Mit Herz und Seele

Wie kann man in einem Altenpflegeheim die Lebensfreude fördern? Diese Frage prägt das Haus Zoffingen in Konstanz. Antje Völkle, spirituelle Seelsorgerin, unterstützt Bewohner:innen und Angehörige. Wir haben sie besucht.
  • Antje Völkle ist Seelsorgerin im Altenpflegeheim Haus Zoffingen in Konstanz, wo sie emotionale und spirituelle Unterstützung für Bewohner:innen bietet.
  • Die Seelsorge fördert nicht nur die Pflegequalität, sondern auch die Lebensfreude, indem Rituale und gemeinschaftliche Aktivitäten wie Andachten und Feste organisiert werden.
  • Völkle betrachtet sich als Bindeglied zwischen Bewohner:innen und der Pfarrgemeinde und achtet auf individuelle Bedürfnisse, auch in schwierigen Lebensphasen.
  • Ehrenamtliche Helfer:innen spielen eine wichtige Rolle, indem sie soziale Kontakte und Unterstützung für die Senior:innen anbieten.
  • Einsamkeit und emotionale Belastung sind große Herausforderungen, die durch strukturierte Gemeinschaftsangebote gemindert werden sollen.
  • Die Caritas Konstanz setzt auf ein ganzheitliches Pflegekonzept, das die spirituellen Bedürfnisse der Bewohner:innen in den Mittelpunkt stellt.

Das Gebäude des Haus Zoffingen ist modern, mit großen Fenstern und direktem Blick auf den Rhein. Orte wie diese sollen ein „würdiges Altern“ ermöglichen, so sagte es 2014 die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher. Doch was heißt das genau? Das Caritas-Pflegeheim „Haus Zoffingen“ wurde in der Klostergasse 6 auf dem Areal des ehemaligen Frauenklosters „St. Peter an der Fahr“ (1257-1789) errichtet, unter Nutzung des Gebäudes der später erbauten Mädchenschule Zoffingen (1904 bis 2018), wo auch Antje Völkle zur Schule ging.

Mit 105 Pflegeplätzen ist es das Nachfolgehaus für das vorherige Pflegeheim St. Marienhaus. Das Ziel der Katholischen Kirche, der Schwestern des Klosters Zoffingen und der Caritas sei, mit diesem gemeinsam getragenen Projekt ein gutes, wohnortnahes Angebot für ältere und pflegebedürftige Menschen zu schaffen – so steht es auf einer goldenen Plakette im Eingangsbereich des Heimes. 

Der Haupteingang des Pflegeheimes – im Herbst 2023 zogen die Bewohner:innen vom Pflegeheim St. Marienhaus in das ehemalige Klostergebäude um. | Fotos: Cara Hofmann

Der Caritasverband Konstanz e.V. sieht es als seine Aufgabe, für Notlagen aller Art eine Lösung zu finden. Dazu zählen materielle Not, körperliche Not durch Schmerzen und Krankheit und vielfach seelische Not: Einsamkeit, Trauer, Hilflosigkeit. Die Organisation tue dies unabhängig von Konfession oder Weltanschauung, sei aber geleitet vom christlichen Prinzip der Nächstenliebe und Teil der katholischen Kirche. Hinter dem Wort „Caritas“ verbergen sich 500 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter:innen. Die Arbeit der über 30 Dienste und Einrichtungen umfasst Bereiche wie die Kinder- und Jugendarbeit, das Ausbilden, Qualifizieren und Anstellen von Menschen, die Behindertenhilfe und, wie nun hier im Haus Zoffingen, die Seniorenarbeit. 

Die Bedeutung der Seelsorge 

In der langen Tradition der Pflege im Haus Zoffingen spielt heute die Seelsorge eine immer größere Rolle, wie Antje Völkle in ihrer Arbeit zeigt. In unserem Gespräch werden die Rollen von Lebenspflege und Seelsorge in einem Altenpflegeheim diskutiert. Bärbel Sackmann, die Geschäftsführerin der Altenhilfe und Caritas Vorständin, und Antje Völkle, langjährige Mitarbeiterin, gelernte Arzthelferin und Seelsorgerin, beleuchten die Bedeutung von Lebensqualität und seelsorglicher Begleitung für die Bewohner:innen.

