Wann immer es ums Geld geht, kochen die Emotionen hoch. Wenn es dann zusätzlich auch noch um Kinder geht, wird die Stimmung noch aufgeheizter. So war das auch am vergangenen Donnerstag im Gemeinderat, als eine Erhöhung der Kitagebühren auf der Tagesordnung stand.
Im Vorfeld der Sitzung hatten rund 100 Eltern, teilweise mit ihren Kindern, gegen die geplante Erhöhung demonstriert. Mit Pfeifkonzerten und Plakaten („Kitas dürfen kein Luxus werden!“) machten sie den Stadträt:innen klar, was sie von den Preissteigerungen halten. Der Tenor der protestierenden Familien lautete: Die geplanten Erhöhungen sind unsozial und wir fühlen uns nicht gehört in der Diskussion darüber.
<!– Paywall –>Rund fünf Stunden später hatte der Gemeinderat trotzdem mit großer Mehrheit (einzig die Linke Liste hatte geschlossen gegen die Erhöhungen gestimmt) eine Gebührenerhöhung um 25 Prozent beschlossen. Es ist die erste Erhöhung seit vielen Jahren. Klingt nach Niederlage, aber die Elternvertreter:innen können Teilerfolge für sich verbuchen. Zum einen erreichten sie schon im Vorfeld der Sitzung mit Unterstützung aus dem Gemeinderat eine Reduzierung der geplanten Erhöhung von 35 auf 25 Prozent.
Die neuen Gebührensätze sollen ab September 2023 gelten
Zudem werden sie im weiteren Verfahren stärker mitreden können. Das betrifft vor allem die konkrete Ausgestaltung einer ebenfalls beschlossenen Einkommensstaffelung der Kitagebühren. Das heißt – künftig wird auch die Höhe des Familieneinkommens mit darüber entscheiden, wie viel man für die Kita zahlen muss.
Wie genau das berechnet werden soll, das soll nun gemeinsam mit den Elternvertreter:innen bis zum Sommer beraten werden. Sozialbürgermeister Andreas Osner (SPD) versprach in der Sitzung faire Gespräche mit den Eltern, erinnerte dabei aber auch an ein Motto des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann: “Wir werden Sie vielleicht nicht in allen Punkten erhören, aber auf jeden Fall anhören.”
Die neuen Gebührensätze sollen ab September 2023 gelten. Und das zunächst für die Jahre 2023 und 2024. Weitere Gebührenerhöhungen danach sind nicht ausgeschlossen, aber sie sind auch kein Automatismus. Der Gemeinderat soll jedes Haushaltsjahr neu darüber entscheiden.
Familien mit mehreren Kindern werden stärker entlastet als bislang. Besuchen mehrere Kinder zur gleichen Zeit eine Kindertagesbetreuung in Konstanz, gibt es für das zweite Kind eine Ermäßigung um 25 Prozent. Für jedes weitere Kind entfällt die Gebühr. Dabei spielt es keine Rolle, ob es die gleiche Kita oder eine andere Einrichtung ist.
Was bedeutet das nun konkret für die Preise ab September? Beschlossen wurde nun erstmal nur ein Grundbetrag für die verschiedenen Betreuungsarten in Krippe und Kindergarten. Für die Betreuung von Krippenkindern mit einem so genannten VÖ-Platz (zwischen 7 und 14 Uhr) liegt dieser monatliche Sockelbetrag bei 165,30 Euro (33,30 Euro mehr als bislang). Bei Ganztags-Krippenkindern liegt er bei 305,28 Euro (60,96 Euro mehr als bislang). Im Kindergartenbereich variiert der Betrag zwischen 82,50 Euro (VÖ) (16,50 Euro mehr als bislang) und 165,14 Euro (Ganztags) (32,66 Euro mehr als bislang) im Monat. Das bedeutet aber nicht, dass für alle Familien diese Preise gelten. Dies sind bislang nur Orientierungswerte.
Klar ist aber schon jetzt – die Erhöhung trifft besonders Familien, die einen Ganztagsplatz für Unter-3-Jährige brauchen. Dort steigt der Preis absolut am höchsten – um fast 61 Euro im Monat. Aufs Jahr gerechnet wären das 732 Euro Mehrkosten. Aber, wie gesagt, diese Preise sind nur vorläufig und hängen vom Ausgang der weiteren Verhandlungen zwischen Verwaltung und Elternvertreter:innen ab.
Die Kitagebühren hängen vom Alter der Kinder und der Dauer der Betreuung ab. Je jünger die Kinder und je länger die Betreuung dauert, um so teurer wird es. Zur konkreten Berechnung. Die Krippenbetreuung umfasst bei VÖ (verlängerter Öffnungszeit, 7 bis 14 Uhr) 30 Wochenstunden und bei GT (Ganztagsplatz) 48 Wochenstunden. Die Kindergartenbetreuung umfasst bei VÖ 30 und bei GT 46 Wochenstunden.
