Leuchten soll sie, die digitale und nachhaltige Zukunft der Stadt. Smart steht in diesem Fall für eine auf digitalen Technologien basierende Stadtentwicklung. Konstanz will mit Hilfe der Digitalisierung Ressourcen schonen, Teilhabe fördern und die Lebensqualität weiter steigern. Das erhofft sich jedenfalls die Stadtverwaltung von dem Smart Green City Projekt. Doch was steckt dahinter? karla gibt einen Überblick zu den wichtigsten Fragen und Antworten.
Was bedeutet eigentlich „Smart City“?
Auch wenn es sehr nach Zukunft klingt, gibt es den Begriff sowie Ideen zur Smart City seit rund 20 Jahren. „Es geht hauptsächlich um Technologie und Stadtentwicklung und darum, beides intelligent zusammen zuführen“, erklärt der Konstanzer Stadtsoziologe Frank Oberzaucher.
Meist stehe eine konkrete Agenda dahinter, so Oberzaucher, also bestimmte Vorstellungen, was in einer smarten Stadt möglich sein soll. Dabei soll die Digitalisierung Vorteile in jeglichen Bereichen der Stadt mit sich bringen: in der Verwaltung, im Stadtverkehr, im Stadtbild, in der Bildung, im sozialen Bereich sowie beim Thema Nachhaltigkeit.
Warum soll Konstanz zu einer „Smart Green City“ werden?
Die Stadtverwaltung und der Gemeinderat diskutieren schon lange über eine Digitalisierungsstrategie für die Stadt. Eine solche Strategie sei nötig, so heißt es in einer Beschlussvorlage, da immer mehr Bereiche in unserem Alltag vom Digitalen geprägt sind und digitale Technologien Lösungen für Herausforderungen bieten, mit denen die Stadt in Zukunft noch stärker konfrontiert sein wird: dem Klimawandel, dem weiteren Zuzug von Menschen sowie dem demographischen Wandel.
Auf Empfehlung der Verwaltung haben die Stadtpolitiker:innen Ende 2019 die Erarbeitung einer digitalen Agenda für Konstanz beschlossen. Herausgekommen ist zwei Jahre später eine Strategie namens Smart Green City. Konstanz will mit dem Begriff „Green“ verdeutlichen, dass die digitale Transformation im Sinne der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes erfolgen muss.
Wie viel kostet das Vorhaben die Stadt und wer setzt es um?
Wenn die Stadt in fast allen zentralen Bereichen besser digital aufgestellt sein soll, dann muss viel investiert werden. Mit grünem Licht vom Gemeinderat kann die Stadt für das Vorhaben aus eigenen Mitteln knapp sechs Millionen Euro ausgeben. Da Konstanz sich vor zwei Jahren um Bundesmittel im Rahmen des „Smart City“-Wettbewerbs erfolgreich beworben hat, bekommt die Stadt vom zuständigen Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat einen Zuschuss von rund zehn Millionen Euro. Somit zahlt der Bund fast zwei Drittel der Kosten für Konstanz‘ digitale Zukunft.
16 Millionen Euro für die digitale Stadtentwicklung
Die Fördersummen zur Umsetzung einzelner Ideen kann die Stadt bis 2026 abrufen. Insgesamt 94 Städte, Kreise und Gemeinden haben sich für das aktuell laufende Förderprogramm „Modellprojekte Smart Cities“ beworben. Konstanz hat es zusammen mit weiteren 27 Kommunen und Kreisen (darunter auch Potsdam, Münster und Dresden) geschafft, mit seiner Bewerbung zu überzeugen.
Umgesetzt wird das Vorhaben von einem aus verschiedenen Fachabteilungen des Rathauses bestehenden siebenköpfigen Team. Das Team wurde bewusst interdisziplinär aufgestellt, so erklärt Programmleiterin Christin Wohlrath, um innerhalb der Verwaltung die unterschiedlichen Sichtweisen in das Vorhaben einfließen zu lassen, aber auch Impulse aus dem Team wieder in die jeweiligen Abteilungen zu bringen. Das Smart Green City Team Konstanz arbeitet temporär zusammen. Unterstützt wird es durch mehrere externe Dienstleister, die die Stadt bei ihrem Vorhaben beraten.
Was soll in Zukunft in der Stadt „smarter“ werden?
