Schulkinder haben dieses Jahr 79 Tage Ferien. Nicht eingeschlossen sind dabei Brückentage oder Feiertage. Und wie viele Urlaubstage bekommt man im Schnitt in Deutschland als Angestellte:r? Gesetzlich stehen den Mitarbeiter:innen mindestens 20 Urlaubstage im Jahr zu. Ob Arbeitgeber:innen mehr gewähren, ist ihnen überlassen. Im Normalfall sind aber 30 Tage das Maximum. Das Statistische Bundesamt verzeichnete 2021 einen Durchschnitt von 32,1 genommenen Urlaubstagen und führt das auf „Ausfalltage aufgrund von Abwesenheit von Eltern infolge von Schul- und Kitaschließungen, Grenzschließungen und auf Quarantäneanordnungen bei Beschäftigten zurück“. Nicht mal mit einer überdurchschnittlich hohen Anzahl an separat genommenen Urlaubstagen können vollzeitarbeitende Eltern, die dann gemeinsam 64,2 Urlaubstage hätten, die Ferien komplett abdecken. Wie Alleinerziehende dastehen, erschließt sich von selbst.
Im Einzugsgebiet Konstanz leben 7.242 Kinder im Alter zwischen 0 und 10 Jahren (Stand 2022). Dass jedes Kind in den Ferien betreut werden kann, ist allein schon durch fehlendes Personal und Ehrenamtliche nicht möglich. Trotzdem bemüht sich die Stadt, Eltern, die in den Schulferien keinen Urlaub haben, eine Kinderbetreuung zu ermöglichen. Die „Verlässliche Ferienbetreuung“ wird von der Städtischen Kinder- und Jugendarbeit in Kooperation mit verschiedenen Vereinen, Einrichtungen und Veranstaltern durchgeführt. Jährlich werden in Konstanz ungefähr 600 Kinder aufgenommen.
Ähnlich wie bei der Kitaplatz-Vergabe haben Eltern die Möglichkeit, ihr Kind jährlich vorzumerken. Im Fragebogen für die Vormerkung werden der Familienstatus – also beispielsweise alleinerziehend oder gemeinsame Erziehung – und der Beschäftigungsumfang der Eltern abgefragt. Auch hier sammeln die Familien Punkte: Je mehr Punkte, desto besser die Chancen auf einen Platz in der Ferienbetreuung. Ausgewählt wird dann von einem Computer. Familien ohne Platz haben, je nach Arbeitgeberbescheinigung, die Möglichkeit, eine Betreuung durch eine Tagesmutter:vater in Ergänzung zur Kita oder Schule zu nutzen, auch außerhalb der Ferien. Es gibt in der Kindertagespflege keine expliziten Plätze für die Ferienbetreuung. Nicht erst seit dem akuten Fachkräftemangel in den Einrichtungen der Kindertagesbetreuung ist in der Kindertagespflege eine hohe Nachfrage zu verzeichnen. Derzeit werden in Konstanz 245 Kinder von 75 Kindertagespflegepersonen betreut, davon 162 Kinder unter 3 Jahren. 83 Kinder zwischen 3 und 14 Jahren werden regelmäßig in Ergänzung zur Kita und zur Schule in der Kindertagespflege betreut.
Die Kleinen bleiben auf der Strecke
Die Ferienangebote sind zum Großteil für Kinder ab sechs Jahren gedacht, meist sogar mit dem Hinweis für Schulkinder. „Das hat den Hintergrund, dass Schulkinder schon erste Erfahrungen mit Bezugspersonen- und Einrichtungswechsel haben“, bestätigt Claudia Kienzler, Leiterin vom KinderKulturZentrum (kurz: KiKuZ) Konstanz. Das KiKuZ bietet das umfangreichste Ferienangebot in Konstanz an. In einzelnen Fällen sind Angebote auch für 5-Jährige, aber das ist eher die Ausnahme. Während sich Schulkinder also beim Gärtnern, Sport, Malen oder in der Natur austoben können, haben die ganz Kleinen die Möglichkeit, gemeinsam mit ihren Eltern das Eltern-Kind-Turnen des TV Konstanz zu besuchen. „Es ist schwierig, ein Ferienangebot für ganz kleine Kinder anzubieten. Der Betreuungsaufwand ist einfach zu hoch. Es gibt in den Hallen keine Wickeltische oder Toiletten für ganz kleine Kinder“, sagt der Geschäftsführer Niklas Holzmann vom TV Konstanz.
