Eigentlich haben Autofahrer:innen die Grenze schon 500 Meter hinter sich gelassen, denn der Zoll im Tägermoos befindet sich auf Schweizer Gemarkung. Schweizer Mobilfunknetz, Postleitzahl Kreuzlingen, EU-Ausland. Die Lastwagen reihen sich auf der Spur zum Schweizer Zoll ein, sie stehen zum Teil bis zur Schänzlebrücke. Die Sonne brennt auf den Asphalt. Nur das große Dach der Gemeinschaftszollanlage Konstanz-Kreuzlingen spendet Schatten.
Die Motorengeräusche der Lastwagen sind deutlich zu hören. Täglich passieren hier rund 1.200 Lastwagen die Grenze zur Schweiz. Einige halten nur kurz auf dem Parkplatz, melden sich am Schalter des deutschen Zolls für die Ausreise und am Schalter des Schweizer Zolls für die Einreise und fahren dann weiter auf der Schweizer Autobahn in alle möglichen Richtungen. Andere werden kontrolliert.
Am Kontrollpunkt stehen die Auszubildende Tanisha Dietsche und Damiano Re. Damiano ist Zollfachmann und heutige Einsatzleiter ist seit vier Jahren beim Zoll. Von Kopf bis Fuß steckt er in Einsatzkleidung: Über dem knallblauen Zoll-Poloshirt und der schusssicheren Weste trägt er eine neongelbe Warnweste mit der Aufschrift „Zoll“. Um die Hüfte hat er einen Gürtel geschnallt – mit allem, was er für seinen Job braucht: Pistole, Handschuhe, Schlagstock, Taschenlampe, Pfefferspray. Die dicken schwarzen Lederstiefel komplettieren den Schutz. Die Haare sind ordentlich nach hinten gegelt, der Bart perfekt gestutzt. Funkgerät über der Schulter, Ohrstöpsel im Ohr, große Sonnenbrille auf der Nase.
Wenn die Mitarbeiterin am Kontrollpunkt anhand der Papiere entscheidet, dass eine Ware nachkontrolliert werden muss, übernehmen Tanisha und Damiano. Dabei kommt es unter anderem auf die Ladung und ihre Herkunft an: Es gibt Waren, die normalerweise nicht kontrolliert werden müssen, andere kommen ohne Nachkontrolle gar nicht erst durch den Zoll. Gerade steht ein Lastwagen mit frischen Lebensmitteln an der Kontrollstelle. „Bananen? Orangensaft?“, fragt Damiano. „Wo kommt der Saft her?“ „Aus Brasilien“, sagt seine Kollegin Tanisha und schaut auf die Formulare in ihrer Hand. Mit einigen Ländern hat die Schweiz Freihandelsabkommen, die Waren dürfen also ohne Zollabgaben eingeführt werden.
Insgesamt hat die Schweiz 35 Freihandelsabkommen mit 46 Ländern geschlossen. Das bedeutet, dass Importeure für viele Waren keine oder nur reduzierte Zölle bezahlen müssen. Also winkt Damiano den Lastwagen durch, er darf weiterfahren. Ob er die Regeln alle im Kopf hat? „Nee“, sagt Damiano und lacht. Aber er weiß, wo er die Infos findet. Sie im Kopf zu haben, das komme mit den Dienstjahren.
2,2 Millionen Personen, 1,1 Millionen Autos und 21.000 Lastwagen überqueren täglich die Schweizer Grenze. Dazu kommen Waren aus aller Welt, die in die Schweiz importiert oder durch die Schweiz transportiert werden, oder Schweizer Produkte, die ins Ausland exportiert werden. Wichtigster Absatzmarkt für Schweizer Produkte ist die EU. Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) nimmt jährlich 24,3 Milliarden Franken ein, die der Schweiz als Teil der Bundeseinnahmen zur Verfügung stehen. Zu den Aufgaben der Mitarbeitenden gehören die ordnungsgemäße und rasche Zollabfertigung von Waren inklusive der Erhebung von Abgaben sowie die Kontrolle des grenzüberschreitenden Personenverkehrs, der illegalen Migration und sicherheitspolizeiliche Aufgaben. Im vergangenen Jahr bearbeitete das BAZG 54 Millionen Zollanmeldungen.
Einmal zur Nachkontrolle, bitte!
