Eigentlich war die Sache klar: Rund 125 Millionen Euro müsste die Stadt in ihre Schulen investieren, um den durch die steigenden Schüler:innenzahlen entstehenden Raumbedarf in den nächsten Jahren zu decken. Das hatte ein externes Gutachten zur Konstanzer Schulentwicklung im Oktober 2023 detailliert aufgeschlüsselt. Dieser Bedarf liegt auch daran, dass für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium und dem Ganztagsanspruch an Grundschulen zusätzliche Räume gebaucht werden. Ein gemeinsam von Verwaltung und Gemeinderat erarbeitetes Papier ging 2022 sogar noch weiter. Es bezifferte die notwendigen Investitionen in Schulen und Sporthallen auf rund 226 Millionen Euro.
Unterricht im Schulcontainer wird Alltag werden für viele Schüler:innen
Nach den Haushaltsberatungen Im Gemeinderat ist klar – nur ein Bruchteil davon wird in den nächsten Jahren in den bestehenden Schulen umgesetzt. 28,5 Millionen sind bis 2034 im Haushalt dafür vorgesehen. Die bereits aus allen Nähten platzenden Konstanzer Schulen werden mindestens bis dahin mit der Situation leben müssen. Das hat der Konstanzer Sozialbürgermeister Andreas Osner (SPD) in einem Gespräch mit karla bestätigt: „Aufgrund der angespannten Haushaltslage werden wir einige Investitionen nicht so tätigen können, wie wir es gerne wollten. Bis auf die Entwicklung der Schulen am Hafner und die Sanierungen an den Grundschulen Wollmatingen und Allmannsdorf müssen wir alle geplanten Baumaßnahmen auf 2035 und die folgenden Jahre verschieben.“
Betroffen sind davon das Suso-Gymnasium, die Geschwister-Scholl-Schule, die Lotte-Eckener-Gemeinschaftsschule, die Grundschule Haidelmoos, die Grund- und Werkrealschule Berchen, das neue Berufsschulzentrum sowie der Neubau einer Sporthalle in Dettingen. Der Fokus liegt nun auf dem Neubau zweier Schulen im neu entstehenden Wollmatiner Wohngebiet Hafner. Die müssen jetzt in Rekordzeit entstehen, um die stark wachsenden Schüler:innenzahlen der nächsten Jahre aufzufangen.

Im neuen Stadtteil Hafner (3000 neue Wohnungen sollen entstehen) ist neben einer Grundschule auch eine weiterführende Schule geplant. Geplant ist eine Verbundschule aus Gymnasium und Gemeinschaftsschule. Sie wird nach Zahlen aus dem Jahr 2023 rund 73 Millionen Euro kosten. Das Geld wird die Stadt nicht alleine stemmen müssen: Das Land fördert Schulbau in der Regel mit 33 Prozent. Bei Bauten von besonderer „überörtlicher Bedeutung“ kann es auch mehr Geld vom Land geben. Wie diese neue Schule aussehen könnte, das hatten Elke Großkreutz (sie baute die erste Gemeinschaftsschule in Konstanz auf) und Johannes Baumann (war 30 Jahre Schulleiter am Gymnasium Wilhelmsdorf und berät Schulen auch im Rahmen des Deutschen Schulpreises) im vergangenen Jahr skizziert.
„Es braucht eine gemeinsame Schulleitung, ein gemeinsames pädagogisches Grundverständnis und eine einheitliche Schulkultur“, sagte Elke Großkreutz. Die Schule solle integrativ und inklusive arbeiten und alle Lernenden nach ihrem jeweiligen Niveau fördern, Übergänge zwischen den beiden Schultypen sollen fließend möglich sein. Und: Die Schule will sich explizit als Stadtteilschule verstehen. Sie soll offen sein für andere Nutzungen und will die Wohnbevölkerung vor Ort einbeziehen. Bis 2030 soll die neue Schule im Hafner fertig sein. Denn dann werden voraussichtlich auch die ersten Familien ins Quartier ziehen. Der Zeitplan ist ehrgeizig. Eigentlich sind zehn Jahre Planungs- und Bauzeit bei Schulen mittlerweile realistisch.
Ein Grund für die Bauverzögerungen an den bestehenden Schulen laut Andreas Osner: „Die nicht aufschiebbaren energetischen Sanierungen sowie notwendige Brandschutzmaßnahmen benötigen fast unser gesamtes Investitionsbudget im Schulbau (laut aktuellem Haushalt liegt es bei 28,5 Millionen Euro, d. Red.).“ Für Schüler:innen und Lehrer:innen sind das schlechte Nachrichten.
Denn es bedeutet, dass wegen des jetzt schon bestehenden Platzmangels in den Schulen und dem prognostizierten Anstieg der Schüler:innenzahl der Unterricht in Containern Alltag werden wird. Und das nicht nur kurzfristig. „Wir werden künftig Container kaufen und nicht mehr mieten. Weil wir sie so lange brauchen werden, ist der Kauf günstiger, als immer wieder neu zu mieten“, sagt Sozialbürgermeister Osner.
„Wir werden künftig Container kaufen und nicht mehr mieten. Weil wir sie so lange brauchen werden, ist der Kauf günstiger, als immer wieder neu zu mieten.“
Andreas Osner, Sozialbürgermeister der Stadt Konstanz
Patrick Hartleitner ist von dieser Entwicklung doppelt betroffen. Allgemein als geschäftsführender Schulleiter aller Konstanzer Gymnasien. In dieser Funktion vertritt er die Schulen gegenüber der Politik. Sehr konkret treffen Hartleitner die Folgen als Schulleiter des Suso-Gymnasiums. Es gibt einen fertigen Architektenentwurf für die Erweiterung seiner Schule, die Bagger werden nun aber nicht vor 2035 anrücken. „Für die gesamte Konstanzer Schullandschaft sind die Entscheidungen des Gemeinderats schmerzlich. Wir stellen uns auch die Frage, ob die Prioritäten hier richtig gesetzt wurden“, so Hartleitner im Gespräch mit karla.

