40 Jahre Kulturladen: Die Macher:innen blicken zurück

Der Kulturladen hat kürzlich nicht nur eine Auszeichnung für sein Live-Programm erhalten, sondern feiert dieses Jahr auch sein 40-jähriges Jubiläum. Wir haben mit ehemaligen und aktuellen Mitarbeiter:innen gesprochen, die den Kula prägten und prägen. 
Jeremias Heppeler arbeitet als intermedialer Künstler, Autor und…

Was ist deine erste Erinnerung an den Kula?

Magdalena Schweizer (Kula Bookerin von 2015 bis 2018): Bevor ich mich im Kula für eine Stelle als Bookerin bewarb, kannte ich weder Konstanz gut noch die dortige Kulturszene und dementsprechend auch den Kula nicht. Als dann klar war, dass ich nach Konstanz ziehen würde, um im Kula zu arbeiten, erzählten mir viele Freund:innen, die in der Gegend aufgewachsen waren, wie wichtig der Kula in ihrer Jugend war und nach wie vor für Konstanz und Umgebung ist. Das war mein erster bleibender Eindruck vom Kula und zeigte mir, wie wichtig die Arbeit dort war und ist.

Roman Kliche (von 2009 bis 2016 im Kula aktiv): Gar nicht so leicht zu beantworten. Ich weiß, dass Dendemann mein erstes Konzert war, aber daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Aber als es dann daran ging mich zu bewerben, da habe ich an die schwere, gusseiserne Bürotür geklopft und habe auf den letzten Drücker meine Bewerbung abgegeben – das war 2008, ganz andere Zeiten, da hat man das noch persönlich gemacht.

Benni Kreibich (aktueller Booker): Eins Zwo 1999 und kurz darauf Dynamite Deluxe live im Kula. Neben Bands wie Nirvana hatte ich schon immer eine Liebe für Deutschrap. Die ersten Live-Konzerte im Kula habe ich mit meinem älteren Bruder besucht. Etwas später dann die ersten Partys im Kula und dann durfte ich auch mit eigener Band beim Open-See-Festival oder als Support auf der Kula-Bühne auftreten – bis heute habe ich nur schöne Erinnerungen an den Laden. Mittlerweile bin ich selbst fürs Inhaltliche im Kulturladen als Teil eines immer größer werdenden Teams verantwortlich und darf Entscheidungen treffen und gestalten. Für mich mein absoluter Traumjob und ich genieße immer noch jedes Event wie die ersten Konzerte als Besucher damals, mit ein bisschen Spannung und Aufregung, kurz bevor die Band auf die Bühne geht. Und es ist jedes Mal traumhaft schön, ein glückliches Publikum und zufriedene Musiker:innen zu sehen. 

Alan Covic (hat 1992 erstmals im Kula gearbeitet und war später viele Jahre als Booker tätig): Ich habe da an einem Sonntagnachmittag bei einer Pfadfinder-Party aufgelegt. Danach kam einer vom Kula zu mir und hat gefragt, ob ich das nicht auch mal abends machen könnte. Das war mein Anfang als DJ … Das muss so 1992 gewesen sein.

Wie kam es zu deinem Engagement und wie war deine Arbeit?

Roman: Ich hatte in meiner Heimat Konzerte organisiert und ein Festival initiiert, das immer größer wurde und zum Schluss mit Clueso auch einen spannenden Headliner zu bieten hatte. Daran anknüpfend habe ich in München eine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann gemacht und als es dann daran ging, einen Job zu suchen, habe ich vom Tourbegleiter einer schwedischen Band erfahren, dass er sich in Konstanz bewirbt. Zunächst hatte ich ein wenig Gewissensbisse, das war ein netter Kerl, aber ich habe mich dann halt auch beworben und 2009 gings dann los. Damals lief es nicht mehr so richtig und es wurde einfach Zeit, ein wenig frischen Wind da reinzubringen.

Alan: Ich habe zunächst als DJ angefangen und dann immer mehr gemacht. Nach dem Umzug in die „neuen“ Räume wurde alles professionalisiert und ich habe dann auch angefangen, zusätzlich mit Technikjobs im Kula zu arbeiten. Das verbindet mich mit dem Kula, ich habe dort einfach alles einmal gemacht.  Sprich DJ, Theke, Kasse, Booker, Techniker, Musiker … sogar einmal für eine Band gekocht (danach nie wieder). Das ist schon toll, wenn man einen Laden auf allen Ebenen kennenlernen kann.