Dann hält ein rumänischer Lkw mit schwarzem Führerhaus und blauer Plane. Der Fahrer gibt an, dass seine Ware in Deutschland hergestellt wurde. Ein Grund für Damiano, ihn zur Kontrolle zu schicken. „Wenn man lange dabei ist, kennt man den Verkehr und die Spezialitäten“, erklärt er auf Schweizerdeutsch. Sein Auftreten ist souverän und freundlich, aber bestimmt. Der Einsatzleiter bittet den rumänischen Fahrer und seine Beifahrerin auszusteigen und alle Wertsachen mitzunehmen.
Das Team, bestehend aus Gruppenchef Daniel Schnyder, der Auszubildenden Tanisha Dietsche, Grenzwächter Pius Büsser und Damiano Re, teilt sich auf. Zuerst werden die Ausweise und Fahrzeugpapiere kontrolliert. Dann folgt die Kabinenkontrolle. Dann die Warenkontrolle. „Hier kontrollieren wir, ob das, was sie deklariert haben, mit der tatsächlichen Ware übereinstimmt“, erklärt Daniel, genannt Dani. Er zeigt die Ausweise des Lkw-Fahrers und seiner Beifahrerin und dreht sie um.
Auf den ersten Blick sieht die Rückseite nur weiß aus, doch bei genauerem Hinsehen sind Zahlen zu erkennen. Allerdings nur auf einem der beiden Pässe. Was hat das zu bedeuten? „Entweder ist er schon sehr abgenutzt oder er ist nicht echt“, erklärt er. Das wird gleich die Maschine zeigen, die die Pässe und Führerscheine überprüft. Das wiederum übernimmt Tanisha, die schon am Computer Platz genommen hat.
„Man muss wissen, was echt ist, um zu erkennen, was nicht echt ist“, sagt Dani weiter. Dani gehört zu den alten Hasen am Zoll. Der Grenzwächter und Gruppenchef hat eine liebevolle Strenge. Sein Lachen ist ansteckend, immer hat er einen Scherz auf den Lippen. Gleichzeitig kann er auch ernst bleiben, wenn er mitten in einer Kontrolle steckt. Seit 25 Jahren ist Dani dabei.
Innerhalb der EU können Waren in der Regel ohne Einschränkungen transportiert werden. Sobald die Waren jedoch die Grenzen der EU überschreiten, müssen Zollvorschriften beachtet werden. Alle Waren, die aus einem Nicht-EU-Land in die EU eingeführt werden sollen, müssen vom Zoll abgefertigt werden. Gleiches gilt für den Export von Waren in einen Nicht-EU-Staat, z. B. in die Schweiz. Für die Einreise von Privatpersonen in die Schweiz gibt es sogenannte Freimengen: ein Kilo Fleisch, ein Kilo Butter, 250 Stück/Gramm Zigaretten. Auch für Alkohol gibt es Freimengen: bei Getränken bis 18 Prozent Alkoholgehalt liegt die Toleranzgrenze bei fünf Litern, für Hochprozentigeres bei einem Liter. Die Angaben gelten jeweils pro Person. Übersteigen die mitgeführten Waren diese Freigrenzen, sind sie zollpflichtig.
Pius Büsser ist nicht nur Grenzwächter, sondern auch Diensthundeführer. Sein Hund mit dem eigenwilligen Namen „I am von der Bachhöle“ ist seit sieben Jahren an seiner Seite. Der Schäferhund trägt ein grünes Halsband und Schuhe an den Pfoten, zum Schutz für sich selbst, aber auch für die Ware, die er eventuell erschnüffeln wird. Er arbeitet mit Pius, lebt mit ihm. „Er gehört zur Familie“, sagt Pius. Man merkt, die beiden sind ein eingespieltes Team. Anders als man es sich vorstellt, hört man vom Schäferhund kein lautes Bellen, sieht man ihn nicht die Zähne fletschen. Im Gegenteil: Der Schäferhund ist ganz ruhig, wedelt mit dem Schwanz und freut sich auf seinen Einsatz.
