Wer heute einen neuen Mietvertrag unterschreibt, der kann sich sicher sein, mehr Miete zahlen zu müssen als alle anderen Nachbar:innen ringsherum. Viel mehr. Neumieten liegen im Schnitt 39 Prozent über der sonst ortsüblichen Miete, hat das Forschungs- und Beratungsinstitut Empirica erhoben. Das muss man sich als Familie in einer ohnehin teuren Stadt wie Konstanz erstmal leisten können.
Tatsächlich ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt für Familien dramatisch. An Eigentum ist ohne beträchtliches Erbe hier kaum zu denken und die Mieten in Konstanz sind in den vergangenen Jahren so drastisch gestiegen, dass vielen Familien nur eine Option bleibt, wenn sie bezahlbaren Wohnraum finden wollen – raus aus Konstanz.
Nirgendwo fließt so viel vom Einkommen in die Miete wie hier
Interessant sind dabei vor allem zwei Zahlen: Zwar sind in den vergangenen 20 Jahren mehr als 6000 neue Wohnungen entstanden. Aber in der für Familien interessanten Größe von 4- bis 5-Zimmerwohnungen ist die Zahl seit 2002 rückläufig. Entstanden sind demgegenüber vor allem 1-, 2- und 3-Zimmerwohnungen. Das hat eine kleine Anfrage des Singener SPD-Landtagsabgeordneten Hans-Peter Storz an die Landesregierung im April dieses Jahres gezeigt.
Dazu kommt: Nirgendwo in Baden-Württemberg müssen Menschen so viel von ihrem Jahreseinkommen für die Miete ausgeben wie in der Region Hochrhein-Bodensee: Im Mittel sind es 28,5 Prozent vom Jahreseinkommen. Auch die Zahl der Ausreißer nach oben ist hier besonders hoch: 38 Prozent der Mieter:innen in der Region Hochrhein-Bodensee müssen mindestens 30 Prozent (oder mehr) ihres Jahreseinkommens für die Miete berappen.
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Beengte Wohnverhältnisse sorgen für Konflikte
„Familien, die in Konstanz eine neue Wohnung suchen, haben es extrem schwer“, sagt denn auch Winfried Kropp, Vorsitzender des Mieterbund Bodensee. Das führe dazu, dass Familien oft länger in ihren Wohnungen bleiben als üblich. Die Familienplanung und Kinderwünsche werden verschoben, Konflikte entstehen. „Wenn ein Schulkind keine Möglichkeit hat, in Ruhe zu lernen, dann wird das irgendwann auch ein bildungspolitisches Problem“, sagt Kropp. Nicht umsonst hatte das städtische Sozial- und Jugendamt in seinem letzten Jahresbericht auch darauf hingewiesen, dass beengte Wohnverhältnisse ein Grund für zunehmende Konflikte in Familien sind.
Fragt man Winfried Kropp nach den Gründen für die angespannte Lage auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt, dann nennt er vor allem drei Effekte: „Der Tourismus entzieht über Ferienwohnungen und Airbnbs Wohnraum, größere Wohnungen werden oft eher als WG genutzt, weil die Vermieter so mehr Geld verdienen können und durch ihre Attraktivität ist die Region grundsätzlich ein Zuzugsgebiet.“ Das alles heize den Kampf um Wohnungen auf. Familien gerieten da oft ins Hintertreffen, weil sie bei den Preisen nicht mithalten können und auch nicht beliebig viel Zeit für einen Wohnungswechsel haben.
Was gut läuft in Konstanz
Dabei gebe es durchaus auch positive Zeichen aus Konstanz: „Es gibt einen vergleichsweise hohen Anteil an Wohnungen, die über gemeinwohlorientierte Baugesellschaften entstanden sind“, sagt Kropp. Die Stadt hat auch ihre Wohnungsbauförderung überarbeitet: Es gibt Zuschüsse für Familien beim Hausbau und seit diesem Jahr können nicht nur einzelne Bauherren, sondern auch Baugemeinschaften Förderung beantragen. Gut sei zudem, dass es große Neubauprojekte in Wollmatingen und Allmannsdorf gebe. „Aber keines davon wird vor 2027 begonnen werden. Das hilft Familien, die jetzt suchen, natürlich nicht“, gibt Kropp zu.
Der Wohnungsbauexperte sieht aber auch einen Vorteil bei Familien im Ringen um Wohnraum: „Familien haben viel mehr soziale Kontakte als andere Wohnungssuchende. Diesen Trumpf sollten sie ausspielen. Die günstigste Wohnung gibt es unter der Hand und nicht in einer Wohnungsbörse“, sagt Kropp. Deshalb sollten Familien auf Wohnungssuche mit möglichst vielen Menschen aus Kita, Schule, Job oder dem Verein darüber reden. „So tun sich manchmal Chancen auf, mit denen man nicht gerechnet hat“, erklärt Kropp.
Wohnen, aber wie?
Rauf auf alle Wartelisten
Zusätzlich rät er, sich überall auf Wartelisten setzen zu lassen: bei der Wobak, beim Spar- und Bauverein oder auch bei privatwirtschaftlichen Vermietern. In allen Fällen sollte man einen persönlichen Termin vereinbaren, um die eigene Lage zu schildern. Spätestens dann, wenn es dringlich wird. Ist man erst mal auf die Listen gesetzt, könne man manchmal auch Glück haben: „Die Wobak beispielsweise arbeitet ihre Liste nicht von vorne nach hinten ab. Die Belegung der Neubauten erfolgt nach dem Prinzip der stabilen Nachbarschaft und Durchmischung. Da kann man in der Reihenfolge auch schon mal nach vorne rutschen“, so Kropp.
Um die Wohnungsbaukrise zu lösen, reicht das Engagement der Bürger:innen alleine aber nicht aus. Die Politik müsste schon auch ihren Beitrag leisten, findet Wohnungsbauexperte Winfried Kropp. „Das Land müsste mehr Geld in Wohnbauförderung investieren, die Landesregierung nutzt ihre Handlungsmöglichkeiten nicht aus“, kritisiert er. In Baden-Württemberg sind die Mittel für Wohnungsbau seit Februar dieses Jahres ausgeschöpft. Eine Konsequenz daraus: Sämtliche Bauprojekte im sozialen Wohnungsbau verzögern sich um mindestens ein Jahr.
Die Stadt könnte mehr tun
Auch die Stadt selbst könnte mehr tun, meint Kropp. „Wir müssen raus aus dem Planungsstau und sollten alle Planungskapazität dort konzentrieren, wo möglichst viel Wohnraum entstehen kann“, fordert Kropp, der bei der letzten Kommunalwahl für die SPD kandidierte. Und da ist man dann mittendrin im Verteilungskampf des kommunalen Haushalts. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Schulleiter:innen würden vermutlich dasselbe mit gleicher Vehemenz für den Schulbau fordern. Wohin die meisten Gelder fließen, das entscheidet am Ende der Gemeinderat.
Selbst wenn all das irgendwann umgesetzt wird – für Familien, die jetzt dringend eine neue Wohnung brauchen, kommt das zu spät. Ihnen bleibt nur die Hoffnung, dass irgendwo ein Türchen aufgeht. Ich drücke allen, die aktuell suchen, die Daumen!
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