Ein einziges Wort macht deutlich, wie es um den Landkreis Konstanz in puncto Klimaanpassung steht. Auf die Frage „Gibt es ein ausformuliertes und beschlossenes Konzept zu Klimaanpassungsmaßnahmen Ihres Landkreises?“ antwortet das Landratsamt Konstanz mit: Nein. Es gibt kein Konzept. Dabei ist die Lage mehr als beunruhigend. Von 2018 bis 2022 hatte der Landkreis im Gesamtboden durchschnittlich 8,8 Dürremonate zu verzeichnen. Die Tendenz ist steigend: Im Gesamtzeitraum von 1993 bis 2022 waren es noch 3,4 Monate. Als Dürremonat zählt ein Monat, in dem mindestens die Hälfte der Fläche des Kreises von Dürre betroffen ist.
Wie schlecht der Landkreis Konstanz auf die Risiken durch den Klimawandel angepasst ist, zeigt eine Recherche von karla mit CORRECTIV, NDR, BR und WDR. Ebenfalls stark zugenommen haben die Hitzetage. Das sind Tage, an denen die Temperatur in einer Region auf 30 Grad Celsius oder höher steigt. Hier lag der Durchschnittswert im Landkreis Konstanz im Zeitraum von 1961 bis 1990 bei 4,3 Tagen – und stieg auf 10,9 Tage im Zeitraum von 1993 bis 2022.„Hitzetote, Sturmschäden in Millionenhöhe, das haben wir doch heute schon. Gerade war der Seehas wieder eine Woche blockiert“, sagt Markus Zipf von der Deutschen Umwelthilfe in Radolfzell.
„Das wirklich Alarmierende daran ist, wie wenig wir darauf vorbereitet waren, obwohl die Wissenschaft seit über 40 Jahren genau das prognostiziert.“
Markus Zipf, Deutsche Umwelthilfe
Landkreis rechnet mit mehr Wetterextremen
Die Umfrage besteht aus 20 Fragen zum Thema Klimaanpassung – von der Risikoerkennung über die Planung bis zur Umsetzung und Überwachung. Als Klimafolgen werden dabei unmittelbar meteorologische Folgen betrachtet: Hitze, Dürre, Hochwasser, Starkregen, Trinkwassermangel und Meeresspiegelanstieg. „Die Anpassung an den Klimawandel ist die zentrale Herausforderung für die Menschheit schlechthin. Sie betrifft durchgängig alle Handlungsebenen und Sektoren und damit natürlich auch die Landkreise, die Städte und Gemeinden“, sagt Markus Zipf. Rund 90 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte, die auf die Umfrage geantwortet haben, schätzen, dass in ihrer Region das Risiko für Starkregen und Hitzewellen bis 2050 steigen wird, gefolgt von Dürre (79 Prozent). 62 Prozent sehen Hochwasser und 53 Prozent Wassermangel als steigendes Risiko bis 2050 für ihre Region. 34 Prozent erwarten gleichzeitig eine Zunahme von Hitze, Dürre, Wassermangel, Starkregen und Hochwasser.
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Zu diesen 34 Prozent zählt der Landkreis Konstanz. Das Landratsamt rechnet häufiger mit extremen Wetterereignissen, Hitzewellen, Dürren, Wassermangel, Starkregen und Stürmen sowie Hochwasser und Überschwemmungen. Das Landratsamt rechnet also mit Schäden durch die Klimakrise, unternimmt allerdings bisher wenig. „Die Maßnahmen müssen erst noch definiert werden und zudem sind für die Umsetzung der Maßnahmen dann – ähnlich wie beim Klimaschutz – vorrangig die Städte und Gemeinden zuständig“, erklärt Pressesprecherin Marlene Pellhammer auf Anfrage. „Unser erster Schritt ist nun eine Risikoanalyse und ein engerer Austausch zu diesem Thema mit den Städten und Gemeinden.“
Als übergeordnete Verwaltungseinheit nehmen Landkreise eine Sonderrolle ein. Sie sind einerseits direkt für ihren eigenen Zuständigkeitsbereich verantwortlich, andererseits übernehmen sie Aufgaben, die ihnen von kreisangehörigen Gemeinden übertragen werden. Also etwa die Organisation von Bussen und Bahnen oder die Abfallwirtschaft.
„Klimaschutz im weiteren Sinne, aber auch Klimaanpassung gehören nicht zu diesen Aufgaben. Auch im Pflichtenheft der Städte und Gemeinden werden sie Klimaanpassung vergeblich suchen, es ist gesetzlich schlicht nicht ihre Aufgabe. Klimaschutz und Klimaanpassung machen die Kommunen also freiwillig. Das mag einem unverständlich vorkommen, aber das ist die aktuelle rechtliche Situation.“
Markus Zipf
Ist also niemand zuständig?
Maßnahmen ohne kontrollierte Wirkung
„Maßnahmen zur Klimaanpassung erfordern lokale Investitionen und Vorkehrungen zum Schutz der kommunalen Infrastruktur, wie Straßen, Kanalisation oder öffentliche Gebäude“, erläutert Markus Zipf. „Sie tragen wesentlich dazu bei, die Folgen von extremer Hitze oder von Starkregen für die Menschen zu mildern.“ Nach Angaben des Landratsamts werden in Konstanz 17 Maßnahmen bereits umgesetzt. Bisher hat der Landkreis im Kampf gegen Hitze und Dürre vor allem den Fokus auf die Begrünung gelegt: mehr Bäume, grüne Dächer und Fassaden, dürreresistentere Pflanzen, eine bessere Mischung von Baumarten.
