Der Biss in den sauren Apfel

Die Obstbauern in Konstanz, Baden-Württemberg und ganz Deutschland freuen sich über ein ertragreiches Erntejahr. Gleichzeitig trüben Kostensteigerungen und ein angespannter Markt die Stimmung.
Das Bild zeigt Äpfel.
Foto: Marco Roosink

Dieser Jahresrückblick von 2022 klingt so: Groß, saftig und geschmacklich hervorragend – gemeint sind die 2022 geernteten Äpfel am Bodensee. Nach Angaben des Fachverbands Obstregion Bodensee e. V. war die Qualität der Bodensee-Äpfel gut. Das sei viel wichtiger als der reine Ertrag, so Florian Fuchs vom Konstanzer Fuchshof: „Für uns steht die verkaufsfähige Ware im Vordergrund.“

Aber auch die Erntemenge ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen: Die Obstbetriebe am Bodensee haben insgesamt 258.000 Tonnen Äpfel geerntet – das sind 14 Prozent mehr als im Vorjahr und sechs Prozent mehr als der Durchschnitt der vergangenen drei Jahre. „Wir hatten eine mengenmäßig und qualitativ gute Ernte“, resümiert Thomas Romer vom Obsthof Romer in Litzelstetten. 400 Tonnen Äpfel hat der Betrieb 2022 geerntet.

Auf zwölf von 20 Hektar Fläche baut Romer Äpfel an und vermarktet sie dann direkt auf den Konstanzer Wochenmärkten oder im eigenen Hofladen. Das Wetter spielt eine große Rolle für die Apfelernte; 2022 hat es mitgespielt. Trotz der heißen Sommermonate Juli und August gab es genug Niederschläge. „Die Niederschläge kamen immer gerade noch rechtzeitig“, sagt Romer. Direkt nach der Blüte, zur Zellteilungsphase im Mai, hat es ausreichend geregnet – gut für die Größe der Früchte. Die Sonne im Sommer hingegen hat für genügend Zucker gesorgt: „Das tut dem Geschmack gut.“

Auf extreme Wetterlagen hat Thomas Romer seinen Hof schon lange umgerüstet. „Die Extreme werden in Zukunft mehr“, sagt der Obstbauer. Mit seinen Bewässerungsanlagen, die 80 Prozent des Obstes versorgen können, kontert er der trockenen Zeit. Mit Entwässerungsanlagen dem Starkregen. Auch der Hagel habe zugenommen, weshalb er Hagelnetze verwende. Gegen Frost hilft ihm und seinem Obst die Lage am Hang und direkt am See in Litzelstetten: „Bezogen auf den Frost haben wir hier eine der sichersten Lagen am Bodensee“, sagt Romer. 2017 sei deutschlandweit über die Hälfte der Apfelblüte erfroren, der Hof in Litzelstetten blieb weitestgehend verschont. „Ich denke, die Chancen stehen gut, dass der Klimawandel meinem Betrieb nicht so viel ausmacht“, so Romer. Allerdings betont er: „Es sind Chancen, keine Gewissheiten.“

Kostensteigerungen trüben Freude über reiche Ernte

Der Apfel ist das beliebteste Baumobst der Deutschen: Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) wurden im Jahr 2022 rund 1,1 Millionen Tonnen Äpfel geerntet. Damit lag die Ernte rund sieben Prozent über dem Niveau des Vorjahres. Der Großteil der Äpfel wird als Tafelobst verkauft. Der Bodensee zählt gemeinsam mit dem Alten Land in Niedersachsen und Hamburg zu den größten Apfel-Anbaugebieten. Der Apfel ist die Hauptkultur am Bodensee und wächst auf einer Fläche von insgesamt 10.000 Hektar – das entspricht rund 14.000 Fußballfeldern. 

Grafik: Alexander Wucherer

Der Fachverband Obstregion Bodensee e. V. vertritt 1.000 Obstbauern am Bodensee. „Trotz guter Mengen und Qualitäten haben die Obstbauern sehr große Sorgen“, so der Vorsitzende des Verbands, Thomas Heilig. Starke Kostensteigerungen bei Energie und den Betriebsmitteln erhöhen die Produktionskosten. Auch der Mindestlohn fällt ins Gewicht, denn der Apfelanbau ist sehr handarbeitsintensiv – 80 Prozent der Arbeiten werden beim Obsthof Romer von Hand gemacht. In Litzelstetten kostet ein Kilo Äpfel in der Produktion 50 Cent, davon sind 40 Cent Lohnkosten. Der Fachverband Obstregion Bodensee geht von zehn bis 15 Cent pro Kilo Äpfel Mehrkosten in der Produktion aus.

