Vor verschlossenen Türen

Nach 32 Jahren schließt der kleine Supermarkt „Nah und Gut” in Litzelstetten. Welche Auswirkungen hat das für die vielen dort lebenden Senior:innen?
  • Der Supermarkt „Nah und Gut” in Litzelstetten schließt nach 32 Jahren für Umbauarbeiten; Edeka Baur übernimmt die Filiale.
  • Die Schließung betrifft vor allem ältere Menschen, die auf den Nahversorger angewiesen sind.
  • Einige Senior:innen berichten von Unterstützung durch Familienangehörige während der Schließzeit. Die Litzelstetter Nachbarschaftshilfe bietet Einkaufshilfe und andere Dienste an.
  • Eine Bürger:innenbefragung zeigt Zufriedenheit in Litzelstetten: 44 % der Bewohner:innen geben an, sehr zufrieden zu sein.

Die gute Nachricht vorweg: Edeka Baur übernimmt den kleinen Laden. Doch der Umbau wird mehrere Wochen in Anspruch nehmen. 

Das kleine Lebensmittelgeschäft im Zentrum von Litzelstetten hat seine Einwohner:innen jahrzehntelang mit Grundnahrungsmitteln, Obst, Gemüse, Fleisch und frischen Backwaren versorgt. Für kleine Einkäufe oder Besorgungen konnte man sich so die Fahrt nach Konstanz sparen. Vor allem ältere Menschen, die weniger mobil sind, haben von der Nähe zum kleinen Supermarkt profitiert.  

Eine komplette Schließung des wichtigen Nahversorgers hätte für viele Litzelstetter sicherlich ein Problem dargestellt. Im Nachbarort Dingelsdorf ist dies bereits geschehen. Trotz intensiver Bemühungen des damaligen Ortsvorstehers wurde im Frühjahr 2023 der kleine Laden geschlossen. 

In Litzelstetten hat „Nah und Gut” am Samstag, den 21. September 2024, zum letzten Mal seine Türen geöffnet. Ab voraussichtlich Ende Oktober wird nach umfangreichen Umbauarbeiten Edeka Baur mit neuen Öffnungszeiten die 340 Quadratmeter Verkaufsfläche mit Regalen füllen und die Einwohner:innen von Litzelstetten wieder mit Lebensmitteln versorgen. 

Die 4000-Einwohner:innen Gemeinde bietet einen schönen Blick auf den Bodensee. | Fotos: Leonora Bajraktari

Was sagen die Menschen in Litzelstetten? 

Litzelstetten hat knapp 4000 Einwohner:innen. Der Markt ist hier ein wichtiger Ort, an dem man zusammenkommt, sich mal wieder sieht und miteinander tratscht. So empfindet es zumindest die 72-jährige Rentnerin Doris.  

„Hier kennt jeder jeden. Natürlich ist es da schön, wenn man einen Ort hat, wo man sich ab und zu mal sieht und austauschen kann.“

Von der Schließung habe sie bereits einige Wochen zuvor erfahren.  „Im Laden hat man das natürlich mitbekommen. Es ging aber auch viel darum, wie es mit dem Markt weitergeht, mit den Mitarbeitern und auch einem möglichen Umbau.“ Dass der Nahversorger für mehrere Wochen schließt, stellt für sie kein Problem dar. Ihre Tochter lebt in Konstanz und hilft ihr in dieser Zeit mit dem Einkauf. 

Auch Brigitte, 76, kann sich während der wochenlangen Schließung auf Familienangehörige verlassen. Sie fährt zwar selbst noch mit dem Auto, hat bisher aber nur kurze Strecken bis zum kleinen Supermarkt gemacht, um immer mal wieder Besorgungen zu erledigen. „Mehrmals nach Konstanz zu fahren, ist für mich keine Lösung. Bis der Umbau fertig ist, helfen mir meine Kinder und wir erledigen einen Großeinkauf pro Woche. Brot kaufe ich vor Ort beim Bio-Bäcker und Gemüse gibt’s ja auch noch beim Obsthof“. 

Obst aus regionalem Anbau erhalten die Menschen beim Obsthof Romer.

Überhaupt nicht glücklich über die Schließung ist die 88-jährige Rentnerin, Dr. Helga Kleist. Sie hat kein Auto und leidet unter gesundheitlichen Problemen. Derzeit steht ihr eine häusliche Betreuung zur Verfügung, die ihr auch beim Einkauf hilft.  „Wir gehen mit dem Bus einkaufen und müssen dann schwere Taschen schleppen.  Ohne Hilfe würde ich das nicht schaffen. Die Schließung für mehrere Wochen finde ich furchtbar. Uns älteren Menschen gegenüber finde ich das unmöglich. Man wusste bereits vorher Bescheid und hat keine Alternative angeboten.“ 

Wir berichten ihr von der Schließung des kleinen Ladens im Nachbarort Dingelsdorf und fragen, welche Auswirkungen das für Menschen wie sie hätte, die nicht mobil sind. Sie schüttelt den Kopf und fragt, wie denn die älteren Menschen dort zurechtkämen. Frau Dr. Kleist erzählt allerdings auch, dass sie große Unterstützung aus der Nachbarschaft erhält.  