Den Umfang der Lebenspflege beschreiben sie als umfassender als nur die Pflegequalität, die von Pflegefachkräften (PDLs) sichergestellt werde. Zusätzlich umfasst die Lebensqualität emotionale und spirituelle Bedürfnisse der Bewohner:innen. Zum Beispiel zählt dazu, die Bedeutung von Ritualen und Festen im Alltag zu beachten. Das vierköpfige Betreuungsteam fördert das soziale Miteinander, z.B. durch Stammtische, Gesprächsangebote oder regelmäßige Kirchgänge. Völkle hält Andachten und Wortgottesdienste und kümmert sich um die festliche Gestaltung von Feiertagen. Sie erklärt:

„Ich sehe mich als Bindeglied zu den Pfarrgemeinden und bin ein Stück weit auch Koordinatorin.“ 

Caritasvorständin Bärbel Sackmann (links) und Antje Völkle (rechts) in der Kantine im Haus Zoffingen.

Bärbel Sackmann betont, dass es in Völkles Arbeit nicht nur darum gehe, Aktivitäten zu organisieren oder Feste zu feiern, sondern auch darauf zu achten, welche Bewohner:innen das Bedürfnis nach einem Gespräch haben. Manchmal sei auch die Unterstützung der Angehörigen wichtig. Besonders wichtig sei, dass christliche Werte, die im Leitbild der Einrichtung verankert sind, nicht nur auf dem Papier stehen, sondern aktiv gelebt werden.

Die Kirche finanziere diese Arbeit mit, weil ihr die praktische Umsetzung dieser Werte ebenso wichtig sei. Sackmann erklärt: „Frau Völkle ist im Haus bekannt! Die Menschen wissen, dass da jemand ist, der ein offenes Ohr hat. Für mich ist sie jemand, der mit einem anderen Blick durchs Haus geht und zum Beispiel sieht, wo es einem Bewohner gerade nicht so gut geht, oder wo Bedürfnisse gerade in der Hektik, im Alltag untergehen. Sie ist für mich ein bisschen die Stimme der Bewohner.“ 

Die Ausbildung und Methoden der Seelsorge  

Antje Völkle betrachtet die Seelsorge als unverzichtbaren Teil der Pflege, der sowohl die emotionale als auch die spirituelle Unterstützung der Bewohner:innen umfasst. Besonders in Übergangsphasen, wie dem Einzug ins Seniorenhaus oder in der Sterbephase, sei es entscheidend, dass nicht nur der Körper, sondern auch die Seele Beachtung findet.

„Wir pflegen den Körper, aber die Seele muss ebenfalls gepflegt werden. Man weiß, das hier ist jetzt das neue Zuhause. Beim Einzug gibt man alles auf, das Zuhause, das Umfeld, den Alltag und muss sich hier komplett auf einen neuen Bereich einlassen“, erklärt Völkle. Der Umzug ins Heim sei oft der Letzte im Leben und gehe mit starken emotionalen Herausforderungen einher. 

Völkle hat spezielle Kurse zur Sterbebegleitung und Spiritualität besucht, um ihre Fähigkeiten in der Seelsorge zu verbessern und Bewohner:innen sowie deren Angehörigen besser zu helfen. Der Qualifizierungskurs „Begleiter und Begleiterinnen in der Seelsorge“ ist ein Kooperationsprojekt der Erzdiözese Freiburg und des Deutschen Caritasverband. Dort lernte Völkle den Umgang mit schweren und persönlichen Themen in der Pflege. Sie besuchte Module, die Themen wie Tod, Trauer und die Bedürfnisse von Bewohner:innen beinhalteten.

Auch die Möglichkeit für Spaziergänge und Zeit draußen wird ermöglicht – besonderes Highlight ist die besonders geschützte Jahrhundert alte Eiche im Garten des Pflegeheimes.

Ein zentraler Bestandteil der Kurse waren Techniken zur Durchführung von seelsorgerischen Gesprächen, um Bewohner:innen besonders zu unterstützen. Völkle beschreibt, dass auch das Thema Spiritualität aufgegriffen wurde, wobei sie und die anderen Teilnehmenden ihre eigenen Überzeugungen reflektierten und sich mit den Gottesbildern der Bewohner:innen beschäftigten. Besonders zu beachten sei, dass ältere Generationen oft eine strengere, starre Vorstellung vom Glauben hätten, vor allem im katholischen Kontext. Sie lernte, wie sie Gottesdienste gestalten und spirituelle Angebote für die Bewohner:innen organisieren kann. 