„Für Eltern, die keine Großeltern in der Nähe haben und arbeiten müssen, ist es wirklich ein Problem, dass die kleinen Kinder keine Ferienangebote wahrnehmen können“, sagt eine Mutter, die namentlich nicht genannt werden will. Die Stadt versucht dieses Problem zu beheben: Die 32 Schließtage in Kitas und Kindergärten sind so geregelt, dass niemals alle Einrichtungen gleichzeitig geschlossen sind. Das heißt, die Kinder haben in der Theorie einen Anspruch darauf, in den Schließzeiten den Kindergarten zu wechseln. In der Praxis sieht das oft anders aus.
Wie realistisch ist das?
„Wir beschäftigen uns sehr viel mit einer kindgerechten und sanften Eingewöhnung, nehmen uns Zeit für das ganze System Familie und nutzen hierfür bewährte Eingewöhnungskonzepte. Es kam bei uns noch nie vor, dass ein Kind in Schließzeiten zu uns gewechselt hat. Die Kinder müssten sich für einen kurzen Zeitraum neu eingewöhnen, kommen in eine neue Gruppe bzw. in eine neue Kindertageseinrichtung mit fremden Kindern, Fachkräften und gegebenenfalls anderen Tagesstrukturen. Das kann für die Kinder überfordernd sein und eine große Belastung darstellen, weshalb wir diese Form der Betreuung immer gut abwägen müssen“, erklärt Steffi Freitag, Leiterin des Kindergartens St. Stephan. Hier stellt sich auch die Frage, wie sinnvoll die Betreuung durch eine:n Tagesmutter:vater für kleine Kinder in den Ferien ist.
Wohin also mit Kindern unter fünf Jahren, wenn die Eltern zu den Schließzeiten arbeiten müssen? Viele behelfen sich mit den Großeltern oder versuchen ihre Urlaubstage so aufzuteilen, dass die 32 Schließtage abgedeckt sind. Jacqueline Wernicke, Geschäftsführerin des Kinderladens „Die Eule“ in der Hussenstraße, findet, dass 32 Schließtage im Jahr gut zu überbrücken sind. Die Mutter von drei Kindern im Alter von 8 und 5 Jahren und 10 Monaten kommt durch ihre Arbeit im Kinderladen und ihre Beratungstätigkeit beim Sozialdienst katholischer Frauen e. V. (SkF) viel mit Eltern in Kontakt. „Ich habe bei meinen Kindern nie darüber nachgedacht, dass sie unter fünf Jahren ein Ferienprogramm bräuchten. Die Kitaeingewöhnung ist ja schon ein echter Hammer für die Kinder und deshalb habe ich das gar nicht als Option gesehen. Das kommt aber natürlich auch immer auf das Kind an. Durch meine Beratungstätigkeit bekomme ich schon mit, was Eltern bewegt. Zu wenig Ferienprogramm war da noch nie ein Thema.“
Konstanzer Vereine helfen mit
Die HSG arbeitet mit der Stadt in der „Verlässlichen Ferienbetreuung“ zusammen und versorgt bis zu 600 Kinder zwischen 6 und 12 Jahren. Die Kosten für das Programm tragen in der Regel die Eltern. „Die Strukturen der Vereine sind natürlich unterschiedlich. Die HSG hat durch den Sportbetrieb ein Ticketwebsystem, das sie für die Buchungen für die Ferienbetreuung verwenden kann. Familien mit Sozialpass müssen die entsprechenden Nachweise dem Jugendamt vorlegen und bekommen dann Nachlass. Das gilt auch für Familien mit geringem Einkommen“, erklärt Irene Jun, die bei der Stadt für Kinder-, Jugend-, Senioren- und Stadtteilarbeit zuständig ist. Für jedes im Verein angemeldete Kind, bekommt die HSG (und auch die anderen Sportvereine) 18 Euro im Jahr. Im Programm integriert sind freier Sport, Frühstück, Snacks und ein warmes Mittagessen. Das muss erst mal gestemmt werden für 600 Kinder.
„Früher war das noch anders. Da haben die Eltern sich auch engagiert und die Betreuung mit übernommen. Das wird immer weniger“, sagt Otto Eblen, Geschäftsführer der HSG. Dem stimmt Niklas Holzmann vom TV Konstanz zu. Die Sportvereine sind auf ehrenamtliche Helfer:innen angewiesen. Allein durch Übungsleiter:innen oder Ehrenamtliche sei ein Pensum für über 7.000 Kinder nicht zu bewältigen.
