Man könnte ja denken – vor dem Mülleimer sind wir alle gleich. Aber die neue Debatte um ein mögliches neues Abfall-Gebührenmodell zeigt: Der Klassenkampf endet nicht an der Mülltonne. Den Eindruck bekommt man jedenfalls, wenn man eine Stellungnahme liest, die der Deutsche Mieterbund Bodensee für die gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft in Konstanz zum Fall formuliert hat: Der neue Tarif schaffe zwei Klassen von Gebührenzahlern, steht dort. Bewohner von Ein-Familien- oder Reihenhäusern, eher wohlhabend, profitierten, Bewohner:innen größerer Wohnanlagen, eher weniger wohlhabend, würden benachteiligt.
Die Gewerkschaft ver.di hat die Beschäftigen der Entsorgungsbetriebe Stadt Konstanz (EBK) für Mittwoch, 22. März, zum Warnstreik aufgerufen. „Darum muss unter anderem mit Einschränkungen im Betrieb von Müllabfuhr und Wertstoffhöfen gerechnet werden“, schreiben die EBK in einer Pressemitteilung.
Die reguläre Abfuhr von Biomüll und vom Gelben Sack entfalle demnach am Mittwoch ersatzlos.
„Restmüll- und Altpapiertonnen können bereitgestellt werden. Die EBK können allerdings nicht garantieren, dass alle Tonnen geleert werden. Die Leerung wird nach Möglichkeit am Donnerstag, 23. März, nachgeholt“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Die Wertstoffhöfe bleiben am Mittwoch voraussichtlich geschlossen.
Außerdem seien EBK Kundenservice, die Abfallberatung und der Vertrieb nur eingeschränkt erreichbar.
Auf der Website der EBK wird laufend über die Einschränkungen im Abfuhrbetrieb und den Öffnungszeiten der Wertstoffhöfe informiert: www.ebk-konstanz.de
Was steckt hinter dem drohenden Konflikt? In den vergangenen Jahren haben die Entsorgungsbetriebe der Stadt Konstanz (EBK) mehrfach versucht, ein neues Gebührenmodell auf den Weg zu bringen – weg vom personenbezogenen Haushaltstarif hin zu einem grundstücksbezogenen Gefäßtarif. Das bedeutet: Nach Wünschen des Unternehmens sollten also künftig nicht mehr die Anzahl der in einem Haushalt lebenden Personen die Höhe der Gebühr bestimmen, sondern Grundstückseigentümer:innen oder Hausverwaltungen pauschal für die jeweilige Wohneinheit Müllgefäße bestellen. Die Kosten sollen dann auf alle Wohnenden gleichmäßig verteilt werden.
EBK könnten bis zu 360.000 Euro einsparen
Schon frühere Änderungswünsche der EBK scheiterten am Widerstand des Gemeinderats. Angesichts der schwierigen Haushaltslage der Stadt und dem Spardruck überall nimmt das städtische Unternehmen nun einen neuen Anlauf.
Das Kernargument der EBK lautet – das bisherige Gebührenmodell sei zu verwaltungsaufwändig. Durch die Berechnung auf Haushaltsebene müssten jedes Jahr 42.000 Gebührenbescheide versandt werden, jede weitere Änderung der Personenzahl im Haushalt verursache weitere Bescheide (laut EBK rund 18.000 pro Jahr), das System schaffe durch seine pauschale Berechnung zudem keine Anreize, Müll einzusparen.
Bisheriges System schaffe keine Anreize, Müll zu vermeiden
Und: Es sei auch nicht flexibel genug: „Das Behältervolumen wird nach der Anzahl der auf einem Grundstück gemeldeten Personen zugeteilt (je 15 Liter Rest- und Biomüll pro Person und Woche). Es kann nicht das tatsächlich gewünschte/benötigte Behältervolumen bestellt werden“, schreiben die EBK in einer Vorlage zur Sitzung des Technischen Betriebsausschuss, der am Donnerstag das Thema erstmals behandelt.
Dort will das Unternehmen vorschlagen, einen neuen Tarif einzuführen, der grundstücksbezogen berechnet wird. Grundstückseigentümer:innen oder Hausverwaltungen könnten demnach die tatsächlich benötigte Leistung bestellen und zwischen kleinen und großen Tonnen sowie zwischen häufigerer oder seltenerer Leerung auswählen. Die Gebührenbescheide gingen dann nicht mehr an alle Haushalte, sondern an die Grundstückseigentümer:innen, Eigentümergemeinschaften oder Hausverwaltungen. So wie es auch bei Wasser und Abwasser jetzt schon der Fall ist. Die Müllgebühr würde dann über die Nebenkosten abgerechnet.