Diese spirituellen und emotionalen Ansätze werden im Alltag des Hauses Zoffingen praktisch umgesetzt. Bärbel Sackmann hebt hervor, dass Tiere, wie zum Beispiel Besuchshunde, eine bedeutende Rolle spielen. Die Hunde könnten als „Eisbrecher“ dienen, besonders im Umgang mit dementen Bewohner:innen, und den Kontakt zwischen Mitarbeitenden und Bewohner:innen erleichtern. Viele ältere Menschen öffneten sich leichter und zeigten eine herzliche Reaktion auf die Anwesenheit der Tiere, was wiederum Gespräche und emotionale Unterstützung förderte. 

Auch das Einbeziehen von Angehörigen in den Seelsorgeprozess sei eine gängige und wichtige Praxis des Seelsorgeteams. Völkle erklärt, dass durch die Einbindung der Familien oft tiefe und bedeutungsvolle Gespräche entstehen, die nicht nur den Bewohner:innen, sondern auch den Angehörigen helfen, sich mit schwierigen Themen wie Tod und Sterben auseinanderzusetzen. Während in einigen Familien offen über diese Themen gesprochen und sogar die Beerdigung gemeinsam geplant werde, sei es in anderen Familien ein Tabuthema. In diesen Fällen seien die Bewohner:innen oft dankbar, wenn sie jemanden haben, der sich Zeit nimmt, um ihre Wünsche und Werte zu besprechen. Völkle sagt:

„Die Bewohner:innen wissen, da ist jemand, der echtes Interesse zeigt. Viele möchten einfach gesehen und gehört werden. Allein das Zuhören ist schon sehr wertvoll.“ 

In ihrer alltäglichen Arbeit sieht sich Völkle vor allem als Koordinatorin. Sie arbeitet eng mit dem Betreuungsteam zusammen, mit dem sie sich regelmäßig austauscht und bespricht, was die Bewohner:innen aktuell brauchen und wie man ihnen etwas Gutes tun kann. Auch mit den Pflegekräften stehe sie in gutem Kontakt, und wenn sie im Haus sei, werde sie oft um Unterstützung gebeten. Ihre Aufgaben umfassten viel Organisation und Netzwerkarbeit. Für die spirituelle Begleitung von älteren Menschen arbeite sie zum Beispiel mit einem Pallottinerpater zusammen. Die Pallottiner sind eine Gesellschaft apostolischen Lebens in der römisch-katholischen Kirche, ihre Lebensweise ähnelt der einer Ordensgemeinschaft. 

Glaube 

Der Glaube bietet Bewohner*innen wie auch Mitarbeitenden Halt und eine Möglichkeit, Emotionen zu verarbeiten – auf dem Grundstück des Pflegeheimes gibt es eine frisch renovierte Kapelle, die für Gottesdienste und Gespräche genutzt wird.

Sackmann erklärt, dass in ihrer Einrichtung nicht nur die Pflegequalität gesichert ist, sondern sie als christliches Haus der katholischen Kirche besonders die Lebensqualität sehr hoch gewichten. Allerdings habe jede:r Bewohner:in unterschiedliche spirituelle Bedürfnisse und das Betreuungsteam versuche, einzeln auf diese einzugehen. Durch das Ausfüllen eines Fragebogens zu Beginn des Einzuges ins Heim sollen verschiedene Konfessionen und damit einhergehende unterschiedliche Bedürfnisse erfasst und miteingebunden werden.

Auch wer auf dem Papier keiner Religion angehöre, sei natürlich herzlich willkommen. „Religion spielt nur dann eine Rolle, wenn derjenige das will.“ Völkle bekräftigt, dass sie nicht auf Konfessionen achte in ihrer Arbeit: „Ich bin für alle da. Ich umschreibe das mit Spiritualität. Das gefällt mir besser als zu sagen: Ich kümmere mich jetzt um den katholischen Glauben.“ 

Herausforderungen in der Altenpflege 

Sowohl Sackmann als auch Völkle sprechen über die Herausforderungen und emotionalen Belastungen ihrer Arbeit, aber auch über die positiven Begegnungen und den hilfreichen Austausch im Team. Mitarbeiter:innen seien zwar oft mit starken Emotionen wie Trauer und Einsamkeit der Bewohner:innen konfrontiert, es gelinge ihnen aber, eine Balance zwischen positiven und negativen Erfahrungen zu finden.

