Mehr Frauen in die Kommunal­politik! Aber wie?

Frauen sind in politischen Gremien noch immer unterrepräsentiert – auch in Konstanz. Im Juni 2024 steht die nächste Kommunalwahl an und damit die Chance, das zu ändern. Wie kann es gelingen, mehr Frauen in den Gemeinderat zu bringen?
Wiebke ist Journalistin aus Leidenschaft. Gemeinsam mit Michael leitet…

„Wir haben nach wie vor zu wenige Frauen im Gemeinderat in Konstanz“, sagt Oberbürgermeister Uli Burchardt im Ratssaal. Dieses Mal sitzt er vor einem ganz anderen Publikum als sonst in den Gemeinderatssitzungen. Das Publikum ist ausschließlich weiblich – bestehend aus aktuellen Gemeinderätinnen und jenen, die es gerne werden wollen. Unter dem Titel „Rathaus ungeschminkt“ geben die bestehenden Rätinnen interessierten Frauen Einblick in ihre Arbeit im Gemeinderat. Nach dem Besuch der Fraktionsräume am Fischmarkt steht der Besuch bei Burchardt an. „Ich glaube, dass der Gemeinderat sich in den vergangenen Jahren schon viel verändert hat, aber weiter verändern muss“, sagt der OB, der seit elf Jahren im Amt ist.

Der OB im Ratssaal vor ungewöhnlich vielen Frauen bei der Veranstaltung “Rathaus ungeschminkt”. Foto: Wiebke Wetschera

Ein Blick auf die Konstanzer Gemeinderatsfraktionen verdeutlicht schnell das Problem: Männer dominieren die politische Bühne. Von den 40 Sitzen im Gemeinderat werden lediglich 15 von Frauen besetzt. Die FDP hat keine einzige Frau in ihren Reihen, während CDU und Freie Wähler jeweils nur eine Frau stellen.

Doch Frauen sind von großer Bedeutung für die politische Debatte. Petra Martin-Schweizer, Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt, erklärt:

„Ohne den Einbezug von Frauen werden Entscheidungen oftmals anders getroffen oder Themen gar nicht erst diskutiert. Frauen bringen auch eine andere Sitzungskultur in die Ratsgremien ein. Ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen tut den Gremien gut.“

Petra Martin-Schweizer, Gleichstellungsbeauftragte Landkreis Konstanz
Grafik: Jehona Miftari

Die deutschlandweite Untersuchung „Parteikulturen und die politische Teilhabe von Frauen“ aus dem Oktober 2020, bei der 818 Politiker:innen vom Institut für Demoskopie Allensbach und der EAF Berlin befragt wurden, zeigt: Männer besetzen 70 Prozent der Mandate in Bund, Ländern und Kommunen. Besonders auf kommunaler Ebene ist der Frauenanteil mit durchschnittlich 27,7 Prozent wesentlich geringer. Spitzenpositionen in den Kommunen werden sogar zu 90 Prozent von Männern besetzt. Ein Blick in den Landkreis Konstanz verdeutlicht diese Ungleichheit: Nur 30 Prozent der Gemeinderatssitze sind mit Frauen besetzt und es gibt lediglich zwei Bürgermeisterinnen.

„51 Prozent der Bevölkerung sind Frauen, aber in den politischen Ämtern ist das nicht sichtbar. Das muss sich ändern“,

sagt Petra Martin-Schweizer.

Für die Kommunalwahlen im Juni 2024 hat sie einen klaren Wunsch: Zehn Prozent mehr Frauen in politischen Ämtern im Landkreis. Ein ehrgeiziges Ziel, wie sie selbst zugibt.