Multipliziert man diese Wochenstunden mit den erhöhten Stundensätzen, ergibt sich der zukünftige Sockelbetrag für das jeweilige Betreuungsangebot. Die Stadtverwaltung weist aber darauf hin: “Wie sich die Sockelbeträge auf welche Einkommensgrenzen auswirken, kann im Moment nicht angegeben werden.” Das wird nun erst noch ausgehandelt zwischen Verwaltung und Elternvertreter:innen.
Unabhängig davon kommt zu den Betreuungsgebühren noch das so genannte Essensgeld für die Verpflegung der Kinder in den Einrichtungen. Dies lag bislang bei 90 Euro pro Monat.
Angaben des Familieneinkommens per Selbsterklärung
Denn: Der Einfluss des Familieneinkommens auf die Gebührenhöhe wird erst noch berechnet. Vereinfacht gesagt: Wer wenig verdient, wird tendenziell weniger zahlen. Wer viel verdient, wird eher über diesem Sockelbetrag liegen. Was geringer Verdienst und was hoher Verdienst bedeutet und wie viele Stufen es dazwischen braucht, wird aber in den nächsten Wochen erst noch gemeinsam mit Elternvertreter:innen erarbeitet. Das bisher von der Verwaltung vorgelegte Modell wurde ad acta gelegt.
Als Nachweis des Familieneinkommens ist bislang eine Selbsterklärung der Eltern geplant. Um die Richtigkeit dieser Angaben zumindest stichprobenweise überprüfen zu können, wird eine neue halbe Stelle im Sozial- und Jugendamt geschaffen. Auch das wurde am Donnerstagabend beschlossen. Schon jetzt gibt es aber Vorbehalte gegen dieses System. Elternvertreter:innen hatten die Befürchtung geäußert, dass ein solches auf Selbsterklärungen beruhendes System zum Betrug einlädt, um günstigere Gebührenstufen zu erreichen. Ganz ähnlich wie das auch beim Kitaplatz-Vergabesystem geschieht.
Stadträt:innen haben es sich nicht leicht gemacht
Die Debatte im Gemeinderat machte aber auch deutlich, dass sich die Stadträt:innen die Entscheidung zwischen einer sozialen Ausgestaltung der Gebühren und einer angemessenen Ausstattung der Kitas nicht leicht gemacht haben. „Wir haben jahrelang gegen Gebührenerhöhungen gestimmt“, sagte beispielsweise SPD-Stadträtin Tanja Rebmann, „auch, weil wir gehofft hatten, dass das Land seinen Kurs irgendwann endlich korrigiert und den Weg für kostenfreie Kitas in Baden-Württemberg frei macht.“
Da dies nicht geschehen sei, komme man an einer Erhöhung nun nicht vorbei: „Ohne die finanzielle Unterstützung des Landes ist es weder der Stadt Konstanz – viel weniger aber noch den freien Trägern der Kitas in unserer Stadt – möglich, die Gebühren weiter auf dem im landesweiten Vergleich aktuell sehr geringen Niveau zu halten.“
Im Landesvergleich zahlen Eltern in Konstanz geringe Kitagebühren
Das Sozial- und Jugendamt hatte im Vorfeld der Sitzung auch auf die gestiegenen Kosten der Einrichtungen hingewiesen, die durch Teuerungen und Tarifabschlüsse entstanden seien. Zudem zahlen die Eltern in Konstanz bislang vergleichsweise wenig: 40,4 Millionen Euro kostet der Betrieb der Konstanzer Betreuungseinrichtungen im Jahr, 5,2 Millionen davon kommen von den Eltern. Das sind knapp 12,9 Prozent. Eine landesweite Empfehlung liegt bei 20 Prozent.
Ziel müsse es sein, diese Marke zu erreichen, sagte CDU-Stadtrat Roger Tscheulin. Für die Verhandlungen mit den Elternvertreter:innen nannte Till Seiler (Freie Grüne Liste) als Richtschnur, dass vor allem Menschen mit geringem Einkommen entlastet werden müssen. Und Jürgen Faden (Freie Wähler) mahnte an, dass die Stadt nun für die zukünftige Finanzierung dringend Gespräche mit Land und Bund suchen sollte, da die Kosten von den Kommunen alleine so nicht mehr zu stemmen seien.
Aus der Stadtverwaltung kamen am Tag nach der Entscheidung Entspannungssignale: „Die Verwaltung begrüßt den gestrigen Beschluss des Gemeinderats die Ausgestaltung des neuen Modells in Zusammenarbeit mit den Elternvertretungen zu entwickeln und ist bereits im Kontakt mit den Elternvertretungen“, erklärte der städtische Pressesprecher Walter Rügert auf Nachfrage von karla.
„Die Bedingungen in den Kitas sind viel schlechter geworden“
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