Da der Bergriff „smart“ weit fassbar ist, gibt es die unterschiedlichsten Ideen für die Stadt der Zukunft: Angefangen von einer intelligenten digitalen Verkehrssteuerung über eine Plattform für firmenübergreifende Fahrgemeinschaften zum Arbeitsort bis hin zu einer App, die per Ampelsystem tagesaktuell aufzeigt, welcher Straßenbaum, oder welche Grünfläche dringend Wasser benötigt.
Auch das Zusammenleben könnte profitieren, von sogenannten Quartiersboxen, die ähnlich wie die Packstationen der Deutschen Post aussehen und in denen nicht nur Waren oder der neue Personalausweis zum Abholen bereitliegt, sondern zum Beispiel auch die Bierbank aus der Nachbarschaft ausgeliehen werden kann. Insgesamt rund 180 Ideen wurden in der ersten Phase des Smart City Projekts gesammelt. Davon stammen ungefähr die Hälfte der Ideen aus der Stadtverwaltung, der Rest kommt aus der Bürgerschaft, ein kleiner Teil von den Konstanzer Wissenschaftseinrichtungen sowie aus der Wirtschaft.
Wie bezieht die Stadt ihre Bürger:innen in die zukünftige Stadtentwicklung mit ein?
Ein großes Ziel der Smart Green City Strategie ist es, gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Das heißt, dass noch mehr Menschen in Konstanz dazu motiviert werden sollen, sich am gemeinsamen gesellschaftlichen Leben zu beteiligen.
Zur Beteiligung gehört auch die Mitsprache: Daher setzt Konstanz bei der Sammlung und Ausarbeitung der Ideen auf Partizipation. Neben der Ideensammlung auf einer Onlineplattform, bei der man eigene Ideen einstellen konnte, wurden Anfang des Jahres interessierte Konstanzer:innen erneut zum Austausch eingeladen.
In drei Projektwerkstätten wurden mit insgesamt rund 150 Teilnehmenden Ideen zur Ressourcenschonung, Teilhabe und Lebensqualität diskutiert und ausgearbeitet. Schüler:innen weiterführender Schulen wurden im Rahmen der Schulthementage aufgerufen, Ideen für die Stadt der Zukunft einzubringen.
Was sagen die Konstanzer:innen zu den Plänen einer Smart Green City?
„Mit dem Begriff Smart City habe ich nichts anfangen können, aber ich liebe diese Stadt und will mitreden“, erklärt Rosi Gawron ihre Teilnahme an einer der Projektwerkstätten. Die 79-jährige Frau mit schneeweißen Haaren hat in der Corona-Pandemie angefangen, digitale Angebote zu nutzen. So kam vor allem ein reichhaltiges Kulturangebot direkt in ihr Wohnzimmer: mit Hörproben von Orchestern, mit Podcasts und Streams. In den sozialen Medien ist sie auch aktiv.
Sie glaubt, dass durch mehr digitale Angebote sich die Nachbarschaften besser vernetzen können. Für sie ist der Kontakt zu Menschen in ihrem Quartier sehr wichtig: „Ich lebe alleine, meine Familie ist weit weg.“ Sie sieht in Smart City und der Millionenförderung durch den Bund eine „riesige Chance für die Stadt“.
„Die jungen Menschen müssen Druck machen auf ihre Eltern und die Politik, dass sich etwas ändert.“
Alexander Rüede-Passul, Teilnehmer einer Projektwerkstatt
Der 25-jährige Alexander Rüede-Passul bringt in eine der Projektwerkstätten seine Idee mit – in der Hoffnung, dafür weitere Konstanzer:innen zu begeistern. Sein Ziel ist es, in Schulen das Unterrichtsfach Umweltbildung zu etablieren. „Die jungen Menschen müssen Druck machen auf ihre Eltern und die Politik, dass sich etwas ändert.“ Ihm kommt der Nachhaltigkeitsgedanke, also das Green in der Konstanzer Zukunftsstrategie zu kurz.
Ähnlich geht es dem 61-jährigen Titus Zahn, ihm fehlen vor allem konkrete Ideen, wie Konstanz wirklich nachhaltiger sein kann, wie der Ausbau Erneuerbarer Energien in der Stadt oder die energetische Gebäudesanierung vorangetrieben werden könnte. Noch immer ärgert es ihn, dass die Stadt die Chance verpasst hat, das Telekom-Gebäude zu einem Leuchtturmprojekt für Nachhaltigkeit werden zu lassen. „Man muss spielerisch auf die Menschen zugehen und sie zum nachhaltigen Denken und Handeln bringen!“.