Petra Martin-Schweizer, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Konstanz. Foto: Wiebke Wetschera

„Unsere Liste für die letzte Kommunalwahl hatte auf den ersten 15 Plätzen einen Frauenanteil von 40 Prozent. Die FDP-Fraktion hat sich dann aus denen gebildet, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurden“, sagt Lea Banger, die im Vorstand der FDP Konstanz für das Ressort Frauen zuständig ist. Das zeige, dass nur, weil Frauen auf der Liste stehen, sie nicht automatisch gewählt werden: „Auch wenn Frauen auf Listen stehen und sich bereit erklären zu kandidieren, wird Männern oft mehr zugetraut. Wähler:innen sollten Frauen zutrauen, dass sie sich in ihrem sozialen Umfeld schon organisiert haben, auch wenn sie alleinstehend sind oder Familien mit kleinen Kindern haben“, sagt Martin-Schweizer.

Die FDP-Fraktion wünscht sich „generell Zuwachs, gerne natürlich auch Frauen“. Eine Frauenquote lehnt die FDP jedoch ab. „Im Vordergrund steht, die bestmögliche Kandidatin oder den bestmöglichen Kandidaten für die jeweiligen Ämter zu haben“, sagt Banger auf Anfrage von karla.

Warum gibt es so wenig Frauen in politischen Ämtern?

Frauen sind in der Politik nach wie vor unterrepräsentiert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Studie der EAF nennt vor allem die zeitliche Belastung durch politische Abend- und Wochenendtermine, die Kollision mit dem Privatleben, die spezifische politische Diskussions- und Streitkultur sowie die Geringschätzung von Themen, für die sich Frauen besonders engagieren.

Laut der Studie sehen 75 Prozent der befragten Politikerinnen in den häufigen Abend- und Wochenendterminen ein wesentliches Hindernis für das Engagement von Frauen in der Politik. Zwei Drittel geben auch die Art der politischen Diskussion und Auseinandersetzung als Hindernis an, während 55 Prozent die geringere Wertschätzung der Themen, für die sich Frauen häufig engagieren, als Problem sehen. Knapp die Hälfte der Politikerinnen ist überzeugt, dass Politik immer noch den Eindruck einer Männerdomäne erweckt und Frauen dadurch abschreckt. Zudem sind 39 Prozent der Politikerinnen der Meinung, dass es noch zu wenig weibliche Vorbilder in der Politik gäbe.

Grafik: Jehona Miftari

Obwohl der Frauenanteil im Konstanzer Gemeinderat mit 37,5 Prozent über dem Kreisdurchschnitt liegt, sind Frauen immer noch deutlich in der Unterzahl. Berichte von Konstanzer Gemeinderätinnen zeigen, dass Männer nicht nur zahlenmäßig die dominierende Gruppe im Gemeinderat sind, sondern auch weiterhin die Normen, Verhaltensweisen und Regeln prägen und davon profitieren. „Nicht die Frauen müssen sich ändern, sondern die Spielregeln“, sagt Martin-Schweizer. 

Die CDU teilt auf Anfrage von karla mit: „Bei der Kommunalwahl 2019 hatte die CDU viele kompetente und auch junge Frauen auf ihrer Liste auf allen Positionen. Aber letztendlich entscheiden die Konstanzer Wählerinnen und Wähler, wer in den Stadtrat einzieht“, so Heike Rawitzer, die in diesem Jahr für Wolfgang Müller-Fehrenbach in den Gemeinderat nachgerückt ist. Der Stadtverband der CDU sei derzeit aktiv und erfolgreich daran, gerade Frauen für eine Kandidatur in den Gemeinderat zu gewinnen. Dabei streben sie kein Verhältnis an, sondern freuen sich über jede Frau, die Lust hat, sich politisch einzubringen. „Je mehr, desto besser, so lautet unsere Quote. Dies wird sich in einer noch jüngeren und weiblicheren Liste widerspiegeln“, so Rawitzer auf Anfrage. 