Bei der HSG sowie beim TV Konstanz fängt die Arbeit aber auch schon vor den eigentlichen Programmen an. „Viele Eltern haben im Vorhinein Fragen. Da ist schon ein enormes E-Mail- und Anrufaufkommen, das wir zusätzlich abfangen“, sagt Birgit Jörger, die für die Kinder- und Jugendbetreuung bei der HSG zuständig ist.
Nicht nur die HSG bietet ein Ferienprogramm an. Auch andere Konstanzer Vereine und Verbände bemühen sich, die Eltern in den Ferien zu unterstützen. So auch die Stadtteilzentren wie zum Beispiel in der Chérisy oder <in Petershausen, die zielgruppenübergreifend für Kinder und Eltern Angebote schaffen. Auf der Mainau können Kinder gärtnern, in der Kunstschule werden Talente gefördert und die Fachhochschule vermittelt spielerisch Wissen über den Bodensee. Sportvereine bieten in der Regel ein umfassendes Sportprogramm zu Ferienzeiten an. „Durch die Unterstützung der Vereine, Treffpunkte und Verbände können in den Sommerferien zusätzlich zur ‚Verlässlichen Ferienbetreuung‘ 1.200 Kinder betreut werden“, sagt Irene Jun.
Die Kosten
Die Preise für die Angebote variieren und können nicht auf eine Zahl heruntergebrochen werden. Grundsätzlich bemühen sich Stadt, KiKuZ und Vereine die Kosten zu deckeln, was aber nicht bedeutet, dass sich jede Familie das Programm leisten kann. „Im KiKuZ gibt es keine feste Kostenaufteilung. Grundsätzlich bezuschusst das KiKuZ alle Programme, aber die Eltern haben auch einen Anteil der Kosten. Die Plätze, die wir für die Verlässliche Ferienbetreuung freihalten, werden von den Eltern bezahlt“, sagt Claudia Kienzler und Irene Jun ergänzt: „Das Programm der Stadt richtet sich gezielt an berufstätige Eltern. Bei einer Ganztagsbetreuung von neun Stunden und Mittagessen kommen pro Woche pro Kind 200 Euro auf die Eltern zu.“ Für Pflegefamilien und Familien mit Sozialpass werden die Kosten für alle Ferienprogramme um 80 Prozent gemindert. Geschwisterkinder bekommen ebenfalls kleine Vergünstigungen.
Eine Woche Sportprogramm bei der HSG kostet in der Ganztagsbetreuung 207 Euro. Der TV Konstanz bietet den Service für eine halbjährige Mitgliedschaft für die Termine des Eltern-Kind-Turnens an und verlangt dafür 100 Euro. Beim TV Konstanz kostet eine Woche Ferienbetreuung für Mitglieder 100 Euro, für Nicht-Mitglieder 130 Euro. Damit werden die Kosten für Essen und Betreuungspersonal (fünf Stunden am Tag) abgedeckt.
Der Gemeinderat, der erst kürzlich den Haushalt für 2023 und 2024 festlegte, hat der „Verlässlichen Ferienbetreuung“ gar keine Gelder genehmigt. Zwar gab es eine finanzielle Steigerung im Budget der „Verlässliche Ferienbetreuung“ von 55.000 auf 100.000 Euro. Diese Gelder werden aber durch die Erhöhung der Elternbeiträge finanziert und nicht durch die Stadt. Agiert die Stadt, wie auch zuvor in der Kita-Krise, an den Wünschen und Bedürfnissen von Familien vorbei? Soteria Fuchs, Stadträtin der Freien Grünen Liste, hat da eine klare Haltung: „Es ist in Konstanz ein Problem, dass es keine Politiker gibt, die Kinder im Kleinkindalter haben, die betreut werden müssen. Das merkt man. Und es müsste ein Verein gegründet werden, der Familieninteressen vertritt.“
Private Angebote
Für Familien, die keinen Ferienplatz ergattern konnten und Kinder unter 6 Jahren haben, gibt es auch private Angebote. Die sind allerdings teurer. Tabea Liermann arbeitet als Reittherapeutin und hat auf Anfrage einiger Eltern nun ein privates Ferienangebot etabliert. Für 50 Euro am Tag bekommen Kinder ab 5 Jahren von 8.30 bis 14 Uhr Reitunterricht. „Die Kinder sollten selbst laufen und kommunizieren können, was sie möchten und was nicht“, sagt die 26-Jährige.