Einsatz heißt für ihn, sein Spielzeug zu suchen. Denn genau so wird er trainiert: Er lernt, den Geruch von Rauschgift mit seiner Belohnung, dem Spielzeug, zu verbinden. Schwanzwedelnd läuft der Hund um die Lastwagen herum, schnüffelt an den Reifen und achtet besonders auf die Stellen, die ihm sein Herrchen zeigt. An diesem Nachmittag finden Pius und sein Hund nichts. Aber wie er reagiert, wenn er etwas findet, demonstrieren sie einmal: Pius versteckt einen Gegenstand mit künstlichem Betäubungsmittelgeruch unter dem unteren Rand der Lkw-Plane. I am von der Bachhöle rennt um den Lastwagen herum, findet das Gesuchte in Sekundenschnelle. Und dann setzt er sich einfach hin, den Fundort im Blick, den Schwanz über den Boden wedelnd.
„Wenn ich jetzt hinter ihm stehe und ihm über die Nase schaue, kann ich genau sehen, wo es ist.“
Pius
Heute darf der Hund auch durch die Ladung schnüffeln. Aber auch hier schlägt er nicht an. Entwarnung! „Jetzt bin ich überzeugt, dass hier alles in Ordnung ist“, sagt Pius.
In der Zwischenzeit haben Damiano und Dani bereits begonnen, die Fahrerkabine zu durchsuchen. Dazu sind sie über die kleine Treppe ins Führerhaus geklettert. Auf dem Fahrer- und Beifahrersitz kniend durchsuchen sie Ablagen und Fächer, oben und unten. Mit Handschuhen und Taschenlampen durchsuchen sie das „Wohnzimmer“ des Fahrers. „Die sind manchmal monatelang unterwegs, wir durchsuchen hier ihre ganz persönlichen Sachen“, sagt Dani. Deshalb hat er einen Pappkarton dabei. Er legt ihn auf den Beifahrersitz und steigt ein. „Mit dem nötigen Respekt kann man viel Wind aus den Segeln nehmen“, sagt er.
Stimmt die Ware mit der Anmeldung überein?
Für Patrick gehört der Stopp am Zoll zum Alltag. Der 30-Jährige fährt derzeit jeden Tag von Donaueschingen nach Liechtenstein und zurück: fünf Stunden reine Fahrzeit. Am Zoll wird er selten kontrolliert. „Ich bin ein bekanntes Gesicht und habe meistens immer das Gleiche geladen“, sagt er und nimmt einen Zug von seiner Zigarette. Gerade hat er seinen Lkw mit Konstanzer Kennzeichen auf dem Zollparkplatz abgestellt. Jetzt raucht er erst einmal eine Kippe im Schatten, bevor er die Ein- und Ausreiseformalitäten erledigt. Patrick bringt gerade Wasserboiler in die Ostschweiz und holt dann in Liechtenstein Bleche ab, die wiederum nach Donaueschingen in die Produktion müssen. Mal geht es am Zoll schneller, mal dauert es länger. Einmal, sagt er, sei er mit 30.000 Gewehrläufen angehalten worden. „Die Zöllner wollten wissen, ob die Gesamtzahl stimmt“, lacht er. Eines stört den jungen Trucker allerdings: „Es gibt definitiv zu wenig Parkplätze“. Die Folge: der berühmte Rückstau bis zur Schänzlebrücke.
Der Lkw aus Rumänien, der gerade kontrolliert wird, hat heute Gitter aus Eisen geladen. Die Aufgabe von Tanisha und Damiano: Stimmen die deklarierten Waren mit den tatsächlich geladenen überein? Tanisha macht zunächst die formelle Kontrolle am Computer. Sie ist seit zwei Jahren dabei, macht die Ausbildung zur Fachspezialistin für Zoll- und Grenzsicherheit. Ein ganz neues Berufsbild, mit dem sich der Schweizer Zoll für die Zukunft rüstet. Mussten bisher Zollfachkräfte und Grenzwächter:innen immer gemeinsam agieren, vereint der neue Job nun beide Berufsgruppen. Das macht das Team flexibler im Einsatz. Tanisha gibt nach der Kontrolle der Papiere ihr Okay. Damiano und sie testen mit einem Magneten, ob es sich wirklich um Eisen handelt, prüfen, ob die Ware tatsächlich – wie in der Lieferantenerklärung angegeben – in Deutschland hergestellt wurde und ob sie ordnungsgemäß gesichert ist. Auch der Fahrer muss mit anpacken. „Wohin gehen die Europaletten?“, fragt Damiano. „Nicht in die Schweiz“, antwortet der Fahrer in gebrochenem Deutsch. „Weiter.“ Wären sie in der Schweiz geblieben, hätten auch sie verzollt werden müssen. Die Kontrolle ist beendet. Der Fahrer darf weiterfahren.
