Wenn am Sonntagabend der Kühlschrank leer ist, geht man schon mal gern zum Lieblingsrestaurant und holt sich was zum Mitnehmen, um auf der Couch gemütlich in den Tatortabend zu starten. Wo früher Einweg-Kunststoffbehälter die Regel waren, müssen nun auch nachhaltige Alternativen angeboten werden. Diese dürfen aber nicht teurer sein als die Einwegverpackungen. Hintergrund für die neue EU-Regelung zur Einwegkunststoffrichtlinie ist vor allem der Umweltschutz: Im Jahr 2021 wurden laut Statistischem Bundesamt Destatis gut 766.200 Tonnen Kunststoffabfälle aus Deutschland exportiert. Die neue Pflicht beinhaltet außerdem, dass die Gastronom:innen ihre Kunden auf die Alternative aktiv hinweisen müssen.
Unter die Mehrwegalternativpflicht fallen Kunststoffverpackungen und Einweggetränkebecher. Die Richtlinie gilt für alle Gastronomiebetriebe in Deutschland. Dazu gehören auch Veranstalter:innen, die Catering anbieten und Events organisieren. Ausgenommen von der Pflicht sind Betriebe, deren Fläche kleiner als 80 Quadratmeter ist und die maximal fünf Angestellte haben. Beide dieser Kriterien müssen für die Ausnahme gewährleistet sein. Für Ketten wie Bahnhofsbäckereien gilt die Ausnahme laut Bundesumweltministerium auch dann nicht, wenn sie weniger als fünf Angestellte haben. Bäckereien haben aber die Möglichkeit, in von den Kund:innen selbst mitgebrachte Behältnisse zu füllen.
Das Voglhaus macht’s vor
Vor rund sechs Jahren hat Martina Vogl vom Voglhaus in der Wessenbergstraße Mehrweg eingeführt. Für sie gibt es keine andere Option: „Ich fände es besser, wenn die Betriebe komplett auf Mehrweg umsteigen müssten. Man macht es den Kunden einfacher, wenn sie nicht darüber nachdenken müssen, ob sie Ein- oder Mehrweg nehmen“, sagt sie. Sie versteht nicht, dass manche Wirt:innen sich gegen die Mehrwegalternativpflicht aussprechen. „Ich verstehe die Problematik nicht! Die Wirt:innen maulen in der Gegend rum, dabei ist es gar keine große Investition. Wenn Gastronom:innen rund 300 Euro für Recup Becher investieren, die sie durch das Pfand ja laufend zurückbekommen und sich das nicht leisten können, haben sie ganz andere Probleme. Es ist viel teurer, auch für den Kunden, Einweggeschirr herauszugeben.“ Das macht Sinn: Kauft ein:e Gastronom:in Einwegbehältnisse, landen sie nach der ersten Benutzung in der Tonne und damit auch das Geld, das sie kosten.
Recup und Rebowl ist nach eigenen Angaben Deutschlands größtes Mehrwegsystem für die Gastronomie. In Konstanz gibt es mittlerweile 40 Gaststätten, die das System eingeführt haben. Sie bezahlen einen monatlichen Beitrag für die Nutzung des Recup-Systems. Was Recup verspricht: Bereits ab zwölf ausgegebenen Recups oder sechs ausgegebenen Rebowls sind sie günstiger als Einweg.
Weniger Ressourcen = besser für die Umwelt
Auch Lorenz Heublein, Leiter der Stabsstelle Klimaschutz der Stadt Konstanz, spricht sich für die neue Mehrwegalternativpflicht aus. „Weniger Müll bedeutet auch weniger Treibhausgasemissionen. Nachdem nahezu alle Konsumgüter mit einem nennenswerten ‚Klima-Fußabdruck‘ daherkommen, ist es bereits beim Kauf wichtig, darüber zu reflektieren, ob ich ein Produkt wirklich brauche und ob ich es nicht auch in einer umweltfreundlicheren Ausführung und Verpackung erwerben kann.“
Laut Umweltbundesamt macht der Konsum in Deutschland etwa 40 Prozent der Treibhausgasemissionen aus. Je weniger Ressourcen wir verbrauchen, desto besser ist das folglich für den Umwelt- und Klimaschutz. Trotzdem: „Das Abfallaufkommen in Konstanz hat kaum Auswirkungen auf die städtische CO2-Bilanz, da diese nach dem Territorialprinzip nur die vor Ort anfallenden Emissionen umfasst – nicht aber diejenigen, für die wir zum Beispiel in Weinfelden verantwortlich sind, wo unser Hausmüll verbrannt wird“, so Heublein. Auch Verpackungen werden außerhalb der Stadt produziert. Das bedeutet: In den für Kommunen üblichen Bilanzen lässt sich das Thema Müll nicht adäquat abbilden.