Müllgebühr soll Teil der Nebenkostenabrechnung werden
Im Kern ist das also vor allem eine Verlagerung des Aufwands von der EBK zu den Eigentümer:innen beziehungsweise Hausverwaltungen. Das räumt auch das Unternehmen ein: „Jedoch ist die Aufnahme einer zusätzlichen Abrechnungsposition in die Nebenkostenabrechnung mit weit weniger Aufwand verbunden als die Aufrechterhaltung des derzeitigen komplexen personenabhängigen Systems“, heißt es in der Ausschussvorlage. Bis zu 360.000 Euro könnten die EBK durch die Änderung einsparen, erklärt das Unternehmen. Insgesamt werde der geringere Verwaltungsaufwand „zu einer deutlichen Entlastung der Gebührenzahler führen“, schreiben die EBK.
Ist das wirklich so? Winfried Kropp, Pressesprecher vom Deutschen Mieterbund Bodensee, ist da skeptisch: „Selbst wenn die Entsorgungsbetriebe Verwaltungskosten einsparen können, kommen diese nicht bei den Gebührenzahlern an, da diese die Kosten anderweitig durch zusätzliche Verwaltungskosten, nicht oder nicht sachgerecht umgelegte Betriebskosten oder höhere Mieten bezahlen müssen. Das geplante Abfallgebührensystem wäre also für die Stadt und ihre Bürger als Ganzes nicht günstiger.“
Kleine Haushalte würden vom neuen System benachteiligt
Das Hauptproblem aus seiner Sicht: Müllgebühren seien nur dann umlagefähige Betriebskosten, wenn das in den Mietverträgen verankert sei. Dies sei in vielen Konstanzer Mietverträgen aber nicht der Fall. „Selbst wenn die Gebühren umgelegt werden können, ist dies in größeren Wohnanlagen rechtlich und faktisch nur nach Wohnfläche möglich. Somit zahlt zum Beispiel eine alleinstehende Rentnerin, die in einer 70 m² große Wohnung lebt, die gleiche Gebühr wie eine vierköpfige Familie. Das zeigt deutlich: Die Wohnfläche hat mit dem Abfallaufkommen überhaupt nichts zu tun und ist als Verteilmaßstab ungeeignet“, so Kropp.
„Wie so oft in Konstanz: Wer in einer Mietwohnung im Geschosswohnungsbau wohnen muss, hat weniger schutzwürdige Interessen als andere.“
Winfried Kropp, Deutscher Mieterbund Bodensee
Während durch das neue Gebührenmodell also Bewohner:innen von Ein-Familien- oder Reihenhäusern profitieren könnten, drohten den Bewohner:innen größerer Wohnanlagen überproportionale Gebührensteigerungen, befürchtet der Mieterbund. Sein bitteres Fazit: „Wie so oft in Konstanz: Wer in einer Mietwohnung im Geschosswohnungsbau wohnen muss, hat weniger schutzwürdige Interessen als andere“, schreibt Winfried Kropp.
Höhere Kosten durch größere Container?
Höhere Kosten entstünden vor allem auch, weil der neue Tarif Druck auf Hausverwaltungen großer Wohnanlagen ausüben könnte, zusätzliche Abfallcontainer zu bestellen, um die Überfüllung der Müllplätze und die Müllentsorgung durch fremde Personen in den Griff zu bekommen. „Höhere Container-Kapazitäten vergrößern jedoch das Mülltourismusproblem. Dadurch müssen die Bewohner der Großwohnanlagen mit steigenden Kosten rechnen“, erklärt Winfried Kropp.
Unterstützt wird diese Sorge auch vom Spar- und Bauverein Konstanz, Haus & Grund, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Wobak und weiteren Unternehmen aus der gemeinwohlorientierten Wohnungswirtschaft.
Entscheidung liegt beim Gemeinderat
Wie es in der Sache weitergeht, bestimmt letztlich die Kommunalpolitik. An diesem Donnerstag wird das Thema im Technischen Betriebsausschuss vorberaten, eine Woche später entscheidet der Gemeinderat abschließend.
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