Thüga oder nicht Thüga? Wie es bei den Stadtwerken weiter gehen soll

Wird ein Konzern, der stolz darauf ist, dass durch seine Lobbyarbeit Wärmepumpen keine „Vorfahrt“ mehr haben, neuer Partner der Stadtwerke? Ein Entschluss dazu könnte schon im Juli fallen. Doch zuvor will sich der Gemeinderat beraten lassen – von einem Rat bestehend aus 14 sachkundigen Menschen. Wer sie sind und wie sie sich positionieren werden.
Das Bild zeigt Demonstrant:innen von Fridays for Future vor einer Gemeinderatssitzung in Konstanz
Heiße Debatte: In der Frage, ob der Energiekonzern Thüga bei den Konstanzer Stadtwerken einsteigen sollte oder nicht, haben sich die Aktivist:innen von Fridays for Future klar positioniert. Bild: Eva Schmid

Die Anspannung war greifbar: Bei der Gemeinderatssitzung am vergangenen Donnerstag wurde es laut, emotional und der Ton rauer, als die mögliche strategische Partnerschaft der Konstanzer Stadtwerke mit dem Energie-Konzern Thüga zur Sprache kam. Immer wieder kam es zu Zwischenrufen, draußen, vor dem Rathaus, hielten Fridays for Future Konstanz eine Mahnwache ab. Sie forderten mehr Transparenz und weniger Absprachen hinter verschlossenen Türen.

Bereits seit Längerem wird eine Ausgliederung der energiewirtschaftlichen Bereiche der Stadtwerke in einer neuen Gesellschaft, der Stadtwerke Konstanz Energie GmbH, im Aufsichtsrat sowie den politischen Gremien diskutiert. Als Favorit für die Partnerschaft gilt der Energieriese Thüga.

Die bisherigen Verhandlungen und Gespräche haben allesamt unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. karla hatte darüber bereits im März berichtet. Noch vor der Sommerpause, auf der Sitzung im Juli – so zumindest wünscht es sich das Rathaus – soll der Gemeinderat als Gesellschafterversammlung der Stadtwerke über die mögliche Partnerschaft abstimmen.

Jede Fraktion konnte ein Mitglied für den Rat benennen

Wie komplex und brisant das Thema ist, zeigt sich daran, dass die Gemeinderät:innen auf ihrer jüngsten Sitzung beschlossen haben, einen Rat Sachkundiger – bestehend aus 14 Personen -– einzuberufen, der bereits schon in dieser Woche (Donnerstag, 6. Juli) zusammenkommen soll. 

Die 14 Personen des Rats sind zum einen durch die Stadtverwaltung ausgewählt, zum anderen konnte jede Fraktion ein:e Vertreter:in entsenden, die nicht im Gemeinderat ist. Für Konstanz ist das Einberufen eines solchen Rats ein Novum und zeigt, wie groß die Unsicherheit im politischen Raum ist, eine Entscheidung von solcher Tragweite zu treffen.

Nach Ansicht der Verwaltung sollten im Rat folgende Themenbereiche vertreten sein: Wohnungswirtschaft, Kreditwirtschaft, Energiewirtschaft, Kommunale Interessen, Mitarbeitervertreter:innen.

Die Freie Grüne Liste schickt Markus Tittelbach in den Rat. Der Physiker hat seinen politischen Schwerpunkt auf dem Thema Energiepolitik. Er ist Mitglied bei den Grünen und bei der Initiative „Konstanz Klimapositiv 2030“.

Die CDU hat den ehemaligen und langjährigen Stadtkämmerer Hartmut Rohloff in den Rat entsandt.

Für die SPD wird Michael Bühler, Professor für Bauwirtschaft an der HTWG, teilnehmen.

Die Freien Wähler entsenden einen der sechs Geschäftsführer vom International Solar Energy Research Center Konstanz (ISC Konstanz) e.V., Peter Kristian. Er ist Geschäftsführer im Bereich Energiesysteme.

Das Junge Forum Konstanz hat sich für den Studiendekan Betriebswirtschaftslehre der HTWG, Frank Best entschieden.

Für die FDP sitzt der ehemalige Geschäftsführer der RZVN Wehr GmbH, Dirk König, im Rat. Das Unternehmen bietet Ingenieurberatung im Bereich der Planung und Optimierung von Strom-, Gas-, Wasser- und Fernwärmenetze.

Die Linke Liste Konstanz schickt den Chemiestudenten Manuel Oestringer von Fridays for Future Konstanz in den Rat.

