Das Foto zeigt das Konstanzer Suso-Gymnasium im Herbst.

Die Konstanzer Schulland­schaft: Ein Sanierungs­fall?

Marode Gebäude, zu wenig Platz und knappe Kassen: Die Konstanzer Schulen stehen vor großen Herausforderungen. Das sind die neun größten Baustellen in der Konstanzer Schullandschaft.
Michael ist Lokaljournalismus-Ultra. Er findet: Kaum ein Instrument…

Schule ist ein Thema, bei dem jede:r mitreden kann. Schließlich waren wir alle irgendwann mal auf einer Schule und fühlen uns manchmal schon deshalb als Expert:in. Schule ist aber auch wahnsinnig kompliziert. Weil es so viele verschiedene Zuständigkeiten gibt und so viele verschiedene Ebenen gibt, die die Entwicklung beeinflussen. Dabei prägt kaum ein Ort Menschen so, wie es die Schule tut. Deshalb ist es wichtig darüber zu reden, wie es den Schulen, Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern von Schulkindern in Konstanz geht.

Unser neuer Schwerpunkt „Schule“ hat genau das zum Ziel. In den nächsten Wochen werden wir uns intensiv mit den verschiedenen Facetten der Konstanzer Schullandschaft beschäftigen. Zum Auftakt zeigen wir auf, wo die Probleme liegen. In den kommenden Wochen werden wir dann in die einzelnen Bereiche tiefer einsteigen.

Das Bild zeigt das Gutachten zur Schulentwicklungsplanung der Stadt Konstanz 2022 bis 2045.
Gutachten zur Schulentwicklungsplanung der Stadt Konstanz 2022 bis 2045.
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1. Es wird eng: Die Raumnot in den Schulen

Die Schulgebäude in Konstanz sind in die Jahre gekommen. Es gibt nahezu keine Schule, die nicht mindestens Sanierungsbedarf hätte. In fast allen Schulen wird zudem der Platz knapp, die Raumnot ist teilweise groß. Das zeigt auch ein bislang unveröffentlichtes, 70.000 Euro teures, Gutachten, das die Stadt vor einem Jahr in Auftrag gegeben hat (liegt karla vor). 

Das Gutachten listet systematisch alle Mängel in den insgesamt 19 städtischen Schulhäusern (11 Grundschulen, 8 weiterführende Schulen und ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum in städtischer Trägerschaft). Das Problem ist auch deshalb so groß, weil die Untersuchung zeigt, dass die Zahl der Schüler:innen bis 2035 weiter steigen wird. Es braucht also dringend neuen Schulraum.

Quelle: Gutachten zur Schulentwicklungsplanung der Stadt Konstanz
Quelle: Gutachten zur Schulentwicklungsplanung der Stadt Konstanz

„Das ist ein Riesenproblem. Ich habe die Befürchtung, dass die Politik den Bedürfnissen nicht schnell genug nachkommt. Vieles bewegt sich einfach zu langsam“, sagt Patrick Hartleitner, geschäftsführender Schulleiter der Konstanzer Gymnasien. Er selbst spricht aus Erfahrung. An seinem Susogymnasium wartet er  bereits seit Jahrzehnten auf eine Schulhauserweiterung und eine neue Sporthalle.

„Der Bedarf ist fest gestellt, aber es tut sich einfach nichts. Vielleicht hat die Politik die Prioritäten noch nicht ausreichend auf die Schulen ausgerichtet“, sagt Hartleitner. Die fehlende Sporthalle führe dazu, dass seine Schüler:innen nun ihren Sportunterricht an fünf bis sechs verschiedenen Stätten erhalten. „Dadurch, dass sie so verteilt sind über das Stadtgebiet geht natürlich viel Unterrichtszeit verloren“, erklärt Patrick Hartleitner.

Auch der Schulverbund der Geschwister-Scholl-Schule (GSS) wartet seit Jahren auf einen Erweiterungsbau. Der hat sich allerdings in den vergangenen Jahren massiv verteuert – von 28 auf 35 Millionen Euro. Zudem ist der Schüler-Zulauf an den gymnasialen Zweig der GSS nicht mehr so, dass der Gemeinderat dort wirklich zwingendes Erweiterungspotenzial sieht.