Der Schweizer Zoll ist digitaler
Karin Junkersdorf ist Leiterin der deutschen Zollstelle an der Gemeinschaftszollanlage. Auch die deutschen Beschäftigten kümmern sich um die Zollabfertigung des gewerblichen Warenverkehrs und des Reiseverkehrs. Die Arbeitsweise ist jedoch eine andere:
„Die Schweiz hat die Digitalisierung im gewerblichen Sektor stark vorangetrieben. Dort bekommen die Lkw-Fahrer schon eine Mitteilung aufs Handy, ob sie zum Zoll müssen oder nicht“, sagt Junkersdorf. „Das sind Vereinfachungen, die wir noch nicht haben. Dadurch, dass wir in der EU sind, dauern Veränderungen oder Vereinfachungen an den IT- Systemen länger.“
Beim Schweizer Zoll gibt es verschiedene Services, mit denen Reisende, aber auch Fahrer:innen von Speditions- und Transportunternehmen ihre Waren vorab anmelden können. Mit „QuickZoll“ können Reisende Waren, die sie im Ausland für den Eigengebrauch oder zum Verschenken kaufen, digital anmelden und alle anfallenden Abgaben im Voraus bezahlen. Die App „Activ“ erleichtert Fahrer:innen von Speditions- und Transportunternehmen mit regelmäßigen Transitfahrten den Grenzübertritt. Sobald sich die Fahrer:innen einem Grenzübergang nähern, wird die Zollanmeldung für die in „Activ“ erfasste Ware übermittelt. Der Grenzübertritt erfolgt dann dank der App ohne Aufenthalt an der Grenze.
Für die Arbeit des deutschen Zolls ist das manchmal nicht ganz unproblematisch: „Die Lkw fahren dann einfach an uns vorbei.“ Insgesamt passieren täglich 1.000 bis 1.200 Lastwagen die Anlage. Sie transportieren Karosserieteile, Zahnersatz, Gebrauchtwagen sowie Kunst, Tiere und Abfall in beide Richtungen über die Grenze. Ein Ehepaar bringt regelmäßig seinen Graupapagei über die Grenze. Im Reiseverkehr wird auch regelmäßig ein Graupapagei angemeldet. Das ist an sich nicht verboten, muss aber angemeldet werden. „Mit den entsprechenden Bescheinigungen ist das alles legal“, sagt Junkersdorf. Gerade geschützte Tier- und Pflanzenarten werden grundsätzlich immer kontrolliert.
Doch wer muss kontrolliert werden? Das entscheiden die Beschäftigten der Zollabfertigung. Alle Waren sind einer bestimmten Nummer im Zolltarif zugeordnet. Dann liegt es auch an den Zollbeamt:innen am Schalter, genau zu schauen, ob diese Nummer zur Ware passt und, ob alles ordnungsgemäß angemeldet worden ist. Denn es werden bei der Anmeldung oft Fehler gemacht – manchmal unbewusst, manchmal bewusst. Die Fehler zu finden, habe viel mit Bauchgefühl und Erfahrung zu tun. „Wer lange dabei ist, dem kann man nichts vormachen“, sagt Junkersdorf. Sie hat kurze rote Haare und trägt eine Brille. Ihre Uniform besteht aus einem grau-blauem Hemd und einer blauen Hose. Sie sei ein Fan der neuen Dienstkleidung, sagt Junkersdorf. Obwohl sie eher klein und zierlich ist, strahlt sie eine gewisse Strenge aus.
Ein großes Stück Arbeit am deutschen Zoll sind die Ausfuhrscheine, die umgangssprachlich „grüne Zettel“ genannt werden. Vor Corona waren es 3,3 Millionen grüne Zettel pro Jahr. Im vergangenen Jahr waren es mit 1,3 Millionen deutlich weniger, aber immer noch viele. „Wir sind nicht hier, um das Verfahren zu erklären“, sagt Junkersdorf. „Wir erwarten von den Zollbeteiligten, dass sie sich über das Verfahren informieren und die Ausfuhrbescheinigungen korrekt ausgefüllt vorlegen,“ sagt Junkersdorf. Jeder im Team des Zollamts muss etwa zweimal pro Woche stempeln. Die wenigsten reißen sich darum. Die Arbeit ist eintönig und konfliktreich.