Die Verwaltung (also Stadt und Stadtwerke) setzen vor allem auf Expertise von Vertreter:innen aus der Wohnungswirtschaft: Jens-Uwe Götsch, Geschäftsführer der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft Wobak, ist mit dabei. Ebenso der Vorstand von Haus und Grund Konstanz, Matthias Schaubel sowie der Vorsitzende des Deutschen Mieterbund Bodensee e.V., Herbert Weber

Sabine Rein, Wirtschaftswissenschaftlerin und Präsidentin der HTWG, vertritt die wissenschaftliche Expertise. Als Vertreter der Kreditwirtschaft ist der ehemalige Bankdirektor der Landesbank Hessen-Thüringen, Hans-Georg Napp, geladen. Für die Personalvertretung kommt der Betriebsratsvorsitzende der Stadtwerke, Alexander Siebrecht dazu. Auf Antrag im Gemeinderat wurde noch ein:e weitere:r Vertreter:in der Gewerkschaft mit aufgenommen.

Der Rat wird von acht Funktionsträger:innen aus den Stadtwerken ebenso wie der Stadt unterstützt. Sie beantworten Rechts- und Fachfragen, dürfen aber nicht mitdiskutieren. Darunter sind zum Beispiel der Chef der Stadtwerke, Norbert Reuter, der Justiziar der Stadtwerke, Kai Haber, aber auch Kämmerer Ulrich Schwarz.

Ziel des Rates ist es, „das Für und Wider einer möglichen strategischen Partnerschaft zwischen der Stadtwerke Konstanz GmbH und Thüga abzuwägen sowie weitere Aspekte der nachhaltigen Ausrichtung des Versorgungsauftrags der Stadtwerke Konstanz GmbH zu diskutieren und zusammenzustellen“, heißt es in der Rathausvorlage.

Was der Rat indes nicht leisten könne, sei eine klare Empfehlung für oder gegen eine strategische Partnerschaft, sagte Charlotte Biskup, Hauptamtsleiterin den Gemeinderät:innen. Zuvor machte Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) deutlich: „Wir werden diese Entscheidung in einer großen Unsicherheit treffen, denn niemand kann voraussehen, wie sich die Situation in 5, 20 oder 25 Jahren darstellt.“ Daher solle man den Rat auch nicht damit belasten, dass er alle Unsicherheiten schon heute ausräume.

Das Bild zeigt den Schriftzug Stadtwerke Konstanz an einer Mauer
Wie geht es weiter bei den Stadtwerken Konstanz? Diese Frage soll ein Sachkundigen-Rat mitentscheiden. Bild: Michael Lünstroth

Aber um was geht es hier eigentlich genau? Was weiß man über die bisherigen Ideen und Planungen?

Es geht um nichts weniger als die Frage, wie es Konstanz schafft, bis 2035 klimaneutral zu sein und die Energiewende in der Stadt voranzubringen. Immer wieder wird von Seiten der Stadtwerke darauf hingewiesen, dass für eine Energiewende das Wärmenetz ausgebaut werden muss. Das kostet nicht nur massiv Geld – nach Angaben der Stadtwerke werden dafür rund 500 Millionen Euro in den nächsten 15 Jahren benötigt –, sondern es werden fachliche und personelle Kompetenzen für die Energiewende benötigt.

Neben dem nötigen Know-how also auch Fachkräfte. Beides, so wird immer wieder von den Befürwortern des Vorhabens – allen voran OB Uli Burchardt – betont, dass die Thüga damit der Stadt helfen könnte. „Es geht hier nicht nur ums Finanzielle“, so Burchardt auf der Gemeinderatssitzung.

Thüga würde ein Viertel an der neuen Gesellschaft bekommen

Nach eigenen Angaben haben die Stadtwerke eingehend untersucht, welche Partner für die zu bewältigenden Aufgaben geeignet seien. Offenbar hat die Thüga das Rennen gemacht, von anderen Partnern ist zumindest öffentlich nichts zu hören. Was jedoch genau der Zusammenschluss zwischen beiden Partnern umfasst, bleibt unter Verschluss. Es gibt zwar einen sogenannten „Letter of Intent“, also eine Art Absichtserklärung der Zusammenarbeit.

Was darin steht, auch das ist unter Verschluss. Bekannt ist bisher nur, dass die Stadtwerke an der neuen Gesellschaft mit 74,9 Prozent und die Thüga mit einer Minderheit von 25,1 Prozent beteiligt sein könnte. Dieses Minderheitenmodell verfolgt der Thüga-Konzern wie berichtet übrigens in vielen deutschen Stadtwerken. Auch in Radolfzell und Singen ist die Thüga aktiv.

Ist eine echte Energiewende mit der Thüga möglich?

Auch wenn 25,1 Prozent, also ein Viertel, Beteiligung nach wenig klingt, bekommt die Thüga eine Sperrminorität. Mit dieser besteht theoretisch die Möglichkeit, dass wichtige Entscheidungen blockiert werden könnten. Dass die Thüga ihr bestehendes, sehr umfangreiches Gasnetz weiter erhalten möchte und dadurch einst Wasserstoff fließen lassen möchte – was übrigens erheblich energieintensiver ist als Heizen mit Wärmepumpen –, hat der Konzern erst jüngst in einer Pressemitteilung bekräftigt.

