Im Dezember haben wir euch gefragt: „Wie viel Geld verheizt Konstanz?“ In unserer Kooperation mit Correctiv wollten wir der Erhöhung der Strom- und Gaspreise auf den Grund gehen und von euch wissen, wie sich eure Preise verändert haben. Obwohl unsere Fragestellung sich eigentlich auf die Stadt Konstanz bezog, hat auch jemand aus Radolfzell an unserer Recherche teilgenommen. Zum Glück, kann man sagen.
Denn dadurch können wir nachweisen, dass der Strompreis der Stadtwerke in Radolfzell 18 Cent pro Kilowattstunde unter dem Strompreis der Stadtwerke Konstanz liegt. Dass die Stadtwerke Radolfzell günstiger sind, war vor der Erhöhung zum 1. Januar übrigens nicht so: Unsere Datenrecherche zeigt, dass der Strompreis pro Kilowattstunde vorher bei den Stadtwerken Konstanz um zwei Cent pro Kilowattstunde günstiger.
Das Spiel um Grenzen, das keines ist
Ein CrowdNewsroom-Teilnehmer aus Radolfzell hat für seinen Ökostrom „Sondertarif SWR spar Online“ bisher 26 Cent pro Kilowattstunde gezahlt. Zum 1. Januar 2023 wurde der Strompreis um 12 Cent pro Kilowattstunde erhöht. In dem Schreiben der Stadtwerke Radolfzell heißt es: „Wir zählen aktuell zu einem der günstigsten Stromanbieter.“
Als Grund wird in dem Schreiben die vorausschauende und langfristige Beschaffungsstrategie genannt, die Joachim Kania, Vertriebsleiter der Stadtwerke Radolfzell, im Gespräch nochmal betont.
„Wir wollen nicht heute den Preis anpassen, um ihn dann in sechs Monaten wieder zu erhöhen. Wir versuchen, relativ stringent zu bleiben, sodass der Kunde sich darauf einstellen kann.“
Joachim Kania, Stadtwerke Radolfzell
Dementsprechend langfristig kaufen die Stadtwerke Radolfzell auch ihren Strom für 20.000 Privatkund:innen ein – bis zu 36 Monate im Voraus. „Wenn die Preise nun wieder fallen, haben wir den Peak vielleicht abgeschwächt“, sagt Joachim Kania. „Aber wenn andere Lieferanten noch nichts angekauft haben, können sie deutlich günstiger an den Markt gehen, als wir es tun können.“
Auswirkungen der Beschaffungsstrategie
Der Zeitpunkt des Stromeinkaufs kann großen Einfluss auf den Beschaffungspreis haben. Haben Stromversorger bereits vor der Kostenexplosion viel Strom eingekauft, mussten sie 2022 keinen oder nur kleine Mengen vom teuren Strom einkaufen. Die Beschaffung und der Vertrieb des Stroms machen dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zufolge einen Anteil von rund 21 Prozent am Strompreis aus. Diese Kosten sind infolge des Ukraine-Kriegs um durchschnittlich 160 Prozent gestiegen.
Aus den Steckdosen in allen Konstanzer Haushalten kommt ein Strommix. Der Strom wird unabhängig von seiner Quelle in das Netz eingespeist. Sowohl die Stadtwerke Radolfzell als auch die Stadtwerke Konstanz bieten ausschließlich Ökostrom an. Dennoch beziehen sie ihren Strom über die Strombörse. Das bedeutet, sie müssen die gleichen Preise für Strom zahlen wie ein konventioneller Anbieter. Zusätzlich dazu fallen dann noch Kosten für die Herkunftsnachweise für die Ökostromeigenschaft an.
Herkunftsnachweise
Denn weil wir dem Strom aus der Steckdose seine Herkunft nicht ansehen könnten, muss der Stromanbieter für seinen Ökostrom diese Herkunftsnachweise erbringen. Ein elektronischer Herkunftsnachweis bescheinigt, wie und wo Strom aus erneuerbaren Energien produziert wurde. Der Nachweis, dass eine Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien stammt, kostet bislang nur den Bruchteil eines Cents. Gleichzeitig sorgt das Dokument dafür, dass die Strommenge in dieser Qualität nur einmal verkauft werden kann. Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien können sich für ihre produzierte und ins Netz eingespeiste Strommenge Herkunftsnachweise beim Umweltbundesamt ausstellen lassen, sofern der Strom nicht bereits über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet wird.