„Man erlebt nicht nur Beleidigungen, sondern auch körperliche Angriffe“, sagt Junkersdorf und erzählt von einer Frau, die einen Zöllner vor Wut gekratzt habe.
„Das bringen wir dann zur Anzeige. Das kann teuer werden“, sagt Junkersdorf. Neuerdings werden die Beschäftigten deshalb auch zu Schulungen geschickt, um mit solchen Konflikten besser umgehen zu können.
Reisende im Visier
Täglich überqueren 2,2 Millionen Menschen in 1,1 Millionen Fahrzeugen die Schweizer Grenze. Pius, mittlerweile ohne Hund an seiner Seite, steht am Fahrbahnrand bei der Ausreise aus der Schweiz und hält die Autos mit erhobener Hand an. Dann stellt er ihnen Fragen wie: Wohin fahren Sie? Leben oder Arbeiten Sie in der Schweiz?
Wenn er sich in diesen wenigen Augenblicken für eine Kontrolle entscheidet, winkt er das Auto auf den Parkplatz, wo jetzt ein schwarzer Mercedes hält. Sofort eilt Damiano ihm zu Hilfe. Er fragt den Fahrer nach seinen Papieren. Während Pius mit ihm spricht, behält der andere ihn die ganze Zeit im Auge, er sichert. „Sicherheit geht vor“, erklärt Dani. So sind sie für den Ernstfall gewappnet und können schnell reagieren. Pius kontrolliert die Papiere im Kontrollraum direkt am Parkplatz, während Damiano den Fahrer im Auge behält. Der steht etwas breitbeinig da, die Hände am Gürtel. Sicherheit geht vor!
„Wir hatten hier schon alles. Manche Leute werden plötzlich aufbrausend. Es gibt so viele Faktoren, die man gar nicht kennt, und trotzdem reagiert das Gegenüber auf mich.“
Dani
Die Papiere des Mercedes-Fahrers sind in Ordnung, trotzdem muss der junge Mann aussteigen und sich vom Auto entfernen. Dann durchsuchen Tanisha und Pius das Fahrzeug bis ins kleinste Detail. Sie kontrollieren den Inhalt der Taschen, öffnen jede Klappe, gehen das Auto einmal komplett durch. Dabei wechseln sie kaum ein Wort. Die Konzentration der beiden liegt in der Luft, ist auch für Beobachter:innen spürbar. Das Ergebnis: Der Wagen ist sauber. Der junge Fahrer wirkt etwas eingeschüchtert, darf aber weiterfahren.
„Mit der Zeit entwickelt man ein Gespür, wen man kontrollieren sollte“, erklärt Dani. „Die Frage ist unter anderem: Passt das Auto zur Person?“ Seinen bisher aufregendsten Fund im Reiseverkehr, ein Kilogramm Amphetamin, hat er genau mit dieser Taktik gemacht. Irgendwie passte das Auto nicht zur Fahrerin. Sie hatte sich auch keine große Mühe gegeben, die Drogen zu verstecken. Sie lagen in einer Tasche im Kofferraum. „Vieles, was wir finden, basiert auf Zufall“, sagt Dani und fügt hinzu:
„Man kann nicht alles kontrollieren, aber wir versuchen, die mit dem größten Risiko zu finden.“
Dani
In seinen 25 Jahren beim Schweizer Zoll hat er gelernt: „Es gibt nichts, was es nicht gibt.“ Im vergangenen Jahr hat das BAZG in der ganzen Schweiz 1087 Kilogramm Drogen sichergestellt, mehr als die Hälfte davon war Kokain (568 Kilogramm). Auch Marihuana wurde gefunden: 476 Kilogramm.
„Wenn wir Leute anhalten, fragen sie manchmal, ob sie wie Verbrecher aussehen“, sagt Dani und lacht. „Dann kann ich nur die Gegenfrage stellen: Wie sieht ein Verbrecher aus?“
An einem durchschnittlichen Tag finden die Mitarbeitenden des BAZG an der gesamten Schweizer Grenze 58 zur Fahndung oder Verhaftung ausgeschriebene Personen, fünf gefälschte Ausweise, zehn verbotene Waffen und drei Kilogramm Drogen. Der bisher größte Fund in Damianos Karriere waren 6,5 Kilogramm Marihuana im Januar dieses Jahres. „Das war eine ganz normale Kontrolle, wir haben die Drogen im Kofferraum gefunden“, sagt er und lacht.