Pflanzen kühlen durch Schattenwurf und durch Verdunstung an den Blättern. Andere Maßnahmen wurden bisher noch nicht einmal bewertet. Ein Hitzeaktionsplan oder die Entsiegelung von Flächen zum Beispiel. Entsiegelte Flächen ermöglichen die Verdunstung von Feuchtigkeit aus dem Boden. Verdunstung bindet einen Teil der Energie der einkommenden Sonnenstrahlung, der dann nicht mehr zur Erwärmung beiträgt. Wasserflächen im Stadtbereich wie in Konstanz der Bodensee oder Seerhein können ebenfalls dämpfend auf Temperaturextreme wirken.
Für die nächsten fünf Jahre ist nach Angaben des Landratsamts ein Masterplan für die Wasserversorgung geplant. Die Kommunen sollen demnach Strukturgutachten zum Wassermangel erstellen. Bereits ergriffen wurden strengere Regelungen zur Wasserentnahme. In Bezug auf Hochwasser wurden Deiche, Mauern oder Flutpolder errichtet sowie Hochwasseralarm- und Einsatzpläne und Hochwasserschutzkonzepte erstellt. Auch die Beratung von Kommunen und Bauherren ist bereits erfolgt. Zudem wurden in Bezug auf Herausforderungen durch Starkregen Konzepte erstellt.
„Stadtplanung, kommunale Infrastruktur – das muss alles komplett neu gedacht werden: mehr Versickerungsflächen, die die Kanalisation entlasten, Wasserspeicher für Trockenperioden, viel mehr Grün, das Schatten und Abkühlung verschafft, weniger Autos in den Innenstädten und Wohnquartieren, die ein unglaubliches Maß an Fläche für genau diese wichtigen Maßnahmen blockieren.“
Markus Zipf
Welche Qualität die bisher ergriffenen Maßnahmen gegen Extremwetter haben und was genau sie überhaupt bringen, wird im Landkreis Konstanz allerdings nicht evaluiert oder gemonitort. Markus Zipf findet hier deutliche Worte: „Wenn Sie keinen Plan haben, gibt es auch nichts zu evaluieren.“ Nach Angaben von Pellhammer sei eine Evaluation aber künftig geplant.
Die gute Nachricht ist: Gerade hat das Bundeskabinett ein bundesweites Klimaanpassungsgesetz gebilligt. Damit werden die Verantwortlichen in den Landkreisen künftig mehr in die Pflicht genommen. Sie sollen Maßnahmen umsetzen, die die Bevölkerung, Natur, Wirtschaft und Infrastruktur vor den Folgen des Klimawandels schützen. „Das ist ein kleiner Schritt nach vorne, aber letztlich zahnlos, weil es immer der Kommune überlassen bleibt, welchen Stellenwert sie der Klimaanpassung gegenüber anderen Interessen einräumt“, erklärt Markus Zipf.
Das heißt: Der Landkreis Konstanz muss künftig ein Konzept für die Klimaanpassung erstellen. Warum das bisher nicht passiert ist? „Weil es bisher keine personellen Kapazitäten dafür gab“, heißt es vom Landratsamt. „Gebündelt wurden diese Themen aber bisher nicht und insbesondere in den kleinen Kommunen fehlt auch noch das entsprechende Wissen, weshalb es hier zunächst eine flächendeckende Risikoanalyse braucht.“ Markus Zipf hält ein Konzept für die Grundlage: „Wenn wir die bisherigen und absehbaren Entwicklungen ernst nehmen, muss man sich ja an irgendeiner Stelle überlegen, wo exakt hier im Landkreis Konstanz der größte Handlungsdruck besteht, mit welchen Maßnahmen man diesem begegnen will und wer sich darum kümmert. Das leistet ein Klimaanpassungskonzept“, sagt er. Und ergänzt: „Insofern ist das eine zentrale Voraussetzung, dafür gibt es Fördermittel von Bund und Land und es gibt keinen einzigen Grund, es nicht zu tun.“
Es fehlt das Geld
Fest steht: Im Landkreis Konstanz gibt es noch Nachholbedarf. Aus Sicht von Markus Zipf bleibt trotzdem weiter ungeklärt, „wie die dringenden und teilweise mehr als überfälligen Maßnahmen gerade in den Kommunen finanziert werden sollen.“ Für die Umsetzung der noch offenen Maßnahmen fehlt es auch im Landkreis Konstanz an Geld, wie das Landratsamt in der Umfrage zugibt. Auf die Frage „Können die von Ihnen als erforderlich erkannten Maßnahmen zur Klimaanpassung in den kommenden Jahren ausreichend finanziert werden?“ antwortet das Landratsamt: „Vermutlich nein.“ Denn es gibt keinen eigenen Etat, um Maßnahmen zur Klimaanpassung zu finanzieren. Stattdessen finanziert der Landkreis Maßnahmen überwiegend aus Fördermitteln vom Land, dem Bund oder der EU oder die Kommunen müssen in ihre eigene Tasche greifen. Wie viel die Maßnahmen kosten würden, darüber könne das Landratsamt aktuell noch keine Auskunft treffen.
„Ob und wie die künftigen Maßnahmen finanziert werden können, wissen wir noch nicht. In Anbetracht der aktuellen kommunalen Finanzlage sind wir uns allerdings bewusst, dass es nicht einfach wird, ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Herausforderungen für die Kommunen sind einfach sehr vielfältig und kein Handlungsfeld ist wirklich nachrangig.“
Marlene Pellhammer, Landratsamt Konstanz
Geht es nach Markus Zipf, dann darf der Landkreis Konstanz hier noch mehr tun. „Das Landratsamt darf seine wichtige Rolle als Drehscheibe, Initiator und Motivator für seine Kreisgemeinden in Sachen Klimaschutz und Klimaanpassung in meinen Augen gerne etwas mutiger, kreativer und motivierter ausfüllen.“
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