Protestierten auch dieses Mal wieder vor der Sitzung des Gemeinderats: Die Konstanzer Fridays for Future. Bild. Eva Schmid

Zukunft der Konstanzer Stadtwerke wieder offen: Warum der Thüga-Deal geplatzt ist

So plötzlich und konkret der Einstieg der Thüga bei den Stadtwerken war, so schnell ist er nun wieder vom Tisch. Warum Oberbürgermeister Uli Burchardt die Entscheidung für eine Partnerschaft mit dem Energie-Riesen zurückgezogen hat und was das für die Stadt in Zukunft bedeutet.
Eva ist leidenschaftliche Lokaljournalistin, weil der Mikrokosmos Stadt…

Alles zurück auf Anfang: Die Zukunft der Konstanzer Stadtwerke ist wieder offen. Der Einstieg des Energie-Konzerns Thüga ist vom Tisch. Die Gespräche zwischen dem Konzern und dem kommunalen Unternehmen sind gestoppt. Die Stadtwerke Konstanz werden sich nun auf andere Möglichkeiten strategischer Kooperationen fokussieren, teilte das kommunale Unternehmen mit. 

Grund für das Aus des umstrittenen Thüga-Deals ist die Kehrtwende, die Konstanz´ Oberbürgermeister gemacht hat. Auf der letzten Sitzung des Gemeinderats vor der Sommerpause sollte eigentlich über die strategische Partnerschaft abgestimmt werden. Stattdessen hat Uli Burchardt (CDU) das Thema von der Tagesordnung genommen. Seine Begründung: Aktuell gebe es keine breite Basis für eine mehrheitsfähige Lösung. Ende der Diskussion.

Seine Strategie: Rückzug statt Niederlage. Zu groß war zuletzt die Gefahr geworden, dass das Rathaus mit den Thüga-Plänen nicht durchkommen könnte. Selbst die CDU-Fraktion war von dem Vorhaben, das Uli Burchardt bis zum Schluss sehr befürwortet hat, am Ende nicht mehr überzeugt.

Die Thüga kündigte mit Blick auf die aktuelle Stimmung in der Stadt den Rückzug an. „In vielen Gesprächen mit Vertretern der Stadt und den Stadtwerken haben wir unser Kooperationsangebot vorgestellt, mit dem wir gemeinsam mit den Stadtwerken die notwendige Energie-, Wärme- und Mobilitätswende in Konstanz deutlich hätten vorantreiben können“, so Thüga-Sprecher Detlef Hug auf Anfrage. Jedoch sei ein breiter kommunalpolitischer Konsens, der Grundlage für eine dauerhafte erfolgreiche Partnerschaft sei, nicht erreicht worden. „Das bedauern wir.“

Das Problem: Es fehlte an Transparenz

So plötzlich wie das Thema an die Öffentlichkeit kam, so schnell ist es auch wieder verschwunden. Dass sich die Ereignisse in nur wenigen Wochen so sehr zugespitzt haben, liegt vor allem an fehlender Transparenz. Nicht nur die Öffentlichkeit war gegenüber dem Vorhaben kritisch, auch die Gemeinderät:innen fühlten sich zunehmend schlecht informiert. Und das, obwohl erst vor wenigen Wochen auf Beschluss des Gemeinderats ein Rat sachkundiger Experten zu dem Thema einen ganzen Tag lang konstruktiv, aber dennoch kontrovers diskutiert hat, wie aus dem Protokoll hervorgeht. 

Auch der Bereich Wasser sollte in die neue GmbH mit der Thüga

Die Stimmung im Gemeinderat kippte komplett, als ein nicht unerhebliches Detail im möglichen gemeinsamen Vertrag zum Vorschein kam. Neben der Energiesparte sollte auch der Bereich Wasser in die neue Gesellschaft mit der Thüga ausgegliedert werden. In beiden Bereichen würde es bei einem Zusammenschluss mit dem Energie-Konzern zu Synergien kommen, hieß es in einer Rathausvorlage. Die Vorlage hatte auch in groben Zügen den Inhalt eines möglichen Vertrages mit der Thüga skizziert.

Das Bild zeigt eine bunt bemale Mauer in Orangetönen. Darauf der Schriftzug "Erdgas"
Wie fossil bleiben die Stadtwerke Konstanz? Nachdem die Kooperation mit der Thüga geplatzt ist, begibt sich das Unternehmen jetzt auf neue Partnersuche. Bild: Michael Lünstroth

Der sogenannte Letter of Intent, der zuvor in seit mehreren Monaten andauernden Gesprächen zwischen Thüga, Stadtwerke und dem Aufsichtsrat – an dessen Spitze Uli Burchardt steht und in dem neben Arbeitnehmer:innenvertreter auch acht Gemeinderät:innen sitzen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert wurde, kam damit erstmals öffentlich zum Vorschein. Und plötzlich ging es nicht mehr nur um die Ausgliederung des Energiebereichs der Stadtwerke, sondern auch um die gewinnbringenden Sparten Wasser und Telekommunikation, wobei man bei Letzterem von Rathausseite wenig Synergien gesehen hat und diesen Bereich nicht einbringen wollte.

