Lea, was sind das für Gefühle, die uns bewegen, wenn wir uns mit dem Thema Klimakrise beschäftigen?
Das sind oft Gefühle, die eher unangenehm sind. Also Angst, Hilflosigkeit und Überforderung. Aber auch Wut und Trauer. Das sind Gefühle, die wir gerne wegdrücken, weil sie sich eben erst mal nicht gut anfühlen.
Kennst du diese Gefühle?
Ja, ich kenne sie vermutlich fast alle. Und diese Gefühle sind sicherlich auch angemessene Reaktionen angesichts der Bedrohlichkeit der Situation. Aus meiner Arbeit als Psychologin weiß ich aber, dass Gefühle, auch wenn sie unangenehm sind, wichtig sind. Und es ist hilfreich, sich ihnen zuzuwenden und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, statt sie abzuwehren.
Du hast Wut und Trauer als Gefühle erwähnt. Über Letzteres habe ich noch nicht nachgedacht. Warum empfinden Menschen Trauer beim Thema Klimakrise?
Da gibt es mehrere Arten von Trauer. Zum Beispiel die Trauer um die sterbende oder sich verändernde Natur. Die tritt ein, wenn wir im Urlaub oder in der eigenen Region, vielleicht sogar an unseren Lieblingsplätzen, feststellen müssen, dass es nicht mehr so ist, wie es mal war. Ich wohne in der Nähe von Hannover, hier ist es zum Beispiel der Harz, wo man sehr deutlich das Waldsterben sieht.
Lea Dohm ist tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeutin mit eigener Praxis in Stadthagen. Gemeinsam mit Mareike Schulze hat sie die „Psychologists and Psychotherapists for Future“, kurz „Psy4F“, gegründet. Als Fachjournalistin schreibt sie zu den psychischen Folgen der ökologischen Krisen und ihrer gesunden Verarbeitung, der Lücke zwischen Wissen und Handeln, interdisziplinärer Wissenschaftskommunikation und Mobilisierung. Mit Mareike Schulze hat sie auch das Buch «Klimagefühle. Wie wir an der Umweltkrise wachsen statt zu verzweifeln.» publiziert.
„Unsere Kinder werden mal ein weniger sicheres Leben haben, als wir es hatten. Das macht mich traurig.“
Lea Dohm, Psychologin
Hier am Bodensee ist es aktuell noch nicht so deutlich sichtbar. Aber es gab in den letzten Jahren derart heiße Sommermonate, dass Baden kaum noch möglich war, weil der Uferbereich verschlammt und moderig wurde. Die Aussicht, dass sich das häufen wird, ist nicht besonders schön.
Ja, das ist absolut nachvollziehbar.
Was wäre eine andere Art von Trauer?
Zum Beispiel die Trauer darüber, sich von Sicherheiten und lieben Gewohnheiten verabschieden zu müssen. Da mischt sich dann auch die Angst mit rein. Ich kenne dieses Gefühl aus eigener Erfahrung. Selbst wenn wir richtig Dampf in Sachen Klimaschutz machen, kommen große Veränderungen auf uns zu. Unsere Kinder werden mal ein weniger sicheres Leben haben, als wir es hatten. Das macht mich traurig. Und ich kenne noch eine andere Art von Trauer. Die passiert uns dann, wenn wir uns entscheiden, etwas in unserem Leben zu verändern. Ich fliege zum Beispiel nicht mehr in den Urlaub, dabei war das immer Teil meines Lebens. Ich habe das sehr gern gemacht. Und das nicht mehr zu haben, ist traurig.
Diese Trauer zu spüren, ist ganz schön hart, oder?
Ja, es ist hart. Und gleichzeitig ist es erleichternd, sie zuzulassen. Das kennt jede:r, der:die schon mal einen Verlust betrauert und geweint hat. Hinterher fühlt es sich etwas leichter an.
Was ist aber, wenn die Gefühle der Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht zu groß sind? Wie kommt man da wieder raus?
Die gute Nachricht ist: Kein Gefühl dauert ewig. Selbst, wenn wir nichts tun und einfach abwarten, werden die Gefühle sich verändern. Und: Handeln hilft. Wir wissen, dass Hoffnung dann auftritt, wenn wir handeln. Es ist also nicht andersherum, ich muss mich nicht erst hoffnungsvoll fühlen, um zu handeln. Wenn wir aktiv werden, sehen wir: Andere machen mit, es tut sich etwas, dadurch taucht Hoffnung auf.