Michael Holder gründete 2019 privat die Rabaukenrunde. „Es gab damals leider kein Angebot für meine Tochter. Alle Kurse und Angebote waren immer ausgebucht.“ Um die Rabaukenrunde in seinen Alltag zu integrieren, wechselte Michael Holder den Arbeitgeber und ist dankbar für die Zeit, die er dadurch mit seinen Töchtern verbringen kann. Die Kurse sind mit zehn bis 13 Kindern immer ausgebucht. Die Rabaukenrunde bietet für Kinder zwischen 2 und 5 Jahren eine Kombination aus Kinderturnen und Workout mit Kampfsportelementen an. Die Kurskosten liegen bei 69 Euro. Der kidsplace in der Max-Stromeyer-Straße macht mit Ausnahme von Weihnachten und drei Wochen Sommerpause das ganze Jahr Kurse für Kinder ab 2 Jahre.
Was es bräuchte
„Ich finde grundsätzlich, dass man nicht immer alles der Stadt zuschieben kann, wenn etwas nicht funktioniert. Die sind da schon bemüht“, sagt Niklas Holzmann vom TV Konstanz. Was das Ferienangebot angeht, versucht die Stadt die Eltern zu unterstützen. In Kombination mit den vielen fehlenden Kitaplätzen ist die Situation für viele berufstätige Eltern aber trotzdem schwierig. Der Schwimmverein Sparta e. V. bietet unabhängig von der Stadt Schwimmkurse an.
Die Konstanzer Bäderbetriebe entscheiden selbst, wie die Wasserflächen verteilt werden. „Grundsätzlich ist die Situation der Bäder nicht schlecht, aber die Nachfrage ist zu groß, um allem gerecht zu werden. Wichtig wäre, dass das Hallenbad am Seerhein länger geöffnet bleibt und nicht zu Pfingsten geschlossen wird, sondern bis zu Beginn der Sommerferien geöffnet ist“, sagt Arlette Stockburger vom Schwimmverein Sparta e. V. Das gehe aber aus technischen Gründen nicht. Die Technik müsse umgebaut werden, was aktuell aber finanziell nicht umgesetzt werden kann. Aufgrund der finanziellen Lage der Stadt sind sämtliche Bereiche der Stadt angehalten, zu sparen. Das trifft auch die Bädergesellschaft.
Auch wenn die Konstanzer Ferienbetreuung Lücken aufweist und einige Familien unglücklich zurückgelassen werden, gibt es durch die Unterstützung der Vereine, Verbände und Stadtteilzentren viele Möglichkeiten, den Kindern eine schöne Ferienzeit zu organisieren. Die vielen Puzzleteile lassen sich zu einem Ansatz zusammensetzen, der auch für berufstätige Eltern zumindest Lösungsansätze bietet.
Für Eltern, die wirklich komplett leer ausgehen, wäre eine alternative Möglichkeit, sich mit anderen Familien zu organisieren. Das wäre auch mit kleinen Kindern umsetzbar, denn im besten Fall kennen die Kinder und Familien sich schon untereinander. Was Konstanz nämlich wirklich kann: für Ferienlaune sorgen. Im Sommer am See mit den Kids – das hat doch auch was.
Weil sich einige Eltern schwertun, die verschiedenen Programme zusammen zu suchen, hat karla eine Link-Liste erstellt. Hier ein Überblick zu Ferienangeboten für Ihre Kinder:
→ Ferienprogramm der HSG Konstanz
→ Ferienprogramm des TVK Leichtathletik
→ Informationen der Stadt Konstanz
→ Informationen der Städtischen Kinder- und Jugendarbeit
→ Ferienprogramm der Universität Konstanz
→ Ferienprogramm der Kunstschule Konstanz
→ Ferienbetreuung der HTWG Konstanz
→ Ferienbetreuung des AWO Treffpunkt Chérisy
→ Grüne Schule der Insel Mainau
→ Informationen des Kinderkulturzentrums der Stadt Konstanz
→ Ferienangebote der VHS Konstanz
→ Rabaukenrunde Sport & Spaß
→ Kidsplace e.V. Kinder- & Familiensport
→ Schwimmschule des Schwimmklub Sparta Konstanz e.V.
→ Reittherapeutin Tabea Liermann ist unter 0176 467 35619 zu erreichen
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