Verständigung mit Händen und Füßen
Immer wieder laufen Menschen mit fragenden Gesichtern über das Gelände der Gemeinschaftszollanlage. Wo ist der Schweizer Zoll? Wo kann man eine Vignette kaufen? Ein junger Mann lässt gleich sein Handy für sich sprechen. „Wie komme ich auf die andere Seite?“, liest die Computerstimme von Google Translate vor, nachdem er die Frage in seiner Sprache eingegeben hat. Die Antwort auf seine Frage – ein unterirdischer Tunnel, der beide Seiten verbindet – wird ihm mit den Händen übermittelt. Überhaupt ist die Verständigung am Zoll eine große Herausforderung. „Viele Fahrer kommen aus der Ukraine, Polen oder Rumänien und sprechen weder Deutsch noch Englisch“, erklärt Dani. Man verständigt sich mit wenigen Worten, mit Händen und Füßen.
„Es ist ein gutes Zeichen, wenn ausgiebig kontrolliert, aber wenig festgestellt wird“, sagt Sonja Müller von der Stabsstelle Kommunikation des Hauptzollamts Singen. „Dann wäre alles in Ordnung.“ Auch wenn die deutschen und schweizerischen Grenzbeamt:innen in unterschiedlichen Bereichen tätig sind und jeweils nationale Interessen verfolgen, arbeiten sie auf der gemeinsamen Zollanlage immer wieder Hand in Hand. So zum Beispiel, als ein Firmeninhaber aus Kreuzlingen mit einem deutschen Auto und einem Schweizer Anhänger über die Grenze nach Deutschland fahren wollte. Er hatte nicht nur allerlei Arbeitsgeräte dabei, sondern auch zwei Mitarbeitende, die in der Schweiz gemeldet waren. Pius vom Schweizer Zoll hielt ihn zwar an, aber aus Schweizer Sicht gab es keine Probleme. Der Fahrer sagte, er sei schon öfter einfach so über die Grenze gefahren. Aber eigentlich muss er die Ware anmelden. Deshalb übernahm der deutsche Zoll.
Fehlende und manipulierte Vignette
Ein verbeulter schwarzer Peugeot wird von Pius herausgewunken. Dem Fahrer bleibt nichts anderes übrig, als rechts auf dem Parkplatz zu halten. Etwas genervt kramt er in seinen Papieren. „Das ist eine Mischung aus Erfahrung und Bauchgefühl“, antwortet Pius auf die Frage, warum er den Wagen mit Nicht-EU-Kennzeichen angehalten hat. Nicht-EU-Kennzeichen, die auch nicht aus der Schweiz sind, haben die Zöllner selten. Der Zustand des Wagens habe ihn misstrauisch gemacht. Die Frage: Ist er überhaupt fahrtüchtig?
Erst werden die Papiere der drei Insass:innen digital überprüft, dann wird das Auto auf den Kopf gestellt. Pius und Damiano durchsuchen den Innenraum, Kofferraum und öffnen sogar die Motorhaube, um sie zu durchleuchten. Auch der Hund kommt wieder zum Einsatz.
Von außen sieht das nach einer gründlichen Kontrolle aus. „Das war noch keine eingehende Kontrolle“, erklärt Pius hinterher. „So sehen unsere Kontrollen aus, wenn es einen Anfangsverdacht gibt.“ Gefunden wird im Auto nur eines: eine möglicherweise manipulierte oder zumindest nicht richtig geklebte Vignette. Das wird normalerweise angezeigt. In diesem Fall ist die Sachlage unklar und der Fahrer kommt damit davon, dass er die Vignette ablösen und eine neue kaufen muss.
Zur gleichen Zeit wird eine Frau mit Schweizer Nummernschildern herausgewunken, die ohne Vignette auf der Autobahn unterwegs war. Sie selbst sagt, sie sei über die Autobahn zum Zoll gekommen. Eigentlich kostet das 200 Franken Strafe, aber auch sie kommt mit der Aufforderung, sich eine neue Vignette zuzulegen, davon. Im Gegensatz zu anderen Tagen haben die Zöllner:innen heute keine gefälschten Papiere, Drogen oder nicht angemeldete Waren gefunden. Der berühmte Vorführeffekt.