Wahrzeichen gehört zu den schöneren deutschen Worten. Auseinandergenommen ist es ein „wahres Zeichen“. Einfach nur ein Beweis, kein besonderes Bauwerk oder Symbol à la Brandenburger Tor, Freiheitsstatue oder Cristo Redentor.
Wenn ich Monumente dieser Kategorie sehe, frage ich mich: Wie stehen die Bewohner:innen zu ihrem Wahrzeichen? Was „beweist“ es über sie selbst und ihre Eigenarten? Finden Pariser:innen ihren Eiffelturm super? Kommen Prager:innen beim Gang über die Karlsbrücke Tränen der Rührung? Grinsen Brüsseler:innen heimlich, weil ihr Wahrzeichen in einen Brunnen pinkelt?
Womit wir bei unserer Imperia wären und der Frage, wie sie und Konstanz zusammenpassen. Wie viele Konstanzer:innen gehören zum Team Imperi-Yeah? Die Hälfte, ein Drittel, weniger?
Gefühlt ist die Imperia den meisten Bürger:innen egal, allenfalls schüttelt man den Kopf darüber, dass Touris grinsend davor stehen und auf die beinahe entblößte Brust und den nicht gerade dezent geschlitzten Rock zeigen.
Die Imperia, der ausgestreckte Mittelfinger
Ich finde, die Dame passt exzellent hierher. Weil Konstanzer:innen mit der Imperia fremdeln wie mit der eigenen Heimatstadt und all ihren Kalamitäten (auch so ein schönes Wort): Insgeheim ist man stolz darauf, will es aber nicht zugeben.
Ich kann mich noch erinnern, wie Anfang der 90er beim Sonntagskaffee von Oma und Opa geurteilt wurde – beide waren alles andere als kunstaffin, aber von großem Humor gesegnet, Satire war ihnen nah. Trotzdem hieß es über die Imperia: Jetzt spinnt er komplett! Er war Horst Eickmeyer, damaliger Oberbürgermeister. Ironischerweise konnte weder er noch der durchaus kritische Gemeinderat den Bau verhindern. Auch die kirchliche Schnappatmung hatte keine Chance gegen den Charme der Imperia. Zum Glück!
Zugegeben war sie mir lange Zeit auch erst einmal reichlich egal, wen interessiert als Kind oder Jugendliche:r schon eine Statue, so provokant sie auch ist? Erst später habe ich sie richtig ins Herz geschlossen.
Die Imperia ist für mich der steinerne ausgestreckte Mittelfinger gegen den Ruf, in Konstanz gehe es nur um den schönen Schein, Anpassung und die Vermeidung jeglicher Anmaßung. Ausgerechnet im etwas verstockt daherkommenden Konstanz steht das größte Prostituierten-Denkmal weltweit!
Ich konnte mich vor einiger Zeit amüsieren, als meine Tochter beim Anblick nicht zu fragen aufhören konnte: „Warum holt die Frau ihren Busen raus, stillt sie die zwei Männer da?“ Ja nun, mein Kind, so ähnlich war das wohl … Sie käme nie auf die Idee, den Stadtgarten-Spielplatz beim Konzil zu verorten, so bedeutungsvoll dieses andere Wahrzeichen selbst wiederum ist. Aber alles rund um den Hafen steht für sie – und mich seither – bei der Imperia.
Das Rathaus scheint auch Fan zu sein
In den vergangenen 30 Jahren hat sie einiges durchgemacht. Hand aufs Herz: Wem in Konstanz blutete nicht das Herz, als Rechtsextremisten sie im Herbst 2017 verschleierten als Zeichen ihrer kindischen Angst vor fremden Kulturen?
Und dann war da noch der Mundschutz in der ersten Schockphase der Covid-Pandemie vor fast genau drei Jahren. Die bis heute anonyme Gruppe mit dem Pseudonym „Die Päpstin“ wollte damit zur Solidarität in Europa aufrufen und die Konstanzer:innen zum Lachen bringen, hieß es in der Presse. Der Künstler selbst fand die Aktion überhaupt nicht kreativ oder gar lustig (ich ehrlich gesagt schon). Einerseits wurde Peter Lenk wütend, weil er Beschädigungen fürchtete, andererseits sah er in der Corona-Maske aber nur einen platten und billigen Gag auf Kosten seines Werks.
Die Stadtverwaltung wertete die Aktion übrigens etwas anders – und hat dabei durchaus Sinn für vermeintlich nicht gekannten Humor gezeigt: Sie verwendete die mundgeschützte Imperia eine Zeitlang selbst als pandemisches Symbol. Mindestens ein:e Entscheider:in rund ums Rathaus gehört also auch zum Team Imperi-Yeah!
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