Für die Konstanzerin Birgit Seule ist Bürgerbeteiligung auch sehr wichtig, daher hat sie trotz des „nicht so greifbaren“ Themas an einer Projektwerkstatt teilgenommen, die vorgestellten Ideen findet sie gut, jedoch zweifelt sie daran, ob am Ende von den umgesetzten Ideen wirklich viele Menschen in der Stadt einen Nutzen haben werden oder überhaupt mit dem Angebot erreicht werden können. Sie hat von dem Smart Green City Vorhaben nur auf dem Neujahrsempfang der Stadt gehört und sei auf das Thema aufmerksam geworden.
Wer entscheidet, welche Ideen realisiert werden?
Die Strategiephase, in der Ideen konkretisiert werden, läuft noch bis Mitte des Jahres. Spätestens ab dem kommenden Jahr bis 2026 soll die Umsetzung der Ideen erfolgen. In diesem Monat werden die von Bürger:innen mit ausgearbeiteten Ideen in Expert:innen-Runden weiterentwickelt, erklärt die Sprecherin des Smart-City Programms, Hannah Horstmann. Dazu kommen Expert:innen aus der Verwaltung, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft zusammen und schätzen die Realisierbarkeit der Idee ein.
Ergänzend dazu berät sich die Stadt mit einem Fachbeirat – mit Expert:innen aus ganz Deutschland – zu inhaltlichen Fragen. Am Ende dieser Runden sind die Ideen so weit konkretisiert, dass sie den Förderkriterien des Bundesprogramms entsprechen und gemäß ihrer Realisierbarkeit in eine Rangfolge gebracht worden sind. Zwei verwaltungsinterne Gremien, besetzt mit Abteilungs- und AmtsleiterInnen prüfen dann, wie viele dieser Projekte durch die zur Verfügung stehenden Fördermittel finanzierbar sind. Die so ausgewählten Projekte sollen dem Gemeinderat im Juni 2023 zur Abstimmung vorgelegt werden.
Konstanz will bis 2035 klimaneutral sein. Wie konkret führt das Vorhaben Smart Green City zu diesem Ziel?
Mit welchen konkreten Ideen, die Stadt bis 2035 klimaneutral werden will, bleibt offen. Zwar wird aus der Stadtverwaltung immer wieder der Nachhaltigkeitsaspekt und der Klimaschutz erwähnt, doch unklar bleibt, ob Projekte, die zur Klimaneutralität beitragen Priorität haben und auf jeden Fall umgesetzt werden. Aus dem Smart City Projektteam heißt es dazu lediglich: Klimaschutz steht von Anfang an im Fokus. Wir stehen jetzt und in Zukunft in engem Austausch mit der Stabstelle Klimaschutz beziehungsweise dem Amt für Klimaschutz.
Was sind Vor- und Nachteile des Projekts?
Die finanziellen Vorteile für Konstanz liegen auf der Hand: Durch die im Bundeswettbewerb gewonnen Fördermittel kann Konstanz als Pilotkommune Ideen umsetzen, von denen andere Kommunen in Deutschland später auch profitieren könnten. Konstanz kann so zum Vorreiter der Digitalisierung werden, die Stadt kann für ihre Bürger:innen noch attraktiver werden, weil vieles in Zukunft einfacher funktionieren könnte.
Weniger euphorisch ist der Konstanzer Stadtsoziologe Frank Oberzaucher: „Wenn man sagt, man möchte Partizipation ermöglichen, dann stellt sich auch die Frage, wie grundlegend eine Stadt die vielfältigen Varianten einer ‚smarten City’ mit der Bürgerschaft diskutiert.“
Durch den gewonnen Bundeswettbewerb und die Agenda der Stadtverwaltung sei ein gewisser Weg schon geebnet – so richtig „ergebnisoffen“ sei das Ganze daher schon nicht mehr. Hinzukomme, so Oberzauchers Vermutung, dass viele Bürger:innen von dem Vorhaben gar nichts wüssten und gar keine Chance haben, sich zu beteiligen.
Ein weiteres Problem sieht er in Fragen zum Datenschutz: „Es sollte ganz sorgfältig die Frage geklärt werden, wem gehören die vielen digital gesammelten Daten, wer darf darauf zu welchem Zweck zugreifen, davon profitieren. Sind es ausschließlich die beteiligten Unternehmen oder kommt tatsächlich die Bürgerschaft zum Zuge?