Betont wird darin auch, wie stolz man als Konzern ist, das Gebäudeenergiegesetz an entscheidenden Stellen durch Lobbyarbeit verändert zu haben. Die Vorfahrt für die Wärmepumpe ist damit vom Tisch – und das GEG das erste Gesetz, in dem eine Bundesregierung den Energieträger Wasserstoff explizit in den Wärmemarkt aufnimmt, heißt es in der Mitteilung des Konzerns. Das veränderte Gesetz wird von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden enorm kritisiert.

Das Bild zeigt eine bunt bemale Mauer in Orangetönen. Darauf der Schriftzug "Erdgas"
Wie fossil bleiben die Stadtwerke Konstanz? Eine mögliche Partnerschaft mit der Thüga AG löst Fragen aus. Bild: Michael Lünstroth

Es fehlt an Transparenz und es herrscht zu hoher Zeitdruck

„Unsere Sorge ist, dass die Thüga die Stadtwerke bei der Gestaltung der Energiewende bremsen könnte“, sagt Carina Winkels von Fridays for Future Konstanz. Gemeinsam mit den anderen Aktivist:innen steht sie am Donnerstag vor dem Rathaus und hält ein Transparent hoch: „Kein Verkauf ohne Transparenz“ steht darauf. „Wenn man nichts zu verbergen hat, dann könnte man doch die Unterlagen offenlegen“, sagt die junge Frau.

Sie kann als Bürgerin dieser Stadt einfach nicht einsehen, ob der Zusammenschluss mit der Thüga wirklich das Beste für die Stadtwerke ist oder ob es nicht noch andere, bessere Alternativen gibt. Auch die Initiative „Konstanz Klimapositiv 2030“ steht einem Einstieg der Thüga sehr skeptisch gegenüber.

Scheuen die Expert:innen die Öffentlichkeit?

Wie sehr aufgeladen, weil zukunftsentscheidend, das Thema ist, zeigt sich auch an der angespannten und emotional aufgeladenen Diskussion im Gemeinderat: Als Stadträtin Gabriele Weiner vom Jungen Forum Konstanz den Antrag auf eine öffentliche Sitzung des Rats der Sachkundigen stellt, verliert OB Uli Burchardt kurz die Fassung. „Ist Ihnen bewusst, dass die Personen dieses Rates ihrer Teilnahme unter der Voraussetzung der Nicht-Öffentlichkeit zugestimmt haben?“, fragt er in die Runde. Es würde eine ganz andere Qualität der Diskussion ergeben, wenn die Sachkundigen im Rat wüssten, dass ihre Aussagen „in der Presse oder im Netz landen“. Zudem stellte er in Frage, ob bei einer öffentlichen Sitzung die Expert:innen überhaupt noch mitmachen würden.

„Die öffentlich debattierbaren Inhalte – also keine Betriebsinterna -– sollen öffentlich sein“, forderte Simon Pschorr von der Linken Liste Konstanz. Am Ende wurde der Antrag auf eine öffentliche Sitzung mit 19 Nein-Stimmen (hauptsächlich aus den Fraktionen CDU und Freie Wähler) gegen 13 Ja-Stimmen (zu großen Teilen aus den Fraktionen FGL, JFK, SPD und LLK) abgelehnt.* 

Das Bild zeigt den Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt.
Der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt. Bild: Stadt Konstanz/Chris Danneffel

„Wir können Partner nicht dauerhaft hinhalten“

Uli Burchardt, Oberbürgermeister

Kritisiert wurde auch der Zeitdruck: So sollte der Rat ursprünglich nur einmalig einen ganzen Tag lang zusammenkommen. Jetzt wurde mehrheitlich beschlossen, dass er bei weiterem Diskussionsbedarf nochmals zusammenkommen könne. Rathauschef Uli Burchardt hat den Wunsch nach möglichen weiteren Sitzungen der Sachkundigen eher zähneknirschend hingenommen: „Wir sollten uns nicht auf Verzögerungen einlassen, wir können Partner nicht dauerhaft hinhalten.“

Das Ergebnis des Sachkundigenrats wird voraussichtlich Mitte Juli zunächst als kurze Notiz den Fraktionen wie auch der Presse zugespielt. Eine ausführliche Dokumentation der Diskussion im Rat soll dann kurz vor der möglicherweise finalen Entscheidung am 20. Juli den Gemeinderät:innen vorliegen. Alternativ können sich Gemeinderät:innen, sofern sie tagsüber Zeit haben, die Diskussion mitverfolgen. Per Live-Stream – in einem Nebenraum

* In einer früheren Version des Textes haben wir versehentlich die Stimmen der SPD zum Antrag auf eine öffentliche Sitzung falsch zugeordnet. Das haben wir nun korrigiert und bitten diesen Fehler zu entschuldigen.