Einkauf in Norwegen
Herkunftsnachweise aus Deutschland gibt es allerdings kaum. Grund dafür ist, dass in Deutschland der Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzlich gefördert wird – über das EEG. Grüner Strom, der so gefördert wird, darf nicht gesondert als Ökostrom verkauft werden, erhält also auch keinen entsprechenden Herkunftsnachweis. Sonst würden Anlagenbetreiber für denselben grünen Strom doppelt kassieren: über die Förderung und zusätzlich durch Verkaufserlöse. Fast jeder Öko-Anlagenbetreiber in Deutschland hat sich bislang für die sichere staatliche Förderung entschieden. Die Zertifikate kommen deshalb vorwiegend aus dem Ausland, zum Beispiel aus Norwegen, wo ein großer Teil des Stroms aus Wasserkraft gewonnen wird.
Die Stadtwerke in Radolfzell und auch die Konstanzer Stadtwerke sind beide ausschließlich Ökostromanbieter. Einen großen Einfluss auf den Preis kann der Anstieg an Kund:innen im vergangenen Jahr haben. Eine Herausforderung: „Lieferanten, die den Grundversorgern in den letzten Monaten, mit einseitigen Kündigungen, massenhaft Kunden ‚übergeben haben‘“, sagt Kania.
Als Grundversorger sind die Stadtwerke verpflichtet, die Bürger:innen mit Strom zu versorgen, wenn sie ohne Anbieter dastehen. Das bedeutet auch: Wer als Grundversorger eigentlich gut geplant hat, dann aber viele Neukund:innen aufnehmen musste, musste teuren Strom einkaufen. „Wenn ich plötzlich doppelt so viel Einheiten einkaufen muss und dafür den zehnfachen Preis nachkaufe, dann ist es schwierig“, sagt Kania. Die Stadtwerke Radolfzell verzeichneten nur einen geringen Anstieg bei den Neukund:innen von unter fünf Prozent. Die gleichen Lieferanten stünden nun wieder mit günstigen Angeboten bei den Vergleichsportalen auf dem Markt. „Hier ist aktuell ein Ungleichgewicht, ja sogar eine Ungerechtigkeit zu erkennen. Wir hoffen hier auf die Bundesnetzagentur. Es wäre wünschenswert, dass dieses Vorgehen untersucht würde“, sagt Kania.
Wechsel zum anderen Anbieter?
Interessant ist übrigens eins: Beide Stadtwerke sagen auf Anfrage, dass sie die Beschaffungsstrategie der jeweils anderen Stadtwerke nicht kennen würden. „Ich kann nicht sagen, warum der Arbeitspreis so unterschiedlich ist, ich kenne die Kalkulationsgrundlage der Stadtwerke Konstanz nicht“, sagt Kania. Von den Stadtwerken Konstanz heißt es: „Die Kalkulationsgrundlagen der Stadtwerke Radolfzell kennen wir nicht. Auch liegen uns nur die frei zugänglichen Tarifinformationen von den Stadtwerken Radolfzell vor.“
Dennoch: Auch von den Stadtwerken Konstanz heißt es, dass für den Preis maßgeblich ist, über welchen Zeitraum sich die Beschaffungsperiode erstreckt. Tatsächlich haben beide Häuser scheinbar unterschiedliche Strategien. Die Stadtwerke Konstanz kaufen zwei Jahre bis drei Monate vor Lieferbeginn regelmäßig Teilmengen unterschiedlicher Größe ein.
Christopher Pape, Pressereferent der Stadtwerke Konstanz, erklärt: „Auch für unsere Bestandskundenverträge gilt, dass wir einen großen Teil der Energie, die wir im Jahr 2023 verkaufen, im Jahr 2022 zu dramatisch hohen Preisen beschafft haben. Sollten andere Versorger schon im Jahr 2021 oder gar 2020 damit begonnen haben, Energie für den Lieferzeitraum 2023 zu beschaffen, profitieren diese stärker von den günstigeren Beschaffungspreisen, die vor der Energiekrise noch zu realisieren waren.“
Die Beschaffungspreise sind um das 3,5-Fache gestiegen. Pape will eins nicht unerwähnt lassen:
„Beschafft man sehr früh schon große Mengen teuer und die Preise sinken danach, ist wieder derjenige im Vorteil, der sich erst spät eindeckt.“
Christopher Pape, Pressereferent Stadtwerke Konstanz
Grundsätzlich gilt: Die Anbieter können frei entscheiden, wann sie sich den Strom beschaffen. Das ist dem freien Energiemarkt geschuldet. Ausbaden müssen es am Ende die Verbraucher:innen. Von den Stadtwerken Konstanz zu denen in Radolfzell wechseln kann man übrigens nicht, denn beide Grundversorger haben ein festgelegtes Versorgungsgebiet. Bliebe nur der Wechsel zu einem der anderen Anbieter, die ortsunabhängig ihren Strom anbieten können. Im Rahmen unserer Recherche gab es den günstigsten Strompreis bei den Elektrizitätswerken Schönau mit 36 Cent pro Kilowattstunde nach der Erhöhung. Teurer als die Stadtwerke Konstanz waren in der Auswertung nur die Schwarzwald Energy.
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