Tanja Rebmann, Gemeinderätin der SPD. Foto: Wiebke Wetschera

„Es gibt Männer im Gemeinderat, mit denen habe ich in vier Jahren noch kein Wort gewechselt. Ich habe das Gefühl, dass einfach kein Interesse da ist“, sagt Tanja Rebmann, die seit 2019 für die SPD im Gemeinderat sitzt. „Ich werde immer noch mit Verena angesprochen, das passiert ständig“, sagt Rebmann und meint damit Verena Vögt, die ebenfalls seit 2019 im Gemeinderat sitzt, allerdings für das Junge Forum Konstanz. „Ich weiß, dass es nicht böse gemeint ist, aber es gibt mir das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.“

Dorothee Jacobs-Krahnen, seit 1999 im Gemeinderat, sagt:

„Es fehlt teilweise an gegenseitiger Akzeptanz. Wenn eine Frau während einer Diskussion eine Idee einbringt, wird diese oft übergangen. Wenn später in der Sitzung einer der Räte diesen Gedanken wieder aufgreift, kann es gut sein, dass er ganz selbstverständlich aufgenommen und weiter diskutiert wird.“ 

Dorothee Jacobs-Krahnen, Freie Grüne Liste

Das berichtet auch Christine Finke vom Jungen Forum Konstanz: „Frauen müssen immer noch doppelt so gut sein wie Männer. Frauen müssen eher besser sein, damit sie nicht ausgelacht werden“, erzählt die alleinerziehende Mutter, die seit neun Jahren im Gemeinderat sitzt.

„Ich bereite mich manchmal eine Woche auf einen Ausschuss vor, überlege mir Fragen und wen ich dazu befragen kann. Und dann gab es Kollegen, die kommen wie selbstverständlich mit ungeöffneten Unterlagen in die Sitzung und werfen erst dort einen ersten Blick hinein.“

Christine Finke, Junges Forum
Christine Finke, Gemeinderätin des Jungen Forums. Foto: Wiebke Wetschera

Beim Jungen Forum sind drei von vier Sitzen mit Frauen besetzt. „Eines unserer Kernthemen seit der Gründung 2014 ist die politische Partizipation, da müssen und wollen wir das Thema Gleichberechtigung natürlich mitdenken“, heißt es auf Anfrage. Dabei setzt das Junge Forum nach eigenen Angaben auf hybride Sitzungen und das Prinzip, dass jede:r so lange mitmacht, wie sie:er kann. Für die Liste 2024 strebt das Junge Forum eine möglichst paritätische, aber auch insgesamt vielfältige Mischung an.

„Es wäre auch denkbar, eine Liste mit zehn Frauen auf den vorderen Plätzen zu machen, aber dafür müssten wir natürlich geeignete und auch willige Kandidatinnen haben, was eher schwierig ist. Das wäre dann ein deutlicher Impuls, den Frauenanteil im Gemeinderat zu erhöhen, wenn der Plan aufginge.“

Christine Finke

Alltag im Gemeinderat: Fehlt der Respekt gegenüber Politiker­innen?

Die Erfahrungen der Gemeinderätinnen in Konstanz bestätigen die Ergebnisse einer Studie der EAF Berlin: Laut der Studie geben 48 Prozent der Politikerinnen an, dass Frauen in Diskussionen häufiger unterbrochen werden als Männer. 40 Prozent der Befragten berichten, dass sie sich in politischen Ämtern deutlich mehr anstrengen müssen. Zudem haben Frauen weniger Möglichkeiten, interessante Aufgaben zu übernehmen, und ihre Redebeiträge werden oft nicht ernst genommen.

Besonders die Aussagen zur Diskussionskultur verdeutlichen, dass sexistisches Verhalten gegenüber Frauen in der Politik immer noch weit verbreitet ist: Beiträge von Frauen werden ignoriert oder ins Lächerliche gezogen, ihre Stimme wird verspottet, sie werden unterbrochen oder ihnen wird das Wort verwehrt. Zudem werden unsachliche Bemerkungen über ihr Aussehen oder ihre Figur gemacht. „Im Gemeinderat ist es manchmal wie im Kindergarten, alle reden ständig miteinander, auch während einer Rede. Wir sind erwachsene Menschen, das ist einfach respektlos. Ich würde mir wünschen, dass wir uns bei Redebeiträgen mehr Respekt erweisen und uns gegenseitig zuhören“, sagt Zahide Sarikas, die für die SPD im Gemeinderat sitzt. „Früher habe ich einfach aufgehört zu reden, wenn ich gemerkt habe, dass man mir nicht zuhört. “