Kein Klimaschutz ohne Daten?
Der Stadtverwaltung scheint diese grundlegende Frage, wie Oberzaucher sie nennt, bereits bewusst zu sein: In einer Workshop-Reihe zum Thema Datenethik will die Stadt im März einen „offenen Dialog zwischen Bürger:innen, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft starten, um ethische Leitlinien zum Umgang mit Daten und ihrer Veröffentlichung festzulegen“, so Hannah Horstmann vom Smart City Team.
Ziel sei die Verabschiedung einer Konstanzer Datenethik, die zusammen mit den finalen Ideen für eine Smart Green City im Juni diesen Jahres dem Gemeinderat zur Abstimmung vorgelegt werden soll.
Das Programm allein macht keinen Digitalisierungsmeister: So haben sich andere Smart-City-Kommunen entwickelt.
73 Städte, Gemeinden und Landkreise fördert die Bundesregierung seit 2019 mit insgesamt 820 Millionen Euro. Der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche bitkom e.V. untersucht jährlich den Digitalisierungsgrad deutscher Städte ab 100.000 Einwohner in einem Smart City Index. Die Platzierung der Städte in dem Ranking richtet sich danach, wie sehr die Kommunen die Digitalisierung in fünf zentralen Themenbereichen wie Verwaltung, Energie und Umwelt, Mobilität, IT-Infrastruktur, Partizipation vorantreiben.
In der Studie werden sowohl Städte, die im Smart City Programm der Bundesregierung sind als auch solche ohne Förderung untersucht. Spitzenreiter sind seit mehreren Jahren Köln und Hamburg – wobei Köln seit 2020 durch Bundesmittel gefördert wird, Hamburg nicht.
Freiburg, ebenfalls gefördert seit 2020 landet auf Platz 20. Die seit 2019 und 2020 geförderten Städte Wolfsburg und Kassel im Mittelfeld des Ranking bei Plätzen über 40. Erfurt, das keine Förderung erhält. Der schlechteste Platz 86 ging im aktuellen Ranking an Erfurt, das keine Modellkommune Smart City ist.
„Erfolgsfaktoren für eine Smart City sind ein engagiertes Rathaus, eine Digitalstrategie, klare Strukturen, ein gut geknüpftes lokales Netzwerk und die Teilhabe der Bevölkerung“, schreibt Biktom-Präsident Achim Berg im Vorwort der Studie von 2022.
Wann wird es in Konstanz die ersten Ideen zu sehen geben?
Aktuell befindet sich das Vorhaben noch in der sogenannten Strategiephase, ab Mitte des Jahres geht es in die Umsetzung. Mit ersten umgesetzten Ideen ist vermutlich erst 2024 zu rechnen, welche das sein werden, bleibt bis mindestens Mitte des Jahres noch offen. Erst dann tagt der Gemeinderat zum weiteren Vorgehen.
Wo kann ich noch mitmachen und mich über das Vorhaben informieren?
Im März gibt es noch zwei Abende, an denen Interessierte beim Thema Datenethik mitdiskutieren können. Zu den Dialogen am Donnerstag, den 23. März und am Mittwoch, den 29. März im Speichersaal des Konzils ab 19 Uhr sind jeweils auch Experten geladen, die passend zum Datenthema einen Impulsvortrag halten. Am 27. April werden die Ergebnisse der Veranstaltungsreihe zur Datenethik und der erste Entwurf der Konstanzer Datenethik, einer Selbstverpflichtung der Stadt zum Umgang mit Daten, vorgestellt.
Im April wird es zudem Beteiligungsformate zur Erstellung des Konzeptes zur Innenstadtentwicklung geben. Die genauen Termine gibt die Stadt auf ihrer Projektwebseite bekannt. „BürgerInnen werden nicht nur jetzt zu Beginn gefragt“, so Hannah Horstmann vom Projektteam. Die ganze Umsetzungsphase bis 2026 sei stetig von verschiedenen Beteiligungsformaten begleitet.
Wer Ideen einbringen möchte oder sich mit dem Projektteam austauschen möchte, der findet in dem temporär eingerichteten Projektbüro in der Hussenstraße 13 eine zentral gelegene Anlaufstelle.
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