Manchmal kommt mein Sohn von der Schule nach Hause und sagt „Mensch Papa, das ist alles total unegrecht! Die Mädchen dürfen Quatsch machen so viel sie wollen, da sagt niemand etwas. Aber wenn wir Jungs mal lauter sind, dann meckern immer gleich alle!“ Kann es also sein, dass Jungs in der Schule benachteiligt werden? Die Debatte darüber ist nicht neu und wird immer wieder geführt. In der Schweiz hat beispielsweise Margrit Stamm von der Universität Fribourg 2020 über Jungs als „Bildungsverlierer“ geschrieben.
Tatsächlich gibt es ein paar Argumente, die dafür sprechen, dass Jungs manchmal das Nachsehen haben. Jungen sind im Durchschnitt aktiver, unruhiger und risikofreudiger als Mädchen. Das System Schule belohnt jedoch eher stilles, gewissenhaftes Arbeiten, was eher den Verhaltensweisen von Mädchen entspricht. Vor allem in Grundschulen gibt es nur wenige männliche Lehrer, was dazu führen kann, dass Jungen weniger männliche Vorbilder im schulischen Umfeld haben.

I Foto: Taylor Flowe / Unsplash
Jungs sind in Bildungstests oft schwächer
Und, jetzt komme ich zu dem Punkt meines Sohnes zurück, Jungen erhalten häufiger Ermahnungen, Strafen oder Verweise. Eine mögliche Folge daraus: Sie identifizieren sich weniger mit der Schule, bemühen sich weniger und schneiden deshalb schlechter ab.
Denn auch das ist ja eine statistische Wahrheit: Jungs gehen häufiger auf Förder- und Hauptschulen und stellen einen größeren Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss. Und: Mädchen machen häufiger Abitur als Jungs. In Baden-Württemberg waren es 2022 58 Prozent der jeweils Gleichaltrigen, bei den Jungs hingegen nur 48,7 Prozent.
Bei großen Bildungsstudien wie PISA sind die Differenzen oft fächergebunden. So erzielten die Jungen bei der letzten PISA-Erhebung 2022 in Mathematik 11 Punkte mehr als die Mädchen, während die Mädchen im Bereich Lesekompetenz um 19 Punkte besser abschnitten.
Trotz allem erreichen Jungs eher gut bezahlte Jobs
Beim Lesen scheitern 29 Prozent der Jungen an den Mindestanforderungen, bei den Mädchen fällt der Anteil mit 22 Prozent geringer aus. Zwischen 2012 und 2022 sind die Leistungen von Jungen und Mädchen in Mathematik gleichermaßen schlechter geworden.
Andererseits gibt es auch Punkte, die gegen eine systematische Benachteiligung von Jungs sprechen: So erreichen Mädchen zwar häufiger höhere Schulabschlüsse, aber Jungen haben oft bessere Chancen in technischen und gut bezahlten Berufen. Mit ein Grund dafür, dass Männer in Führungspositionen und besser bezahlten Berufen immer noch überrepräsentiert sind. Manches liegt auch an den Jungs selbst: Sie zeigen häufiger weniger Lernmotivation und Konzentration, was sich eben auch auf ihre schulischen Leistungen auswirken kann.
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Liegt es an zu vielen Lehrerinnen an Grundschulen?
Brauchen wir also, wie einige Bildungsforscher meinen, eine geschlechtersensible Pädagogik, die die unterschiedlichen Lernbedürfnisse von Jungen und Mädchen besser berücksichtigt? Das könnte jedenfalls ein Ansatz sein. Eine auch oft geäusserte Vermutung lautet: Die Benachteiligung von Jungs könnte auch daran liegen, dass es vor allem in der Grundschule viel mehr Lehrerinnen als Lehrer gibt. Die These dazu lautet: Eine so feminisierte Schulkultur entspreche mehr den Lernbedürfnissen von Mädchen und benachteilige dabei Jungen. Ist das wirklich so?
Eher nicht, schreibt Jana Asperger in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung: „In wissenschaftlichen Studien, die die Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen dem Geschlecht der Lehrperson und dem Schulerfolg untersucht haben, zeigen sich meistens keine Effekte auf den Kompetenzerwerb und die Schulnoten der Schüler:innen. Nur in wenigen Studien konnten leichte Tendenzen festgestellt werden, nach denen Mädchen bessere Leistungen zeigten, wenn sie von einer weiblichen im Vergleich zu einer männlichen Lehrkraft unterrichtet wurden. Gleichzeitig machte es für die Leistung von Jungen allerdings keinen Unterschied, welches Geschlecht die Lehrkraft hatte.“
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