„Um im Detail benennen zu können, wie viel in Konstanz konsumiert und wieder entsorgt wird und wie treibhausgasaufwendig Produktion und anschließende Verwertung oder Entsorgung ausfallen, bräuchte es umfangreiche Studien. Diese Studien führt spezifisch für Konstanz niemand durch.“
Lorenz Heublein, Stabsstelle Klimaschutz
Warum ist das so? Der Abfall der Konstanzer:innen – egal ob Recycling oder Müllverbrennung – wird außerhalb der Stadt behandelt. Damit fallen die entstehenden Emissionen außerhalb des Stadtgebiets an. Davon ausgenommen ist die Kläranlage, die ihren Sitz im Industriegebiet hat. Auch Verpackungen werden außerhalb der Stadt produziert. Das bedeutet: In den für Kommunen üblichen Bilanzen lässt sich das Thema Müll nicht adäquat abbilden. „Um im Detail benennen zu können, wie viel in Konstanz konsumiert und wieder entsorgt wird und wie treibhausgasaufwendig Produktion und anschließende Verwertung oder Entsorgung ausfallen, bräuchte es umfangreiche Studien. Diese Studien führt spezifisch für Konstanz niemand durch“, erklärt Lorenz Heublein.
Welche Schlupflöcher gibt es?
Umso wichtiger also, dass einer der Hauptindustriezweige in Konstanz – nämlich Tourismus und damit verbunden die Gastronomie und die Veranstaltungsbranche – den eigenen CO2-Fußabdruck verringert. Auch wenn sich unter den Konstanzer Gastronom:innen niemand öffentlich gegen die Mehrwegalternativpflicht ausspricht, bekommen die Entsorgungsbetriebe und die DEHOGA regelmäßig Beschwerden zu hören. Diese beobachten bei großen Systemgastronom:innen in Konstanz, dass viele auf Papierverpackungen umsteigen und sich damit als nachhaltig positionieren, weil sie recyclebares Material verwenden.
Ein Schlupfloch der Mehrwegalternativpflicht: Pappe und Aluminium können weiterhin verwendet werden, ohne andere Alternativen anbieten zu müssen. Die Pflicht gilt bislang nur für Kunststoffe. „Tatsächlich ist es aber immer noch Einweg und immer noch Müll. Leider gibt es viele Möglichkeiten, die Mehrwegalternative zu umgehen, und das nutzen auch einige aus“, sagt Nele Steurer der Konstanzer Entsorgungsbetriebe. „Niemand äußert sich öffentlich gegen Mehrweg, weil sie natürlich wissen, dass das schlecht ankommt“, sagt sie weiter, möchte aber keine bestimmten Betriebe nennen.
„Das Problem ist die Umstellung von Gewohnheiten. Ein Pfandsystem in der Gastronomie einzuführen, ist doch ruckzuck gemacht.“
Martina Vogl, Vogelhaus
Ein Leitfaden für alle
Gastronom:innen, die die Mehrwegalternativpflicht nicht umsetzen, droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro. Die Pflicht, auf Mehrweg hinzuweisen, bedeutet beispielsweise, dass auf Flyern ein Vermerk sein muss. Noch offen ist die Frage, wie mit Deckeln von Bechern umgegangen wird. Diese sind nämlich nicht Bestandteil des EU-Rechts. Der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA und der Lebensmittelverband befinden sich dazu mit Bund und Ländern im Gespräch. Sie warten auf einen Leitfaden für Gastronom:innen. „Wir haben seit September unsere Mitglieder darauf hingewiesen, dass die Alternativpflicht kommt, und haben versucht, so gut wie möglich darauf vorzubereiten“, sagt Manfred Hölzl. Er ist ehemaliger Geschäftsführer vom Konzil und bei der DEHOGA für die Konstanzer Region zuständig. „Wir von der DEHOGA haben allgemein nichts gegen die Pflicht, aber es gibt noch sehr viele Unklarheiten zu Bestimmungen und der Umsetzung. Da wünschen wir uns klare Ansagen vom Bund. Die Fragen kommen nämlich bei uns an“, ergänzt Dennis Bachmann von der Hauptgeschäftsstelle der DEHOGA.
Das Stimmungsbild bei den Wirt:innen ist grundsätzlich aber so: Die neue Pflicht ist da, also halten wir uns daran. „Wir finden’s gut“, sagt Nafis Beshiri von der Bürgerstube. Martina Vogl hat mit dem Voglhaus als großes Vorbild für Mehrweg für eine Sache noch keine Lösung gefunden: „Wenn jemand noch eine Idee hat, wie wir Kuchen rausgeben können – also eine Alternative zu Pappe – freuen wir uns sehr!“
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