Patrick Hartleitner, Schulleiter des Suso-Gymnasiums und geschäftsführender Schulleiter aller Konstanzer Gymnasien. Bild: Michael Lünstroth

Die Versäumnisse der Vergangenheit werden jetzt teuer

Was die gesamte Konstanzer Schullandschaft betrifft: Neben notwendigen Erweiterungen sind in den vergangenen Jahren auch energetische Sanierungen und Brandschutzmaßnahmen versäumt worden. Im vergangenen Jahr bezifferte die Stadt den Investitionsbedarf in Schulen und von Schulen genutzte Sporthallen auf rund 226 Millionen Euro bis 2030. Wie konnte es zu diesem Investitionsstau kommen?

„Wir haben dem notwendigen Bauunterhalt in den vergangenen Jahren zu wenig Augenmerk geschenkt. Das rächt sich jetzt“, sagt Frank Schädler, Leiter des Amt für Bildung und Sport der Stadt Konstanz selbstkritisch.

Das Problem existiert also bereits seit Jahren. Schon jetzt arbeiten viele Schulen in Provisorien, Schüler:innen werden in Containern unterrichtet, weil der Platz in den Schulhäusern nicht mehr ausreicht. Die große Frage hier lautet: Werden die geplanten Erweiterungen so rechtzeitig fertig, dass es auch bei weiter steigenden Schüler:innen-Zahlen ausreichend Platz für alle gibt? Sollte das nicht gelingen, werden noch mehr Schüler:innen in Containern unterrichtet werden müssen oder die Zahl der Schüler:innen in den einzelnen Klassen wird größer.

Das Problem: Alles dauert länger heute

„Unser Problem ist, dass die Planung von Schulbauten massiv schwerer geworden ist in den vergangenen Jahren“, sagt Frank Schädler, vom Amt für Bildung und Sport. Die Realisierung von Baumaßnahmen nehme heute viel mehr Zeit in Anspruch, das führe zu Engpässen.

Manchmal scheitert es auch an externen Gründen. Zum Beispiel in der Grundschule Wollmatingen. Dort sind die Erweiterungspläne längst fertig, der Bau könnte sofort starten. Allerdings hatte ein Anwohner Einspruch gegen die Erweiterung eingelegt und den Bau monatelang verzögert. Inzwischen ist das Verfahren offenbar abgeschlossen und der Einspruch der Anwohner:innen wurde nach Informationen von karla abgewiesen. 

Trotzdem wird die Grundschule Wollmatingen bis zur Fertigstellung der Erweiterung mit Provisorien leben muss. Und dabei fehlen bereits jetzt schon mehrere Räume. Das Lehrerzimmer, das sich in einem Container auf dem Schulhof befindet, hat keinen Wasseranschluss. Wollen sich Lehrer die Hände waschen oder Geschirr spülen, müssen sie jedes Mal in das 2. Obergeschoss des Hauptgebäudes gehen. 

Sperrgebiet Schule? Vor dem Gebäude des Susogymnasiums hängt ein rot-weißes Absperrband. Bild: Michael Lünstroth

Warum sind Schultoiletten niemals sauber?

Ein oft genanntes Thema im Hinblick auf die Gebäude ist auch die Sauberkeit in den Schulen. Uta König, Rektorin der Grundschule Wollmatingen hatte im September hierzu einen Brandbrief an den Gemeinderat verschickt. „Die Reinigungssituation an unserer Schule ist katastrophal“, schrieb die Schulleiterin. Die Leistung der Reinigungsfirmen sei so schlecht, dass die Lehrkräfte am Ende selbst die Schule geputzt hätten.

König schließt ihren Brief mit dem Satz: „Wir würden es sehr begrüßen, wenn die nächsten Verträge, die mit einer Reinigungsfirma geschlossen werden, mit ansässigen Reinigungsfirmen geschlossen werden könnten, die vor Ort und ansprechbar sind.“

Frank Schädler, Leiter des Amt für Bildung und Sport, sieht das Problem. Das liege aber auch daran, dass die Stadt gezwungen sei, diese Dienstleistung aufwändig auszuschreiben. Es sei oft schwierig, geeignete Reinigungsunternehmen zu finden.