„Die Ausgliederung zentraler Bereiche der Daseinsfürsorge sehen wir sehr kritisch“, teilte daraufhin die CDU-Fraktion mit. Dadurch werde der Einfluss der Kommune auf diese Bereiche erheblich eingeschränkt. Die SPD forderte, dass die Kontrolle über Wasserqualität, Wasserpreis sowie Wartung, Instandhaltung und Ausbau der Netze auf Dauer in Konstanz verbleiben müsse. „Auch eine Beteiligung öffentlich getragener Unternehmen lehnen wir ab“, so SPD-Stadtrat Jan Welsch.

Wie geht es jetzt weiter?

Mit dem geplatzten Thüga-Deal werden die Karten wieder neu gemischt. Die meisten Fraktionen im Gemeinderat sehen das als Vorteil. Einig ist man sich eigentlich auch, dass die Stadtwerke die anstehenden Herausforderungen der Energie- und Wärmewende nicht alleine meistern können.

„Die relativ schnelle, einseitige Festlegung auf die Thüga als möglichem Partner war von Anfang an problematisch, ist doch die Thüga bisher eher im Gashandel verortet und nicht als innovativer Treiber der Energiewende aufgefallen“, teilt die Fraktion der Freien Grünen Liste (FGL) in einer Presseerklärung mit. Ihr Vorschlag: Konstanz soll sich mit der Schweiz zusammentun, im nahen Kanton Thurgau sei jüngst eine Studie zur Nutzung von Seewärme erstellt worden. Darin sieht die FGL großes Potential.

Bevor über weitere Alternativen gesprochen werde, betont Simon Pschorr von der Linken Liste Konstanz, müssten durch den Gemeinderat zunächst die politischen Rahmenbedingungen für eine Kooperation festgelegt werden. Zunächst müsse geklärt werden, was man eigentlich wolle, um dann die dafür geeigneten Partnerschaftsmodelle oder Zusammenarbeiten zu suchen.

Das Bild zeigt den Gasspeicher in Konstanz. Davor eine Solaranlage.
Vorne Solar, hinten Gaskugel: Wohin geht der Weg der Stadtwerke Konstanz? Bild: Michael Lünstroth

Die CDU will vor einer neuen Entscheidung zwei Punkte geklärt haben: So muss erstens ein kommunaler Wärmenutzungsplan vorliegen und zweitens ein:e technische:r Geschäftsführer:in für die Stadtwerke bestellt werden, der:die Entscheidungen mit einer solchen Tragweite mitverantworten sollte.

Idee des Jungen Forum Konstanz: Bürgerbeteiligungsmodelle

„Maximalmögliche Transparenz des Prozesses und der Entscheidungsgrundlagen dem Gemeinderat, aber auch der Öffentlichkeit gegenüber“, fordert hingegen das Junge Forum Konstanz und verweist auf die gescheiterte Vorgehensweise, bis zuletzt so komplexe und wichtige Entscheidungen zum Großteil hinter verschlossenen Türen zu diskutieren. „Wir sehen in der Verschiebung die Chance, den Entscheidungsprozess neu zu starten und ausgeblendete Argumente und Alternativen wie Bürgerbeteiligungsmodelle und/oder andere Partner zu hören und zu diskutieren“, heißt es in einer Pressemitteilung der Fraktion.

Die SPD bringt gleich mehrere Kooperationen ins Spiel: „Nun wird es darum gehen, welche der Alternativen zu einer Kooperation mit der Thüga für Konstanz die besten Ergebnisse erwarten lässt“, sagt Fraktionsvorsitzender Jürgen Ruff. Das werden insbesondere solche sein, die Konstanz in Sachen Transformation der Wärme- und Energiewirtschaft voraus sind. „Je nach Projekt sollten dabei auch verschiedene Kooperationen in Betracht gezogen werden, um unsere Klimaschutzziele schnellstmöglich erreichen zu können.“

Freie Wähler ärgern sich über die jetzige Verzögerung beim Erreichen der Klimaziele

In der FDP-Fraktion ist man sich hingegen gar nicht sicher, ob eine Kooperation überhaupt sein muss. „Für eine solche Entscheidung fehlen uns noch Daten. Deswegen sind wir nicht unglücklich über etwas mehr Zeit zum Nachdenken“, so FDP-Stadtrat Heinrich Everke.

Die Fraktion der Freien Wähler, die bis zum Schluss die Einzigen waren, die einen Zusammenschluss zwischen Stadtwerken und Thüga befürworteten, macht deutlich, dass „die Verwirklichung der Klimaziele erheblich länger dauern wird als vorgesehen und geplant. Die Beendigung der Verhandlungen mit der Thüga hat unserer Meinung nach eine nicht hinnehmbare Verzögerung zur Folge“, so Fraktionschef Jürgen Faden.

Stadtwerke wollen prüfen, was sie alleine machen können und wo Hilfe nötig ist

Wäre der Deal mit der Thüga zustande gekommen, hätte der Vertrag zwischen beiden Partnern – so die Planung des Rathauses – zu Ende des Jahres stehen können.

Die Stadtwerke selbst versprechen als Ausblick auf die kommenden Monate einen noch intensiveren Austausch mit den Aufsichtsrät:innen und dem Gemeinderat. „Wir wollen vereinbaren, was wir künftig alleine angehen werden und wo wir Ziele innerhalb von Kooperationen umsetzen“, so Stadtwerkechef Norbert Reuter.