Die Erlöse wiederum steigen nicht, sondern sinken: Für Tafelobst Klasse 1 liegen sie aktuell bei 12 Cent pro Kilo unter dem Vorjahresniveau. „Eigentlich sollten wir die Preise unserer Äpfel erhöhen“, sagt Romer. Gleichzeitig ist der Preisdruck sehr hoch. Er zieht dafür den Vergleich: Beim Südspanier koste die Produktion eines Apfels nur 20 Cent, weil er nur 10 Cent Lohnkosten habe. Damit können die Bodenseeäpfel nicht konkurrieren. Und: Es gibt gerade zu viele Äpfel auf dem europäischen Markt. „Große Erntemengen in Europa und Verschiebungen in den Absatzmärkten durch den Krieg in der Ukraine führen zu Mengendruck auf dem europäischen und vor allem deutschen Markt“, sagt auch Thomas Heilig. 

Denn bundesweit fiel die Ernte 2022 nach Zahlen des Statistischen Bundesamts im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt (2012 bis 2021) rund zehn Prozent höher aus. Nach den besonders guten Erntejahren 2014 und 2018 liegt die Apfelernte 2022 auf Platz drei der ertragreichsten Apfelernten der vergangenen zehn Jahre. In Baden-Württemberg wurden 2022 bundesweit die meisten Äpfel geerntet. Damit lag die Erntemenge rund 17 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt (2012 bis 2021). 

Umsatzrückgang bei Konstanzer Betrieben

Der angespannte Markt führt zu einem Umsatzrückgang bei den Konstanzer Betrieben. Haben sie in den Vorjahren noch von der Corona-Krise, geschlossenen Restaurants und der Kaufwilligkeit der Verbraucher:innen profitiert, hat sich die Lage mittlerweile wieder gedreht. „Es war kein einfaches Jahr, weil vieles im Wandel ist“, resümiert Florian Fuchs die Entwicklungen am Obstmarkt und die Auswirkungen für seinen Hof. Auf insgesamt 25 Hektar Land baut der Fuchshof in Konstanz verschiedene Obstsorten an. Sorge bereiten dem Inhaber die gestiegenen Kosten: „An sich würden die Umsätze passen, aber die gestiegenen Kosten passen dazu nicht. Das Missverhältnis ist das, was uns Probleme macht.“ Der Fachverband geht sogar noch weiter: „In der aktuellen Situation ist keine kostendeckende Produktion für die heimischen Obstbaubetriebe möglich“, sagt der Vorsitzende Heilig. Zudem sei eine deutliche Kaufzurückhaltung bei den Verbrauchern zu spüren.

Florian Fuchs blickt „vorsichtig optimistisch“ in die Zukunft. „In unserer Branche hat man Bauchweh, aber wir bleiben trotzdem optimistisch, weil die deutsche Landwirtschaft gebraucht wird“, sagt Fuchs. Der Ertrag im Apfelbau geht seit Jahren zurück. Heute gibt es viel mehr Obstsorten auf dem Markt. Heißt: Die Konkurrenz für den Apfel steigt. Laut Florian Fuchs sind bei ihnen Himbeeren zurzeit stark im Kommen, auch die Süßkirschen hätten sich entwickelt. Daran richtet der Landwirt als Direktvermarkter sein Angebot aus. „Die Landwirte haben schon immer die Sachen angebaut, die sie auch vermarkten konnten“, sagt er. Das bedeutet auch: Was sich nicht verkauft, fliegt aus dem Sortiment. 

Um zukunftsfähig zu bleiben, diversifiziert auch Thomas Romer sein Angebot. 14 verschiedene Obstarten bietet er mittlerweile an und verkauft sie an rund 20.000 Kund:innen in Konstanz. Von seinen über 25 verschiedenen Apfelsorten im Sortiment sind der Elstar und der Weiland die beliebtesten. Im vergangenen Jahr ist der Umsatz um fünf bis zehn Prozent zurückgegangen. „Uns geht es als Betrieb noch gut, aber es ist eine spannende Zeit“, sagt Romer. Der Apfelanbau ist im Vergleich zu dem von anderen Obstsorten wie Erdbeeren wenig flexibel. Mit der Pflanzung eines Baums legt man sich für 20 Jahre fest. Blickt Thomas Romer so weit in die Zukunft, befürchtet er, dass es dann nur noch drei Viertel der heutigen Apfelbauern am Bodensee geben wird.