„Über die Veränderungen, die auf uns zukommen, zu sprechen, hat eine gewisse Schwere. Daher schweigen die meisten lieber, zum Beispiel aus Sorge, die Stimmung zu verderben – und sind dann alleine mit der Situation.“
Lea Dohm, Psychologin
Das heißt: Am besten losgehen und sich einem Verein oder einer Initiative anschließen?
Ja, genau. Es wäre aber auch schon mal ein Anfang, zum Beispiel im Freundeskreis, am Arbeitsplatz oder in der Familie die eigenen Gedanken oder Gefühle zur Klimakrise zu teilen. Wir wissen, dass es so etwas wie eine Schweigespirale gibt: Über die Veränderungen, die auf uns zukommen, zu sprechen, hat eine gewisse Schwere. Daher schweigen die meisten lieber, zum Beispiel aus Sorge, die Stimmung zu verderben – und sind dann alleine mit der Situation. Mehr alleine, als sie es in Wahrheit sind.
Welche Gefühle sollten wir in Bezug auf die Klimakrise fördern oder bewusst suchen?
Das Gefühl der Verbundenheit. Lösungswege, die wirksam sind, werden nicht alleine am Küchentisch gefunden, sondern in Gruppen, in Gemeinschaften. Viele Menschen machen ja schon was, einen Veggie-Day pro Woche oder öfter mal Fahrradfahren. Das ist ehrenwert, und das brauchen wir auch. Wirksamer ist aber Engagement, das über die eigenen vier Wände hinausgeht, also zum Beispiel in Vereinen, Organisationen und Parteien. Da kommt dann nämlich auch etwas Ermächtigendes rein, Verbundenheit, Freundschaften, wechselseitige Bestärkung und dadurch schließlich mehr Wirksamkeit. Unterm Strich auch die Erkenntnis, dass wir als Bürger:innen in einer Demokratie tatsächlich mehr Mitspracherechte haben, als wir denken.
„Sich zu engagieren und zu sehen, ich gestalte da etwas, ich bewirke etwas, das hat unglaublich viel Power.“
Lea Dohm, Psychologin
Gerade auf lokaler Ebene kann man ja sehr direkt und einfach mitmachen. Bei Initiativen wie der Solawi, Repair-Café oder Car-Sharing, bei Klima-Gruppen, Parteien und Umweltschutzverbänden…
Genau. Und das führt uns zu einem weiteren wichtigen und motivierenden Gefühl: Freude. Wir können uns bei unserem Engagement das suchen, was wir eh gerne machen und was wir eh gut können. Vielleicht bringe ich das Klima-Thema in meiner Theatergruppe oder meinem Sportverein ein. Vielleicht inspiriere ich meine Arbeitskolleg:innen zu einem vegetarischen Buffet bei der Weihnachtsfeier – im Grunde ist für jede:n was dabei. Auf diese Weise können wir die Klimakrise auch als Realität anerkennend auf positive und konstruktive Weise in unseren Alltag integrieren. Genau das brauchen wir für eine gesunde, sichere Zukunft.
Das heißt, Klimaschutz könnte Spaß machen?
Auf jeden Fall. Sich zu engagieren und zu sehen, ich gestalte da etwas, ich bewirke etwas, das hat unglaublich viel Power.
Die Autor:innen
Franziska Schramm ist Autorin und Spoken Word-Poetin. Seit eineinhalb Jahren ist sie glückliches Mitglied der FoodCoop Speisekammer Konstanz, über die man regional und bio einkaufen kann. Mehr: www.franziskaschramm.de
Florian Roth ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich beruflich und privat mit der Resilienz sozialer Systeme und dem Thema Nachhaltigkeit.
Die Idee für den gemeinsamen Artikel entstand an einem heißen Frühsommertag, als Franziska und Florian sich morgens um sieben auf dem Rad trafen und zufällig in dieselbe Richtung fuhren.
Kooperation mit dem NUN-Magazin
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit dem NUN, Magazin, das die Grenzstädte Kreuzlingen und Konstanz sowie deren Menschen und Geschichten in einem Heft zusammenbringt. Der Artikel ist daher auch in der aktuellen Printausgabe (#11 Nass und Nackig) erschienen. Sie liegt an vielen Orten in Konstanz und Kreuzlingen aus. Wo genau, könnt ihr auf der Internetseite des NUN-Magazins nachschauen:
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