Benni: Während meines Studiums habe ich im Klimperkasten an der Bar gearbeitet und regelmäßig Platten aufgelegt. Alan Covic, dem ich dort immer gerne einen Cuba Libre gemixt habe, hat mir dann 2010 einen Job an der Kasse angeboten und mir viel drumherum gezeigt und beigebracht, sodass ich bald für ihn ab und zu Konzerte und Partys betreute. Das hat Lust auf mehr gemacht. Alan und auch Roman haben mich auf meinen ersten Schritten begleitet und waren dabei begabter als meine Profs in der Uni, sodass es mir recht leicht fiel, mich bald gegen die Uni zu entscheiden. Als ich 2014 mit einer Handvoll Freunden den Horst Klub in Kreuzlingen eröffnete und einen eigenen Kulturverein gründete, konnte ich viel Erfahrung aus dem Kulturladen mit einfließen lassen und mich immer auf Unterstützung aus dem Kula verlassen. Ich selbst bin dem Laden auch während meines Engagements im Horst treu geblieben und war da, wenn es meine Zeit zuließ. 2018 rief dann die Stelle im Booking als Nachfolger für Maggi und ich fand, es war Zeit, neue Herausforderungen anzunehmen und mich mit vollem Elan einer neuen Aufgabe zu stellen. Meine damalige Kollegin Liz brachte mir das noch fehlende Handwerkzeug im Büro bei, um Verträge zu checken, Genehmigungen zu beantragen, die GEMA zu verstehen und langfristig zu planen und zu kalkulieren – eben alles, was es in einem professionellen Veranstaltungsbetrieb noch so braucht.  

Magdalena: Insgesamt habe ich drei Jahre im Kula gearbeitet (2015 bis 2018) und hatte eine tolle Zeit dort, während der ich viel gelernt und tolle Konzerte gehört habe sowie viele spannende Leute kennenlernen durfte.  

Was ist das Besondere am Kula?

Alan: Der Kula ist einfach eine Insel der Subkultur. 

Magdalena: Das Besondere am Kula ist sein Alleinstellungsmerkmal in der Region. Würde es den Kula nicht geben, würde für viele Leute in Konstanz und Umgebung eine wichtige Konzertlocation wegbrechen. Toll ist auch, dass im Kula sowohl kleine und unbekannte Bands auftreten als auch immer wieder große und bekannte Künstler:innen auf der Bühne stehen.

Benni: Das Besondere am Kula für mich ist, dass es mit einer 40-jährigen Historie und durch die sehr gute Arbeit all meiner Vorgänger:innen ein ernstzunehmendes Standing in der Kulturszene hat, was mir wiederum Rückenwind gibt, um eigene Ideen und Visionen für den Kulturladen umzusetzen. Ich habe inhaltlich alle Freiheiten. Ich kann sowohl eine Show mit Max Herre und klassischem Ensemble auf der Mainau veranstalten, aber mich parallel auch sozial engagieren und die Reichweite, die der Kulturladen mittlerweile hat, für positive Dinge nutzen. Ob Workshops mit Schüler:innen, Flüchtlingscafé, Hilfsgüter in Kriegsgebiete schicken, Integrationsarbeit oder gemeinsam mit dem Zebra-Kino einen erfolgreichen Kultursommer im Neuwerk initiieren – der Kula und sein mittlerweile 20-köpfiges Team aus Einlass- und Garderobenpersonal, Putzkraft, Grafikdesigner:innen, Marketing, Booking, Ton- und Lichttechnikern, die alle einen Teil zum Erfolg beitragen, ist mehr als nur Konzertlocation, mehr als nur Club oder soziokulturelles Zentrum. Das Besondere ist die Mischung, die sich vom Inhaltlichen auch durch unser Publikum und unser Team zieht. Sicher auch eine Herausforderung, aber wir haben noch viele Ideen und noch mehr Elan für die Zukunft, den Kulturladen stetig weiterzuentwickeln.

Roman: Auch wenn das ein wenig hart klingt, ich glaube, von Einzigartigkeit kann man in diesem Zusammenhang nicht unbedingt sprechen. Aber der Kula ist einer von vielen kleinen Läden, die noch die Fahne hochhalten und echte Livemusik präsentieren. Und das ist in Zeit von mehr Party und mehr Techno (worüber ich gar nicht schlecht sprechen will) nicht selbstverständlich. Gerade kleine Rockbands haben es echt schwer, auf Bühnen zu kommen. 

Gibt es ein Konzert, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Magdalena: Sehr beeindruckt hat mich beispielsweise das Konzert mit SXTN, das sehr schnell ausverkauft war. An dem Abend war so beeindruckend, dass der ganze Laden voller FEMALE POWER waren. Sowohl die zwei Frauen von SXTN haben dem Laden eingeheizt, aber vor allem auch das Publikum. Ganz viele sehr junge Frauen standen vorne an der Bühne und haben mitgefeiert und sich nicht von Männern verdrängen lassen, wie es sonst bei Rap-Konzerten oft passiert. Schön war auch das Konzert mit Sportfreund Stiller, da die Band so unprätentiös und unkompliziert war, trotz ihrer Berühmtheit. Aber da fallen mir noch viele weitere tolle Konzerte ein: der Überraschungsauftritt von Udo Lindenberg oder Konzerte mit Fiva, Mine, Hundreds und viele mehr.

Roman: Unmöglich, zu beantworten. Da gab es eine ganze Menge. Da war so viel geiles Zeug dabei, da könnt ihr euch echt eins aus der Liste rauspicken.

Benni: Band of Skulls. Das Konzert habe ich 2013 für Alan im Kula betreut und ich war und bin großer Fan. Das war ein Aha-Erlebnis, als ich plötzlich auf Augenhöhe mit der Band, deren Platten ich fast täglich hörte, zusammenarbeitete. Die Band war supernett und unkompliziert. Ich glaube, das hat mir auch für die Zukunft etwas die Ehrfurcht vor Bands und Künstler:innen genommen. 

