mir der Sport geholfen.“ Hier hat er Erwachsene kennengelernt, die sich den Kindern zuwandten, diese freundlich ansprachen und motivieren konnten. Heinz Walther vom FC Konstanz war so ein Jugendleiter, der ihn geprägt hat. „Für mich war er das große Vorbild!“ Und ihm hat er nachgeeifert.
Unsportlich, aber fleißig
Erst mit 18 Jahren, nachdem er zunächst in der Jugend Fußball gespielt hatte, kam er erst selbst zum Handball bei der Deutschen Jugend Kraft (DJK), ein Verein, der im Dritten Reich verboten war. Eblen erkannte schnell sein „Potenzial als Trainer“. Und als Funktionär. Bald war er Kassenwart und seit seiner Volljährigkeit bis 65 in der Jugendarbeit tätig.
„Ich war unsportlich, aber hatte erkannt, dass man mit Fleiß und Übung in jedem Sport auf ein gewisses Niveau kommen kann.“
Otto Eblen
Im Handball, so eine Weisheit von ihm, brauche es vor allem die Beißer, dazu einige Talente. „Aber die Beißer, die, die wollen, die bringen das Team am meisten voran!“ Und die müsse man vor allem suchen, finden und fördern.
1980 gab es dann die Fusion zwischen DJK und der Handballabteilung des TV Konstanz. Gregor Geiger und Kurt Rabe waren damals die führenden Köpfe. Man gab das Ziel aus: Bis zum Jahr 2000 solle die 1. Mannschaft Regionalliga spielen. Was 2005 gelang. Im Jahr 2001 stellte man den ersten hauptamtlichen Sportlehrer ein: Adolf Formbach. 2002 wurde die Schänzlehalle gebaut, was einen weiteren Schub gab. 2010 dann schaffte man es sogar in die 2. Bundesliga. Der Profibereich wurde von Anfang an als GmbH ausgegliedert, um den Breitensport zu schützen, falls da etwas schiefgehen würde. „Und man konnte dort auch als Geschäftsführung viel schneller entscheiden und sich nur vor Gesellschaftern verantworten.“ Und nicht gleich vor allen Mitgliedern.
Für die Zukunft rüsten
Heute liegt der ehemalige Männersport in den Händen von hauptsächlich Frauen, die inzwischen 60 bis 70 Prozent Anteil am Verein haben. Was Eblen optimistisch für die Zukunft stimmt, da sein Geschlechterbild, durch jahrelange Erfahrung, klare Konturen angenommen hat; „Die Frauen haben sich schon immer ums Soziale gekümmert. Und es waren immer die Mütter, die für ihre Kinder den Verein ausgesucht haben.“ Und mit diesen, so seine feste Überzeugung, könnten Frauen besser kommunizieren als viele Männer, denen es „halt doch mehr um das 1 zu 0 geht!“ Die Frauen, so hofft er, werden vielleicht auch neue Wege finden, das stiefmütterliche Dasein des Mädchenhandballs in der HSG neu zu beleben. In der Öffentlichkeitsarbeit gehe man schon neue Wege. „Wir wollen viel mehr darstellen, was wir auch alles im Hintergrund tun.“
Und vielleicht wird man auch erfahren, was die HSG in Zukunft zu tun gedenkt, um nachhaltiger und ökologischer zu werden. „Unser Sponsor Rothaus will inzwischen vorgelegt haben, was wir da tun.“ Noch ist das Ganze Entwicklungsland: Immerhin, die Klatschen zum Krachmachen , die man aus Pappe mit Südkurieraufschrift druckte, gibt es nicht mehr, da braucht man inzwischen die Restbestände der „Rhein-Neckar-Löwen“ auf. Und beim Ausschank gab es bei den Heimspielen immer schon Glas- und nie Plastik. „Aber bei 17 Mannschaften wird am Wochenende schon ganz schön viel Sprit verfahren.“ Entwicklungspotenzial vorhanden. Die HSG wird sich auch dieser gesellschaftlichen Aufgabe stellen, davon darf man ausgehen. Und Otto Eblen wird „vom Rande“ aus zusehen, wie sein Verein und Lebenswerk gut aufgestellt in die Zukunft geht.
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