„Für die gesamte Konstanzer Schullandschaft sind die Entscheidungen des Gemeinderats schmerzlich. Wir stellen uns auch die Frage, ob die Prioritäten hier richtig gesetzt wurden.“
Patrick Hartleitner, Geschäftsführender Schulleiter aller Konstanzer Gymnasien
Am Suso-Gymnasium sollten durch den Neubau neue Klassen- und Fachräumen entstehen, um mehr Schüler:innen unterbringen zu können und die Schule langfristig auf vier Züge (also vier Klassen pro Jahrgang) auszubauen. Dieser Neubau sollte die bestehenden Räume mit fachspezifischen Unterrichtsbereichen der Naturwissenschaft & Technik, Biologie und Chemie und Bildende Kunst erweitern.
Neben der Schulerweiterung sollte zudem eine neue Dreifeld-Sporthalle gebaut werden, die außerhalb der Schulzeit auch für den Vereinssport zur Verfügung stehen sollte. Daraus wird nun erstmal nichts. Der vorliegende Entwurf soll nur bis zur Baureife weiter geplant werden, dann aber frühestens ab 2035 umgesetzt werden.


Die Stadt Konstanz hat 2023 ein Gutachten zur Schulentwicklungsplanung in Auftrag gegeben. Dabei wurde auch die Zahl der Schüler:innen bis 2045 prognostiziert in verschiedenen Modellrechnungen.
Bei den Grundschulen zeigt sich dieses Bild:

Bei den weiterführenden Schulen sieht das Bild ähnlich aus:

Für Hartleitner ist das eine unbefriedigende Situation. Weil seine Schule nun weiter improvisieren muss, um der Lage Herr zu werden. Ab 2027 rechnet er damit, dass sie auch am Suso Unterrichtscontainer benötigen werden, um alle Schüler:innen unterzubringen.
Die jetzige Entwicklung ist für den Schulleiter auch eine Konsequenz aus dem jahrelangen Nichtstun der Stadt beim Schulbau. „Die gesellschaftlichen Entwicklungen waren offensichtlich, die Geburtenzahlen sind bekannt. Man hätte wissen können, was da auf die Schulen zukommt. Dass die politischen Entscheidungen dem nicht Rechnung tragen, ist enttäuschend“, so Hartleitner.
„Viele Entscheidungsprozesse über Schulentwicklungen haben zu lange gedauert. Wir haben zu spät angefangen, die Schulen auszubauen.“
Petra Rietzler, SPD-Stadträtin
In der Politik ist man sich dieser Wirkung durchaus bewusst. Petra Rietzler kennt die Konstanzer Schullandschaft bestens. Jahrelang war sie Vorsitzende des Gesamtelternbeirats, inzwischen sitzt sie für die SPD im Gemeinderat. Bevor sie irgendetwas zur aktuellen Lage sagt, möchte sie vor allem eines betonen: „Die Stadt Konstanz ist ein guter Schulträger. Der Wille zu einer guten Entwicklung unserer Schulen ist immer vorhanden“, sagt sie, um dann doch noch ein großes „Aber“ anzuknüpfen: „Viele Entscheidungsprozesse über Schulentwicklungen haben zu lange gedauert. Wir haben zu spät angefangen, die Schulen auszubauen“, räumt Rietzler ein.