Alan: Fischmob war damals ein wirklich supercooler Abend. 

Hast du noch eine Anekdote, die exemplarisch für den Kula steht?

Magdalena: Der Überraschungsauftritt von Udo Lindenberg kann vielleicht schon als exemplarische Anekdote herhalten, denn im Kula ist trotz seiner kleinen Größe sehr viel möglich. Das macht die Arbeit dort so abwechslungsreich und spannend.

Benni: Als Sepultura 2018 im Kula gespielt haben, gab es für die ganze Crew ein Essensbüfett im Veranstaltungssaal. Ich kam als letzter dazu und das Essen war bereits fast leer. Man muss vorwegsagen, dass der Sänger Derrick Green eine absolut beeindruckende Statur hat. Er wirkt, als wäre er 2 Meter größer als alle anderen und könnte ohne Probleme einen LKW ziehen. Als ich mich also zum Büfett bewegte, um dort die letzte noch vorhandene Portion zu schöpfen, machte sich Derrick gleichzeitig auf den Weg zum Schöpfgericht und warf mir einen bösen Blick zu. Und mit dieser Person willst du nicht um die letzte Portion kämpfen, also entschied ich mich dafür, ein guter Gastgeber zu sein und ihm kampflos die Reste zu überlassen. Derrick schöpfte sich alles, was noch da war auf den Teller, um dann den Teller mir zu servieren. Er hatte bemerkt, dass ich noch nichts vom Büfett hatte, und hat sich einen kleinen Spaß erlaubt.
Aber genau darum geht es: sich gegenseitig zu unterstützen und zu respektieren, den Spaß an der Sache nicht zu verlieren und egal ob Frontman, Tourmanagerin, Putzkraft oder Stagehand. Für ein gelungenes Event muss es auch hinter den Kulissen stimmen und jede:r hat eine Wertschätzung verdient. Und ein gutes Miteinander ohne Egos und Allüren macht am Ende jede Veranstaltung zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Roman: Bis heute sind die Ärzte meine Lieblingsband, die hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich habe damals im Backstage in München aufgehört – kurze Zeit später wurde Bela B bestätigt. Ich bin dann ins Salzhaus in Winterthur, schau in das Programm des Vormonats und da war Farin Urlaub. Ich habe also beide verpasst. Na super! Aber im Kula konnte ich mir den Wunsch erfüllen und den dritten Arzt, Rodrigo Gonzales, veranstalten. Und zwar mit der Band Abwärts. An dem Abend hatte ich die Bandbetreuung und habe die Band am Auto begrüßt. „Hallo, ich bin Roman.“ „Hi, ich bin Rod!“ Ich habe schon viele Musiker mit einem größeren Namen getroffen und wenn Catering und Technik stimmen, muss man da nicht nervös sein, das sind alles tiefenentspannte Typen. Aber bei Rod war ich dann doch nervös. Er war aber sehr gesprächig und meinte:„Hey, ihr seid doch hier im Süden. Ich mag SchwipSchwap! Habt ihr SchwipSchwap?“ Und ich bin einfach eingefroren und hab kein Wort mehr rausbekommen. Erst als er dann im Backstage war, hab ich gecheckt, was SchwipSchwap ist und bin zur nächsten Tanke und habe eine geholt. Und wie ich die dann überreicht habe, war es Rod, der ziemlich ungläubig geschaut hat.

Alan: Da gibt es natürlich zahlreiche. Denn in so vielen Jahren Kula ist einiges passiert. Daher gibt es für mich die „eine“ nicht. Aber dass sie Bushido damals in der Nacht die Nummernschilder vom Nightliner geklaut haben und er daher nicht weiter nach Österreich reisen konnte, finde ich im Nachhinein schon sehr lustig. 

Letzte Worte – was willst du noch loswerden?

Roman: Der Kula bietet seit 40 Jahren ohne Unterbrechung eine Plattform für Bands. Das ist schon unglaublich. 

Magdalena: Auf die nächsten 40 Jahre!

Alan: Der Kula begleitet mich seit über 30 Jahren. Ich freue mich sehr, dass das Team den Laden so in Schwung hält. Die Stadt kann sich wirklich glücklich schätzen, dass sie so eine Venue hat und Menschen, die das mit so viel Engagement und Herzblut am Leben erhalten.

Benni: Zuerst einmal möchte ich mich bei dir für das Interesse, die schönen Fragen und die Plattform im karla Magazin bedanken. Man vergisst oft den Blick zurück, um zu begreifen, was man schon geschafft hat. Deine Fragen waren eine erfrischende Möglichkeit, über vieles zu resümieren. Natürlich bedanke ich mich auch bei meinem Team, ohne die das alles nicht möglich wäre. Und zuletzt möchte ich mich an dieser Stelle auch bei allen anderen Kulturschaffenden der Region bedanken, die trotz Krisen weitermachen und das kulturelle Leben für die Region vielfältig mitgestalten.