Er appellierte dabei auch an die Eigenverantwortung in den Schulen. „Je sauberer die Schüler und Schülerinnen die Toiletten verlassen, umso sauberer finden sie sie am nächsten Tag vor“, sagt Schädler.


2. Die Finanzierung oder: Wer später baut, zahlt mehr

Auf 226 Millionen Euro hat die Stadt Konstanz im vergangenen Jahr den Investitionsbedarf in Schulen und von Schulen genutzte Sporthallen kalkuliert. Und dabei waren energetische Sanierungen in Folge des ausgerufenen Klimanotstands nicht eingerechnet. Weil viele Schulbauprojekte verzögert und aufgeschoben wurden, sind sie in den vergangenen Jahren auch massiv teurer geworden. Die geplante Erweiterung an der Geschwister-Scholl-Schule beispielsweise verteuerte sich von 28 auf 35 Millionen Euro.

Diese Teuerungen treffen auf eine knappe Kasse bei der Stadt Konstanz. Die Krisen und die Ausgabenfreude der Vergangenheit lassen die Bilanzen heute schlecht aussehen. Die Stadt hat sich entschlossen, einen massiven Sparkurs einzuschlagen. Das wird auch die Schulen betreffen.

Die Stadt kann weniger Bauprojekte stemmen als sie müsste

Die Herausforderung wird weiter dadurch verschärft, dass die Stadt pro Jahr ohnehin nur eine begrenzte Zahl von Bauprojekten auch wirklich realisieren kann. Bislang galt die inoffizielle Regel, dass mehr als 20 Millionen für Bauprojekte (und das meint nicht nur Schulbauprojekte, sondern alle Bauvorhaben der Stadt) nicht möglich sind. Größter beschränkender Faktor hier ist die dünne Personaldecke im Hochbauamt. Mehr als 20 Millionen Euro können die Mitarbeiter:innen gar nicht abarbeiten.

All das bedeutet: Die Politik ist gezwungen zu priorisieren. Auch im Schulbau. „Dabei gibt es eigentlich kein Projekt auf der Liste, das man problemlos streichen könnte“, sagt Gisela Kusche, Stadträtin für die Freie Grüne Liste. Und Susanne Heiss, Stadträtin der Freien Wähler ergänzt: „Die nächsten Haushalte werden schwierig werden, wir werden Menschen auch enttäuschen müssen.“

Die Rolle des Gemeinderats in der Debatte ums Geld

Für die weitere Schulpolitik fordert Frank Schädler auch vom Gemeinderat eine klare Linie. „Viel zu oft sind wir in den vergangenen Jahren von ursprünglichen Plänen abgerückt. Seiteneinflüsse haben bestimmte Projekte auf der politischen Agenda wichtiger erscheinen lassen als sie sind. Für die kommenden Jahre brauchen wir hier mehr Klarheit.“


3. Der Ganztags­anspruch an Grund­schulen ab 2026

Die für alle Kommunen aktuell dringendste Herausforderung ist die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen ab 2026. Das bedeutet, dass jedes Kind einen Anspruch auf einen Platz in der Ganztagsbetreuung hat, notfalls einklagbar gegenüber der Kommune. Ähnlich wie bei der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz, ringen die Kommunen nun damit, diese Vorgabe vom Bund umzusetzen.

Der Rechtsanspruch wird zwar erst sukzessive eingeführt, er gilt ab 2026 zunächst nur für die Erstklässler:innen, ab 2029 gilt er dann für alle. Bis dahin müssen die entsprechenden Strukturen in den Schulen aufgebaut werden, um Klagen zu vermeiden und vor allem auch um dem großen Thema der Bildungsgerechtigkeit ein Stück weit näher zu kommen. Die Hoffnung dahinter: Wenn alle dieselben Förderchancen haben, dann stellt sich so etwas wie Chancengleichheit eher ein.

Wallgutschule in Konstanz
Schule ist manchmal auch wie ein Labyrinth: Die Wallgutschule in Konstanz. Bild: Michael Lünstroth

Ungeklärt ist bislang allerdings weitgehend, wie die Kommunen diesem Anspruch nachkommen sollen. Vor allem, da der Fachkräftemangel bei Erzieher:innen schon jetzt dazu führt, dass nicht mal alle Kitas gut ausgestattet sind. Woher sollen da weitere Fachkräfte für die Ganztagsbetreuung in den Grundschulen kommen?