Bei der Suche nach den Gründen dafür verweist die Stadträtin aber auch auf die Rolle des Landes Baden-Württemberg. Die Richtlinien dafür, welcher Schulbau gefördert wird und welcher nicht, sei immer wieder geändert worden. Verlässliche Schulbauplanung sei unter diesen Bedingungen schwierig. Ein Fehler bei der Stadt sei dann gewesen zu sagen, gebaut wird nur noch, was auch gefördert wird. „Das hat immer wieder zu Verzögerungen beim Bau geführt, weil man die neuen Richtlinien für Förderprojekte abwarten wollte“, so Rietzler.
Sie zweifelt daran, dass dies der richtige Ansatz ist, die Stadt sollte da stärker selbst in die Verantwortung gehen. „Wir müssen uns gut überlegen, was können, was wollen wir uns leisten. Aber manche Dinge muss man sich einfach leisten wollen. Der Schulbau gehört für mich dazu“, so die SPD-Rätin.

Hafner oder Suso? Am Ende lief es auf eine klare Entscheidung heraus
Trotzdem hat sie am Ende gegen einen Antrag der Grünen gestimmt, der den Erweiterungsbau am Suso-Gymnasium wie geplant umsetzen wollte. Wie passt das zusammen? „Es war eine schwere Entscheidung“, räumt Rietzler ein, aber am Ende sei für sie klar gewesen, dass eine gleichzeitige Planung und Umsetzung von Suso-Neubau sowie den neuen Schulen im Hafner auf Kosten der Hafner-Entwicklung gegangen wäre. Das städtische Hochbauamt sei personell nicht so ausgestattet, dass es zwei solche Projekte gleichzeitig stemmen könne. „Deshalb habe ich mich dafür entschieden, den vollen Fokus auf die Entwicklung der Schulen im Hafner zu legen und den Suso-Bau aufzuschieben“, erklärt die Sozialdemokratin.
Ein wichtiges Argument in ihrer Entscheidungsfindung sei gewesen, wie viele Schüler:innen von welchem Bauprojekt profitieren können, wenn nicht beides gleichzeitig möglich ist. „Während an der neuen Schule im Hafner um die 400 Schüler:innen einen Platz finden können, geht es bei der Erweiterung des Suso um vielleicht 60 neue Schulplätze. Das hat für mich den Ausschlag gegeben, weil es jetzt darum gehen muss, möglichst viele Schulplätze zu schaffen“, so Rietzler.
Mängel wurden zu lange nur oberflächlich behoben
Samuel Hofer hätte den Neubau am Suso-Gymnasium trotzdem gerne jetzt realisiert. Er sitzt für die Grünen im Gemeinderat. Seine Fraktion hatte den Antrag gestellt, den Bau trotz der angespannten finanziellen Lage fortzuführen. „Wir bedauern, dass wir dafür keine Mehrheit gefunden haben, jetzt müssen wir mit der Situation umgehen“, so Hofer im Gespräch mit karla.
Über Jahre sei zu wenig investiert worden, das räche sich jetzt. Bislang habe es zu oft „die Konstanzer Lösung“ gegeben. Was das genau bedeute? Der Stadtsportverband habe diese Bezeichnung in Bezug auf den Sporthallenbau in Konstanz geprägt. Demnach werden Mängel so lange nur oberflächlich behoben, bis irgendwann ein richtig großer Batzen an Investition notwendig wird. Und das, so findet der grüne Stadtrat, sei doch eine ganz treffende Beschreibung der Lage. „Besonders nachhaltig ist dieses Modell allerdings nicht“, ergänzt Hofer.
Was jetzt also tun? Einer, der sich schon sehr lange mit der Entwicklung der Konstanzer Schulen beschäftigt, ist Frank Schädler. Er leitet das städtische Amt für Bildung und Sport und egal, wenn man in der Konstanzer Kommunalpolitik fragt, fast alle attestieren ihm, dass er das in den letzten Jahren ziemlich gut gemacht hat. Schädler weiss um die komplizierte Lage: „In den vergangenen Jahren haben wir es versäumt, konsequent und ausreichend in den Schulbau zu investieren. Die steigenden Schülerzahlen waren bekannt, trotzdem konnten wir die notwendigen Projekte auch in der Politik nicht durchsetzen. Es gab keine Mehrheiten dafür. Jetzt zahlen wir den Preis“, so der Amtsleiter.