„Die Leute hier in der Nachbarschaft sind sehr hilfsbereit und fragen immer mal wieder, ob ich etwas brauche. Das ist nicht selbstverständlich und ich bin sehr froh darüber. Ab und zu trinken wir auch mal einen Kaffee zusammen.“ 

Gelebte Nachbarschaftshilfe 

Eines wird uns schnell klar: Die Menschen in Litzelstetten wissen sich untereinander zu helfen. Dafür sorgt vor allem auch die Litzelstetter Nachbarschaftshilfe e.V. Gegründet 1985 als „Krankenhilfsverein Litzelstetten e.V.“ steht für den Verein heute die Nachbarschaftshilfe und die Gesundheitsvorsorge im Mittelpunkt. Dazu gehören verschiedene Tätigkeiten, etwa Haushalts- und Einkaufshilfe, Begleitung zu Arztbesuchen, Entlastung pflegender Angehöriger und weitere Angebote für individuelle Bedürfnisse. 

Brigitte Wind ist 1. Vorsitzende von LiNa e.V.

2006 wurde zudem die Bürgerstiftung Litzelstetten gegründet, die Einrichtungen der Alten-, Jugend- und Behindertenhilfe in Litzelstetten fördert und unterstützt. In einem Telefonat mit Frau Brigitte Wind, Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe, möchten wir herausfinden, inwieweit die Hilfsangebote im Allgemeinen, vor allem aber während des Umbaus in Anspruch genommen werden. 

Die meisten älteren Menschen in Litzelstetten sind relativ gut vernetzt, so Frau Wind. Viele können auf die Hilfe von Angehörigen, Nachbar:innen oder Freund:innen zurückgreifen. Einen großen Ansturm habe es aufgrund der wochenlangen Schließung nicht gegeben. „Auf Nachfrage bieten wir einen Einkaufsservice an. Edeka Baur stellt die Sachen zusammen, die benötigt werden, sodass sie dann in der Riedstraße abgeholt werden können.  Während des Umbaus gibt es bereits eine Person, die dieses Hilfsangebot in Anspruch nimmt.“ 

Weiterhin erzählt uns Frau Wind, dass besonders der Mittagstisch, der alle zwei Wochen im katholischen Gemeindehaus stattfindet, sehr gut besucht wird. Auch das Eltern-Kind-Frühstück für Mütter und Väter mit Kleinkindern wird gerne genutzt, um neue Kontakte zu knüpfen, sich gegenseitig auszutauschen und die Zeit gemeinsam zu genießen. 

Frische Backwaren gibt es beim kleinen Bio-Bäcker Zuck & Kaun im Herzen von Litzelstetten.

Frische Backwaren, Obst und Gemüse 

Im Großen und Ganzen stellt der mehrwöchige Wegfall des Nahversorgers für die meisten Menschen in Litzelstetten kein allzu großes Problem dar. Viele können sich auf die Hilfe von Angehörigen verlassen. Auch die Nachbarschaftshilfe ist eine große Stütze. Ansonsten besteht für viele ältere Menschen die Möglichkeit, ihren Einkauf mit dem Bus zu erledigen – auch wenn in diesem Fall nur kleinere Einkäufe gemacht werden können. Denn schwere Einkaufstüten tragen ist für die meisten nicht machbar. 

Mit der Buslinie 6 können die Litzelstetter nach Wollmatingen oder ins Industriegebiet fahren. Unter der Woche fährt die Buslinie einmal pro Stunde. Alle 25 Minuten hingegen fährt die Ringlinie 4/13. Die Linie führt über Allmannsdorf, über den Zähringerplatz bis in die Stadtmitte. Die öffentliche Anbindung nach Konstanz und in die umliegenden Ortschaften ist insgesamt sehr gut. 

Frische Backwaren erhalten Litzelstetter außerdem im Bio Backstüble Zuck & Kaun sowie in der Meisterbäckerei Schneckenburger. Frisches Obst und Gemüse, Nudeln, Mehl, Eier und Honig können zudem bei einem kurzen Sprung zum Obsthof Romer besorgt werden. 

Übrigens: Der Südkurier führt jedes Jahr eine Bürgerbefragung zur Lebensqualität in Konstanz durch. Hierbei wird die Frage „Wie zufrieden sind Sie persönlich, in der Stadt Konstanz zu leben“ gestellt. Ausgewertet wird nach Stadtteilen. Den höchsten Zufriedenheitswert erreichte in diesem Jahr Litzelstetten: 44 Prozent der Befragten antworteten mit „sehr gut“. Nirgends sonst war der Wert so hoch. 


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