Christina Wieda, Expertin für kommunale Koordination bei der Bertelsmann-Stiftung, fürchtet deshalb schon, dass eine Lösung wieder auf Kosten der Kinder geht. „Die Kommunen werden darum bemüht sein, möglichst viele Plätze zu schaffen und bei der Qualität der Betreuung eher mangels Fachkräften, Platz und Geld Abstriche machen. Und manche Kommunen investieren in erster Linie dort, wo sie von Eltern verklagt werden könnten. Dass das eher in Schulen in wohlhabenden Bezirken möglich ist, führt dazu, dass sich in ohnehin benachteiligten Schulen und Bezirke Benachteiligung verstärkt“, sagt die Forscherin.

In Konstanz laufen die Vorbereitungen seit Monaten. Die Stadt hat eine eigene Strategiegruppe dafür eingerichtet, die sich mit der Lösung des Problems befasst. Dabei geht es auch darum, das bestehende Kernzeitbetreuungsmodell in den Schulen so zu überarbeiten, dass jedes Kind einen Platz bekommen könnte und nicht jede Schule ein eigenes Modell fährt. Bislang ist das in Vereinen und viel ehrenamtlicher Arbeit organisiert. „Hier hätte man eigentlich früher eine gemeinsame Struktur aufbauen müssen. Aber es ist noch nicht zu spät, wir müssen es jetzt nachholen“, sagt Frank Schädler.

Das Foto zeigt Laubblätter auf einer Tischtennisplatte in Konstanz
Laub auf einer Tischtennisplatte vor der Konstanzer Stephansschule. Bild: Michael Lünstroth

Was die Strategie­gruppe jetzt entwickelt

Die Strategiegruppe entwickelt zudem ein Konzept dazu, was in der Ganztagsbetreuung dann passiert – von Mittagessen über Hausaufgabenbetreuung bis hin zu kreativen und sportlichen Aktivitäten. „Inhaltlich sind wir da recht weit, jetzt suchen wir noch die passende Struktur beziehungsweise den passenden Träger dafür“, sagt Frank Schädler.

Das kann die Stadt, aber auch ein anderer Träger der Jugendhilfe sein. Im Frühjahr 2024 will die Strategiegruppe so weit sein, um dem Gemeinderat klare Empfehlungen geben zu können. Klar ist, dass es mehr Räume und mehr Personal brauchen wird. Das bedeutet weitere Kosten.

Bislang hat die Stadt Konstanz aber noch kein Geld dafür im Haushalt eingeplant. „Andere Kommunen sind da weiter. Die müssen nicht so viel zusätzliches Geld einplanen. Es ist vollkommen klar, dass es neben Landeszuschüssen, möglichen Bundeszuschüssen und Elternbeiträgen auch städtische Gelder braucht, um das Gesamtsystem zu finanzieren“, sagt Frank Schädler.

Einfach aufgeben ist auch keine Lösung

Heike Bierkandt, geschäftsführende Schulleiterin der Konstanzer Grundschulen, sieht die Stadt auf einem insgesamt guten Weg:  „Wir haben in Konstanz den Vorteil sehr gut vorbereiteter Fördervereine oder Kernzeitvereine. Das Grundgerüst steht also eigentlich schon, wir müssen es nun an den Rechtsanspruch anpassen. Ich bin überzeugt, dass wir das mit dem Rechtsanspruch gemeinsam gut hinbekommen“, sagt die Rektorin der Dettinger Grundschule.

Im Frühjahr hatte Bürgermeister Andreas Osner in einer Sitzung des Jugendhilfeausschusses darüber geklagt, dass der Rechtsanspruch eigentlich nicht zu halten sei. Wie sieht es jetzt aus? Frank Schädler zeigt sich zuversichtlich. „Wir können das schaffen. Jetzt den Anspruch von vornherein abzulehnen wird auch den Anforderungen der Gesellschaft nicht gerecht, denn wir brauchen die Ganztagsbetreuung auch ohne Rechtsanspruch. Das sehen wir jetzt schon an den Wünschen der Eltern.“


4. Schulentwick­lung: Welche Schule kommt an den Hafner?

Im Konstanzer Stadtteil Wollmatingen soll in den nächsten Jahren mit dem Hafner quasi ein neuer Stadtteil entstehen. Bis zu 3000 Menschen sollen hier künftig wohnen. Bislang ist allerdings noch keine einzige Wohnung davon gebaut. Aber bei einem Wohngebiet dieser Dimension ist klar, dass es auch neue Schulen brauchen wird. Eine Grundschule soll am Hafner eröffnet werden, ebenso wie eine weiterführende Schule.