G9, Ganztagsanspruch an Grundschulen: es stehen große Herausforderungen an
Und das in einer Zeit in der mit der Rückkehr zu G9 und dem Ganztagsanspruch an Grundschulen große Herausforderungen in den Schulen anstehen. Für den Bildungsamtsleiter ist klar: „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir möglichst glimpflich durch diese Zeiten des Mangels kommen.“
Die Frage nach dem Wie ist da schon schwieriger. Erst recht angesichts der Tatsache, dass fast alle Neubauvorhaben, die im Schul- und Sporthallenbau 2022 mit dem Gemeinderat noch priorisiert wurden, wegen des klammen städtischen Haushalts jetzt auf die Zeit nach 2035 verschoben wurden. Auswege? Die bereits beschriebenen Container an verschiedenen Schulen. Und sonst? „Auch beim Ausbau von Sportstätten wird es in den nächsten Jahren nicht vorangehen. Unser ganzer Fokus liegt jetzt auf der Entwicklung des Hafner.“
Die Devise lautet also: Durch die Krise lavieren und dann darauf hoffen, dass die Schulen am Hafner rechtzeitig bis 2030 fertig werden. Ob das klappt? „Zehn Jahre Planungs- und Bauzeit sind bei Schulen mittlerweile realistisch, wir müssen es jetzt schneller schaffen. Auch deshalb können wir uns keine Verzögerung mehr erlauben“, hatte Schädler bereits vor anderthalb Jahren im Gemeinderat gewarnt.
Für die bestehenden Schulen wird es in der Zwischenzeit nicht einfacher. Schon in den vergangenen Haushaltsdebatten mussten die Schulbudgets Einsparungen bis zu zehn Prozenten hinnehmen. „Trotzdem sind die Budgets für die einzelnen Schulen noch auskömmlich“, betont Frank Schädler. Er sieht auch keinen Grund zu Schwarzmalerei angesichts der bevorstehenden Probleme: „Die Konstanzer Schulen sind insgesamt aber immer noch gut aufgestellt“, so Schädler.

„Bei den geplanten Sondervermögen der Bundesregierung bin ich skeptisch, was da am Ende wirklich in den Kommunen ankommt. Wir sind oft genug enttäuscht worden.“
Andreas Osner, Sozial- und Kulturbürgermeister der Stadt Konstanz
Hoffnungen könnten vom Bund kommen. Von den 500 Milliarden des neuen Sondervermögens für Infrastruktur soll auch ein Teil in die Kommunen fließen. Kann das die Probleme lösen? der Konstanzer Sozialbürgermeister Andreas Osner glaubt: eher nicht. „Bei den geplanten Sondervermögen der Bundesregierung bin ich skeptisch, was da am Ende wirklich in den Kommunen ankommt. Wir sind oft genug enttäuscht worden. Geld ist zudem auch nicht die alleinige Lösung. Uns fehlen auch personelle Ressourcen, um Investitionen auch umsetzen zu können.“
Land und Bund habe er zuletzt zunehmend als wenig verlässliche Partner für Kommunen wahrgenommen: „Wir haben durch verschiedene Bundes- und Landesgesetze in den vergangenen Jahren immer wieder neue Aufgaben dazu bekommen. Aber keiner beantwortet uns, was wir bei gleichbleibender finanzieller und personeller Ausstattung künftig weglassen können. Deshalb müssen wir uns selbst Gedanken darüber machen, wo unsere Prioritäten künftig liegen.“
Die Verteilkämpfe werden auch in Konstanz härter
Auf die Frage, was das genau bedeutet, nennt Osner als Beispiel die Entscheidung gegen einen Umbau des Bodenseestadion zu einer öffentlich zugänglichen Freizeitanlage. Der Rotstift droht zudem auch in anderen Bereichen der Stadt. So sollen die Ausgaben im Kulturbereich der Stadt auf den Prüfstand kommen. Das dürfte die Verteilkämpfe in der Stadt weiter anheizen.
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