Sackmann erklärt, dass es auch im Pflegeheim mal schlechte Tage und Konflikte gebe – das sei aber normal, denn es sei ja das neue Zuhause, und dort gebe es alle Emotionen. Sackmann erzählt: „Wir müssen oft Menschen loslassen, weh tut es irgendwann meistens im Pflegeheim. Aber man kann das ja dankend annehmen oder als schön empfinden, was man hatte.“ Völkle betont, dass die Selbstfürsorge ein wichtiger Aspekt der Arbeit sei, durch den Austausch mit Kolleg:innen und ihren Glauben verarbeite sie Erlebnisse und Gefühle. Vor allem die geselligen Feste und der Austausch mit den Bewohner:innen wirkten als Gegengewicht zur Traurigkeit. 

Einsamkeit ist ein zunehmendes Problem im Alter, besonders alleinlebende und kranke Menschen verlassen ihre Wohnung seltener und haben mit Altersarmut zu kämpfen, das berichtet die AOK 2023. Hinzu komme, dass manche ältere Menschen nur noch wenig Kontakt zur Familie hätten, sagt Sackmann. Pflegeheime bieten hier Unterstützung durch strukturierte Gemeinschaftsangebote.

Einer der vielen Wohnbereiche des Pflegeheimes.

Im Haus Zoffingen organisiert und koordiniert diese vor allem Seelsorgerin Völkle. Auch sie selbst nehme sehr viel daraus mit, sagt sie. Sie erzählt von inspirierenden Gesprächen und geteilten Geschichten der Bewohner:innen: „Wir haben Bewohner, die sind über 100. Wenn so jemand dann dasitzt und erzählt… Das ist für mich ein Geschenk. Es gibt Menschen, denen gibt es was, wenn sie in der Kommunikation, im Miteinander sind mit Bewohnern, da gehören Frau Sackmann und ich dazu. Das merkt auch das Gegenüber und dann ist es ein Geben und Nehmen“. 

Als ich von Antje Völkle durch das Altenheim geführt werde, grüßt sie die Senior:innen im Esszimmer beim Namen, hält kurze Gespräche und winkt grüßend im Vorbeigehen. Eine ältere Frau sitzt an einem Tisch mit anderen Bewohner:innen, vor ihr stehen mehrere Blumensträuße. Völkle ruft ihr zu: „Haben Sie wieder schöne Blumen geschenkt bekommen?“

Das Verhältnis scheint vertraut und beinahe freundschaftlich zu sein. Schon nach ein paar Minuten meine ich zu erkennen, was den Zauber dieser Arbeit ausmacht: Die Bewohner:innen lächeln Völkle an, scherzen mit ihr über das Wetter und erzählen von ihrem Mittagessen. Diese kleinen Momente des Austauschs – wie alltägliche Begegnungen, ein Lächeln oder ein freundliches Wort – sind hier besonders wichtig. 

Engagement und Ehrenamt 

Das Altenheim wird auch von ehrenamtlichen Helfer:innen unterstützt, die unter anderem Spaziergänge oder Gottesdienstbesuche mit den Senior:innen unternehmen. Interessierte können sich zur Unterstützung im Heim melden, vor allem Spontanität ist hierbei hilfreich. Das Ziel der Ehrenamtlichen ist vor allem, soziale Kontakte herzustellen und die Bewohner:innen zu unterstützen. Völkle erzählt: „Manche Ehrenamtliche machen sogar Einzelbetreuung. Sie kommen jede Woche oder alle zwei Wochen und besuchen einen festen Bewohner, manche haben auch zwei, das ist toll. Das ist Zeit schenken, Zeit nur zu zweit.“ 

  • Lebenspflege und Seelsorge sind zentrale Aspekte in der Altenpflege, um die Lebensqualität der Bewohner zu sichern. 
  • Seelsorge ist ein integraler Bestandteil der emotionalen und spirituellen Unterstützung. 
  • Mitarbeiter:inen benötigen Ausbildung und Austausch, um mit emotionalen Herausforderungen umzugehen. 
  • Einsamkeit ist ein wachsendes Problem, das durch soziale Angebote und Ehrenamtliche adressiert wird. 
  • Ehrenamtliche sind herzlich willkommen und können einen wertvollen Beitrag zur Lebensqualität der Bewohner leisten.