Was für eine Schule das sein soll, darüber gibt es aber große Diskussionen. In dem von der Stadt beauftragten Gutachten zur Schulentwicklung in Konstanz bis 2045 ist auch das ein großes Thema. Die Expert:innen geben hierzu Empfehlungen ab. Sie skizzieren drei verschiedene Modelle: 1. Die Verlagerung des Gymnasiums der Geschwister-Scholl-Schule (GSS) an den neuen Schulstandort im Hafner. Dort könnte dann ein 6-zügiges Gymnasiums, also eine Schule mit jeweils 6 Klassen pro Jahrgang, errichtet werden. 2. Die Einrichtung eines neuen Schulverbunds aus 3-zügigem Gymnasium und 2-zügiger Gemeinschaftsschule mit einer gemeinsamen Schulleitung und Oberstufe.

Reines Gymnasium oder Gymnasium und Gemeinschafts­schule?

Oder 3. Der Bau einer reinen Gemeinschaftsschule im Hafner mit vier bis fünf Zügen. Diese Vorschläge sind allerdings erst der Auftakt der Debatte. Am 21. November werden die Empfehlungen der Gutachter:innen erstmals öffentlich im Bildungsausschuss des Konstanzer Gemeinderats beraten. Es werden weitere Diskussionen folgen.

Egal, wie die Debatte ausgeht, stellt sich auch hier die Frage, ob die Schulen im Hafner tatsächlich die Raumengpässe der Konstanzer Schullandschaft lösen. Denn: Bis jetzt ist das Baugebiet weiter ein unberührter Acker. Sollen die Schulen tatsächlich bis 2030 fertig sein, dann braucht es jetzt hier größeres Tempo, um die Platznot in den Konstanzer Schulen nicht noch größer werden zu lassen.


5. Ein Dauerthema: Die Digitalisierung

Wir schreiben das Jahr 2023 und noch immer gibt es Schulen in Konstanz, in denen es kein flächendeckendes WLAN gibt. Wie kann das sein? Frank Schädler, Leiter des Amt für Bildung und Sport, weist darauf hin, dass die Einrichtung eines Schul-WLAN komplex sei. „Das ist nicht vergleichbar damit, die Fritzbox in der eigenen Wohnung einzurichten. Schul-WLAN muss mehrere Parallel-Netze bieten, da müssen Sie viele Dinge bedenken und berücksichtigen, gerade im Hinblick auf die datenschutzkonforme Einbindung von verschiedensten, auch privaten Endgeräten.“

Diese Verzögerungen führten auch an Konstanzer Schulen teilweise dazu, dass es zwar digitale Endgeräte gibt, die über den Digitalpakt von Bund, Ländern und Kommunen finanziert wurden, aber kein WLAN, in dem sie die Geräte auch nutzen konnten. An einigen Schulen entstanden aus der Not eigene Ideen.

Wie sich die Schulen selber helfen in der Not

Zum Beispiel am Suso-Gymnasium. „Wir haben in einer Nacht und Nebelaktion uns irgendwann selbst ein WLAN installiert, weil wir nicht mehr warten wollten“, sagt Patrick Hartleitner, Rektor des Suso-Gymnasiums. Das WLAN ist nun seit den Sommerferien 2023 installiert, seine Schule sei inzwischen hinreichend gut abgedeckt dadurch, auch die Stadt habe diese Lösung Marke Eigenbau akzeptiert.

Inzwischen sieht es aber so aus, als komme die Digitalisierung voran. „Bis Ostern 2024 sind alle Grundschulen komplett ausgestattet mit digitalen Geräten und bis Sommer 2024 sollten auch die weiterführenden Schulen so weit sein, dass wir den Digitalpakt abschließen können“, sagt Frank Schädler vom städtischen Amt für Bildung und Sport. Alle zur Verfügung stehenden Mittel seien dann abgerufen und umgesetzt.