Dorothee Jacobs-Krahnen, Gemeinderätin der FGL. Foto: privat

„Es ist ein Zeichen von Respekt, dass man sich grüßt, dass man sich zuhört und dass man sich politisch akzeptiert“, sagt Jacobs-Krahnen. „Wenn mich jemand nicht einmal grüßt, dann hört er mir offensichtlich auch nicht zu und interessiert sich nicht für meine Meinung.“ Das bestätigt auch die EAF-Untersuchung: Demnach haben Frauen mehr Zweifel, ob sie den Anforderungen in der Politik gewachsen sind – Frauen hinterfragen sich mehr und machen sich mehr Gedanken, Männer hingegen bewerben sich aktiv um Ämter und trauen sich selbstbewusst Aufgaben zu.

Bei der FGL sind geeignete Voraussetzungen, um mehr Frauen in die Führungsebene der Verwaltung, der Aufsichtsräte, der Politik und der Wirtschaft zu bekommen, „zentraler Bestandteil unseres Wahlkampfs und gelebte Realität in unserer Fraktion und unserer gelebten Kultur“, so auf Anfrage von Soteria Fuchs, einer der Fraktionssprecherinnen. Die Freie Grüne Liste ist nicht nur die größte Fraktion im Konstanzer Gemeinderat, sondern hat auch zahlenmäßig die meisten Frauen – sieben von 13 Mitgliedern sind Frauen. „Bei der FGL engagieren sich Frauen politisch, weil sie sich von unserer Arbeit angesprochen fühlen und für sie die Rahmenbedienungen passen“, so Fuchs. „Unsere Willkommenskultur schlägt sich in den wöchentlichen Fraktionssitzungen nieder: Wir tagen hybrid, um so am Abend Menschen mit kleinen Kindern die Teilnahme an unserer Sitzung von zu Hause aus zu ermöglichen.“ Bei der Kommunalwahl 2024 tritt die FGL zum ersten Mal mit einer gemeinsamen Liste FGL/Bündnis90/Die Grünen an. „Für diese Liste gilt wieder: Mindestens alle ungeraden Plätze sind Frauenplätze. Bei Stimmengleichheit bei den freien Plätzen wird der Platz mit einer Frau besetzt! Das sind beste Bedingungen, um dann auch gewählt zu werden!“ 

„In den Medien werden oft nicht die fachlich fundierten Beiträge, die von Frauen eingebracht werden zitiert, sondern polarisierende Stichworte von Männern – das führt dazu, dass Männer sichtbarer sind als Frauen“, sagt Martin-Schweizer. Diese Erfahrung hat auch Tanja Rebmann im Konstanzer Gemeinderat gemacht:

„Oft wird in der Presse ein Mann mit einem Satz zitiert, obwohl ich als Hauptrednerin meiner Fraktion unsere Position vorher bereits geäußert habe. Das macht Frauen weniger sichtbar und erschwert auch die Vorbildfunktion. Man fragt sich dann: Habe ich noch nie etwas Wichtiges gesagt?“

Tanja Rebmann, SPD

Wie können mehr Frauen gewonnen werden?

Bei den Freien Wählern ist mit Susanne Heiß nur eine Frau in der Fraktion vertreten. Auf Anfrage von karla schreibt sie: „Auf unserer Wahlliste waren 2019 leider nur elf Frauen. Wir hoffen, dass wir für 2024 ein paar mehr Frauen finden werden, die gerne kandidieren“, so die Gemeinderätin. „Es ist nicht so einfach, Frauen zu finden, die sich für Kommunalpolitik interessieren und auch Zeit haben. Meistens sind Frauen mit Kindern und Beruf sehr ausgelastet und haben dann einfach keine Zeit für ein zusätzliches aufwendiges Ehrenamt.“ Auch wenn es nach Angaben der Freien Wähler Konstanz nicht so leicht sei, eine paritätische Liste aufzustellen, sei das der Wunsch für die Kommunalwahl 2024: „Das Ziel haben wir im Blick, ob es gelingt, werden die nächsten Wochen zeigen.“

Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung im Januar 2022 über den Vorschlag zur Verbesserung der Ratsarbeit diskutiert und in modifizierter Form beschlossen. Damals wurde vereinbart, die Redezeit bei vorberatenen Tagesordnungspunkten auf drei Minuten pro Redner:in in der ersten Runde und auf zwei Minuten pro Redner:in ab der zweiten Runde zu begrenzen. Auch die Sitzungsdauer stand zur Debatte. Es wurde beschlossen, die Sitzungen auf bis maximal 21 Uhr zu begrenzen, indem die Tagesordnung entsprechend angepasst wird. Allerdings ist seitdem wenig passiert. Auf Anfrage erklärte die Pressestelle der Stadt: „Die Begrenzung der Redezeiten wird in der Regel bereits in der Fraktionsbesprechung vereinbart. Allerdings zeigt sich in den Gemeinderatssitzungen hin und wieder, dass eine Einhaltung nur bedingt durchsetzbar ist.“ Zur Begrenzung der Sitzungsdauer heißt es: „Grundsätzlich hängt das Einhalten dieser Vorgabe von der Sitzungsdisziplin aller Beteiligten ab. In der Tat gelingt es uns jedoch regelmäßig nicht, das gewünschte Ende von 21 Uhr einzuhalten.“ Christiane Kreitmeier von der FGL erklärt:

„Der nächste Gemeinderat sollte die Chance nutzen, Regeln für die Rede- und Sitzungszeit durchzusetzen. Es gibt Gemeinden, in denen nicht länger als bis 21 Uhr getagt wird. Alles, was bis dahin nicht behandelt wurde, wird vertagt.“

Christiane Kreitmeier, Freie Grüne Liste

Laut der Pressestelle plant auch das Hauptamt, die Ratsarbeit weiter zu optimieren und dies mit dem neuen Gemeinderat zu besprechen.

Tanja Rebmann erinnert sich an die Diskussion zur Optimierung des Gemeinderates. Als sie einen Vorschlag einbrachte, wie Frauen, junge Menschen, Berufstätige und Familien besser in den Gemeinderat integriert werden könnten, habe man erst gelacht. „Dann kam die Antwort: Wir machen uns den Gemeinderat doch nicht, wie wir wollen“, sagt Rebmann. „Solange diese Haltung im Gemeinderat vorherrscht, wird sich nichts ändern. Es muss ein Umdenken im Rat stattfinden.“ Derzeit werden vielerorts die Listen für die nächsten Kommunalwahlen aufgestellt. Dabei haben die Parteien die Möglichkeit, bewusst Frauen auf ihre Listen zu setzen.

„Man muss sich anstrengen, damit eine Fraktion nicht männlich bleibt. Im Moment können die Parteien noch alles dafür tun, dass die Listen gut mit Frauen – im bester Fall paritätisch – aufgestellt werden und die Frauen dann im Wahlkampf auch die Bühne bekommen, um sich zu zeigen“

sagt Petra Martin-Schweizer.

Eines, so die Gleichstellungsbeauftragte, könne sie jedoch nicht mehr hören: „Wenn Parteien sagen, wir haben keine Frau gefunden, dann sollten sie sich fragen, ob das Programm von Frauen als Politikerinnen getragen werden kann und Frauen als Wählerinnen anspricht.“

Bleibt die Frage, wie der Frauenanteil im Konstanzer Gemeinderat erhöht werden kann. „Das muss von der Partei selbst vorgelebt werden. Das sind die Frauen, die wir für kompetent halten, und genau diese Frauen wollen wir im Gemeinderat haben“, sagt Tanja Rebmann von der SPD. Die SPD Konstanz stellt ihre Liste für die Gemeinderats- und Kreistagswahl paritätisch im „Reißverschluss-Prinzip“ auf, demnach werden abwechselnd ein Mann und eine Frau auf den Listen platziert. „Wir wünschen uns, dass unsere Wählerinnen und Wähler gleichermaßen Frauen und Männer in unsere künftige Gemeinderatsfraktion wählen“, heißt es auf Anfrage. „Denn für uns ist Gleichberechtigung gelebte Praxis in unserer täglichen kommunalpolitischen Arbeit und wir hoffen, dass das endlich auch über alle Fraktionen hinweg zur Realität im Gemeinderat wird.“