6. Schöner lernen: Schule als Lebensort ausbauen

Bei Bildungstests hat Deutschland in den vergangenen Jahren oft schlecht abgeschnitten. Zuletzt offenbarte der Bildungstrend des Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) die mangelhafte Lesekompetenz bei Schüler:innen. Demnach verfehlt jede:r dritte Neuntklässler:in die Mindeststandards im Lese- und Hörverständnis im Fach Deutsch. In den Grundschulen zeigte sich, dass 18,8 Prozent der Viertklässler:innen den Mindeststandard im Lesen nicht erreichen, in Baden-Württemberg liegt die Zahl noch etwas höher, bei 19,1 Prozent.

Das spiegelt sich auch in den Konstanzer Schulen wider. „Wir bemerken, dass sich Leistung verändert. Die Lesefertigkeit nimmt ab. Die Schüler haben heute andere Fähigkeiten, die jetzt ausgeprägter sind“, sagt Heike Bierkandt, Rektorin der Grundschule Dettingen. Sie beobachtet zudem, dass die Coronazeit Spuren hinterlassen hat bei den Kindern. „Vor allem im sozialen Bereich. Jetzt wieder zu lernen, wie wir in einer Gruppe miteinander umgehen, fällt nicht allen gleich leicht.“

Die Folgen der Coronajahre werden noch lange andauern

Diesen Eindruck teilt auch Patrick Hartleiter, Rektor des Suso-Gymnasiums: „Wir haben jetzt einen Jahrgang verabschiedet, der in den Klassen 9 und 10 von massiven Homeschooling-Phasen betroffen war. Ausgerechnet in diesen Klassen 9 und 10, wo normalerweise das soziale Miteinander auf die nächste Stufe gehoben wird. Da hat man schon gemerkt, dass denen etwas fehlt“, sagt Hartleitner. Insgesamt sei das Selbstverständnis von sozialem Miteinander noch immer stark beeinträchtigt durch die Coronajahre. „Wir spüren diese sozialen Defizite und versuchen gegen zu steuern. Deshalb sind wir auch froh, dass wir an Gymnasien Schulsozialarbeiter haben, die da vieles auffangen können“, so Hartleitner.

Jenseits von Bildungstests stellt sich auch die Frage, ob Schulen heute optimale Lernbedingungen für Kinder und Jugendliche zur Verfügung stellen. Die Pädagogik hat sich seit den 1950er Jahren weiterentwickelt und daraus erwachsen auch neue Ansprüche an die Räume in Schulen. Projektorientiertes Lernen braucht beispielsweise andere Räume und Arbeitsplätze als der klassische Frontalunterricht.

Schulhof des Suso-Gymnasiums in Konstanz. Bild: Michael Lünstroth

Warum auch Schulhöfe schöner gestaltet werden müssen

Unterbelichtet ist bislang auch die Rolle der Schulhöfe. Dabei spielen sie eine zentrale Rolle im Leben der Kinder. Hier müsste viel durchdachter investiert werden, findet Heike Bierkandt, Rektorin der Grundschule Dettingen. „Unser Schulhof gleicht beispielsweise eher einem Parkplatz, ich finde, das müssten wir für unsere Kinder besser gestalten.“ Das fange beim Schulhof an, betreffe aber auch die Räume in der Schule: „Kinder sind so viele Stunden hier bei uns, da muss Schule auch ein Wohlfühlort sein“, findet Bierkandt.

Das sieht auch Frank Schädler vom städtischen Amt für Bildung und Sport so. „Schulhöfe bieten ein großes Potenzial, gerade auch im Hinblick auf die Ganztagsbetreuung, aber die muss man anders gestalten, als es heute der Fall ist“, erklärt er. Zum Haushalt 2025/26 will die Stadt hierzu eine neue Initiative vorlegen. Wie schnell solche Pläne dann allerdings zu realisieren sind, hängt auch von der weiteren Finanzlage der Stadt ab.


7. Lehrer:innen­mangel? Welcher Lehrer:innen­mangel?

Wann immer man sich mit dem Thema Schulen beschäftigt, ist eines der meistgenannten Probleme der Lehrermangel. Die Kultusministerkonferenz prognostiziert, dass bis 2025 rund 25.000 Lehrkräfte in Deutschland fehlen. Andere Statistiken gehen sogar von weit höheren Zahlen aus.

In Konstanz scheint das Problem bislang noch nicht angekommen. „Konstanz ist eine attraktive Stadt. Junge Lehrkräfte wollen gern hierher“, sagt Patrick Hartleitner vom Suso-Gymnasium. Das gilt auch für Konstanzer Grundschulen: „Im Gegensatz zu ländlichen Gegenden, wo teilweise nicht mal mehr der Pflichtunterricht wegen des Lehrermangels durchgeführt werden kann, sind wir in Konstanz momentan gut mit Lehrkräften ausgestattet“, sagt Heike Bierkandt von der Grundschule Dettingen.

Aber auch die beiden Konstanzer Schulleiter:innen erwarten, dass sich das Problem in den kommenden Jahren verschärfen könnte, angesichts sinkender Studierendenzahlen im Lehramt. Wenn es immer weniger Lehrer gibt, aber mindestens bis 2035 stetig wachsende Schüler:innen-Zahlen, dann erwächst auch in Konstanz hier möglicherweise ein Problem.



8. Gelingt die Integration in unseren Schulen?

Kriege und Krisen in anderen Teilen der Welt führen dazu, dass mehr Menschen auch nach Konstanz kommen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Die Zahl der Geflüchteten ist zwar noch lange nicht wieder auf dem Stand von 2015, aber sie steigt weiter und stellt die Kommunen vor große Herausforderungen.

In den Schulen erkennt man das daran, dass die Zahl der so genannten Vorbereitungsklassen, kurz VKL-Klassen, stetig zunimmt. Aktuell gibt es sechs VKL-Klassen an verschiedenen Konstanzer Grundschulen. Ab 2025 werden es nach den Prognosen des neuen Schulentwicklungsplans acht bis zwölf sein. In jeder dieser Klassen soll Platz für bis zu 15 Schüler:innen sein.

„Wir sind da in Konstanz auch langsam an der Grenze. Zum einen fehlen die Räume, um weitere Klassen einzurichten, zum anderen wird durch die große Anzahl geflüchteter Kinder die Integration schwieriger. Da ist die Dynamik zu groß. Das schaffen die Schulen nicht mehr so, wie sie es wollen“, sagt Frank Schädler.


9. Wie schaffen wir mehr Bildungs­­gerechtigkeit?

Viele Studien und Untersuchungen haben gezeigt: In kaum einem anderen europäischen Land ist die Abhängigkeit vom Zugang zur Bildung und zum Erfolg in Bildungseinrichtungen vom sozialen Status so groß wie in Deutschland. Bund und Land legen hier Programme auf, um dem entgegenzuwirken.

Aber auch die Kommune vor Ort kann hier gegensteuern. Zum Beispiel, indem sie die Budgets der einzelnen Schulen nicht nur anhand von Schüler:innenzahlen, Schulart, und pädagogischen Ziele bemisst, sondern auch die sozialen Lagen der jeweiligen Schulen und Bezirke berücksichtigt. Oder auch dadurch, dass sie Integrations- und Teilhabeprojekte an Schulen unterstützt, finanziell oder durch Räume.

Das Ziel: Eine stärkere Verzahnung von Schule und Jugendhilfe

Über Projekte der kulturellen Teilhabe in Musikschule, Bibliothek oder den Konstanzer Kultureinrichtungen kann die Stadt dazu beitragen, für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen.

Zudem könnte eine stärkere Verzahnung von Schulamt und Jugendamt Probleme gesamthafter zu lösen. Beispielsweise dadurch, dass Schulentwicklungsplanung und Jugendhilfeplanung gemeinsam gedacht werden. Die Systeme Kita und Schule hängen in vielen Bereichen zusammen. In gemeinsamen Tagungen von Bildungs- und Jugendhilfeausschuss ließen sich die Bildungspolitik der Kommune stärken und ein neues Bewusstsein für die immense Bedeutung des Themas Bildung schaffen.