„Wir treffen uns immer am Montagabend um 18:30 Uhr und achten darauf, dass die Sitzungen nicht zu lange dauern. Selbstverständlich ist es immer möglich, Kinder mitzubringen, wenn eine Betreuung der Kleinen nicht möglich ist“, teilt Anke Schwede, Fraktionssprecherin der Linken Liste Konstanz (LLK) auf Anfrage mit. „Darüber hinaus tagen wir auch virtuell, wenn es unseren Mitgliedern zeitlich oder beruflich nicht möglich ist, persönlich zu erscheinen.“ Für die nächste Kommunalwahl strebt die LLK ein Verhältnis von 50:50 an, um die Listen nach dem Reißverschlussprinzip zu besetzen. „Seit einigen Wochen bemühen wir uns gemeinsam mit der LINKEN Konstanz in unserem politischen Umfeld, bei Veranstaltungen, Treffen und auch im privaten Rahmen, mögliche Kandidatinnen und Kandidaten – ausdrücklich auch aus der LGBTQI-Community – für eine Kandidatur zu motivieren“, heißt es auf Anfrage. 

Landkreis und Gemeinde­rätinnen sind aktiv

Der Landkreis Konstanz hat gemeinsam mit der Chancengleichheitsstelle der Stadt Konstanz am bundesweiten Programm „Kommune – Frauen in der Politik“ teilgenommen. Das Ziel des Projekts war, die Präsenz von Frauen in der Kommunalpolitik nachhaltig zu erhöhen, insbesondere in Rathäusern, Landratsämtern und kommunalen Vertretungen wie Gemeinde-, Stadt- und Kreisräten. Dafür wurden verschiedene Veranstaltungen wie Demokratie-Workshops für interessierte Frauen und öffentliche Vorträge durchgeführt. Im Rahmen eines Mentoring-Programms wurden Frauen, die neu in der Politik aktiv waren oder Interesse an politischen Ämtern zeigten, mit erfahrenen lokalen Mentor:innen wie Zahide Sarikas, Christine Finke oder Tanja Rebmann zusammengebracht.

Zusätzlich zum Aktionsprogramm wird ab Mitte November ein E-Learning-Kurs zum Thema Kommunalpolitik angeboten. Der Kurs erstreckt sich über vier Wochen und behandelt die Möglichkeiten der kommunalpolitischen Gestaltung einer Gemeinde. Er richtet sich speziell an Frauen, die aktiv an der Zukunft ihrer Gemeinde mitwirken und sich in die lokale Politik einbringen möchten. Warum das sinnvoll ist?

„Es macht Spaß, die Gemeinde, in der man lebt, mitzugestalten. Man sieht direkt den Erfolg, wenn eine neue Kita gebaut wird oder die Gemeinschaftsschule. Man muss sich nicht ärgern, sondern kann mitreden“

sagt Zahide Sarikas.

Im Konstanzer Gemeinderat sind bisher 15 Frauen vertreten, was einem Anteil von 37,5 Prozent entspricht. Diese Gemeinderätinnen haben erkannt, dass sie überparteilich zusammenarbeiten müssen, um etwas zu bewirken. Ihr Ziel ist es, aktiv Einfluss zu nehmen, denn sie wissen, dass andere Entscheidungen treffen könnten, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Christine Finke bringt es auf den Punkt: „Wenn ich nicht entscheide, entscheiden andere, und die entscheiden vielleicht ganz anders, als ich es mir wünsche.“ Die Gemeinderätinnen sind sich der Bedeutung von Frauen in der Kommunalpolitik bewusst. Es ist an der Zeit, dass sich sowohl die Rahmenbedingungen als auch das Wahlverhalten ändern, um eine Veränderung im Gemeinderat zu erreichen.